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Viel Werk, viel Ehr'
Der Standard

Seit gut fünfzig Jahren ist der Gestalter Ettore Sottsass als Designer, Architekt, Mentor und Design-revolutionär am Werk, das auch als Aufstand gegen die Langeweile gesehen werden kann

21. Juni 2002
Ettore Sottsass wurde, wie es der Name so gar nicht sagt, in Österreich, genauer gesagt in Innsbruck, geboren, am 14. September 1917. An der Technischen Hochschule in Turin lernt der Architekturstudent die Architekturbewegung des Rationalismus kennen. Sein Vater selbst war einer der Hauptvertreter dieser Bewegung der italienischen Moderne. Eine Strömung, die der angehende Architekt Jahrzehnte später grundlegend infrage stellen wird.

Von 1942 bis zum Ende des Krieges diente er in der italienischen Armee, realisierte dann erste Architekturprojekte und machte sich 1959 einen Namen, als er für Olivetti den Computer „Elea 9003“ sowie Rechenmaschinen und Schreibmaschinen entwarf. Neben seiner Tätigkeit als Chefberater in Sachen Büromaschinen bei Olivetti gestaltete er Anfang der 60er-Jahre - unter dem Einfluss einer Indienreise - zahlreiche Keramiken und spannte den Bogen zwischen künstlerischem Schaffen und Industrieprodukten.

Als vor allem Italien auf der Welle des Radical Design ritt, war Sottsass einer der führenden Surfer darauf und kritisierte mit Nachdruck faden Formalismus und Unterwürfigkeit gegenüber der Industrie. 1968 verlieh ihm das Royal College of Art in London einen Ehrentitel, und vier Jahre später entwarf er für die Ausstellung „Italy: The new domestic landscape“ im New Yorker Museum of Modern Art ein System von Prototypen, bestehend aus Glasfaser-Wohneinheiten, und experimentierte mit den ersten laminatbeschichteten Möbeln.

1973 war er Mitbegründer der Designschule „Global Tools“ und gründete 1981 die Bewegung „Memphis“, löste damit einen ungeheuren Medienwirbel aus und versetzte die Designwelt in ein seither nicht mehr da gewesenes Chaos - war „Memphis“ doch eine Kriegserklärung an schniekes, funktionales Design. „Wenn du die Funktion eines Objekts genau untersuchen willst, zerrinnt sie dir zwischen den Fingern, weil sie ein Teil des Lebens ist. Funktion bedeutet nicht eine Schraube mehr oder weniger. Funktion ist der Schnittpunkt zwischen Objekt und Leben“, meinte Meister Sottsass einmal. Im Vordergrund der Bewegung sollte die Beziehung zwischen der Form eines Produktes und dessen Benutzer stehen. Zu der Gruppe um Sottsass zählten unter anderem Andrea Branzi, Michael Graves, Aldo Cibic, Javier Mariscal, Marco Zanini, Hans Hollein oder Matteo Thun. Auch Bob Dylan hatte seine Finger indirekt mit ihm Spiel, denn sein Song „Memphis Blues“ inspirierte die Gestalter in Sachen Namensgebung. 1988 löste sich die Gruppe auf. Als Sottsass die Gruppe, die als prägende Kraft des postmodernen Designs gilt, verließ, meinte er: „Memphis beschäftigte mich zu sehr, und vor allem hatte ich genug davon, mich von den Medien mit Memphis identifizieren zu lassen.“

Architekturprojekte von Sottsass sind unter anderem das Wohnhaus Bischofberger in Zürich, italienische Tankstellen, die öffentlichen Bereiche des Flughafens Malpensa in Mailand oder das Esprit-Haus in Wels. Die wichtigsten Auftraggeber einer der international wohl bekanntesten Design-Persönlichkeiten sind Alessi, Artemide, Apple, Vitra, Zumtobel AG, Siemens und andere.

Im Jahre 1994 zeigte das Centre Pompidou in Paris eine umfangreiche Retrospektive seines Werkes. Über den Begriff Design schrieb der Gestalter und Mentor: „Für mich ist Design eine Art und Weise, das Leben zu diskutieren, soziale Beziehungen, die Politik, das Essen und sogar das Design selbst.“ Die Werke und Projekte von Ettore Sottsass sind heute in so gut wie allen bedeutenden Dauerausstellungen namhafter Museen zu sehen, und vor Ehrentiteln kann sich der ältere Herr kaum erwehren. Sein letzter Coup war die Inszenierung einer Cartier-Ausstellung in Berlin, die vergangene Woche eröffnet wurde.

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