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Holz-Zeit
Der Standard

Serie Holz Teil 2: Wie Ingenieurleistungen und Architektur zu Holzbaukunst werden

11. Juni 2005 - Ute Woltron
Wie bereits in Teil 1 unserer vierteiligen Holz-Serie erörtert, hat sich Holz als Baumaterial längst von seinem vormaligen Alpenhütten-Rustikal-Image befreit und in den vergangenen 15 Jahren einen erstaunlichen Modernisierungsschub erfahren. Dass man aus diesem - nach Expertenmeinung - ökologischsten aller Baustoffe ausgesprochen poetisch-ästhetische und noch dazu sehr große und technisch höchst anspruchsvolle Konstruktionen in die Landschaft setzen kann, stellen Architekten und Holzspezialisten gemeinsam immer wieder weltweit unter Beweis.

Eines der aufsehenerregendsten Konstrukte der jüngeren Vergangenheit befindet sich auf der Insel Nouméa, Neukaledonien, und stammt vom Renzo Piano Building Workshop. Zehn bis zu 28 Meter hohe „Hütten“ bilden hier das Jean-Marie Tjibaou Cultural Center - ein kleines Dorf, in dem die Kultur der Polynesier sowohl in Architektur als auch Bespielung im Mittelpunkt steht. Die von den schlichten, doch raffiniert konstruierten Holzbehausungen der dort ansässigen Bevölkerung inspirierten Häuser des Teams rund um den italienischen Architekten Renzo Piano stellten eine konstruktive Herausforderung dar und präsentieren sich nun als eine sehr lebendige Melange traditioneller Baukunst der Kanaken und europäischer Ingenieurskunst. Holz und Seile aus Stahl tanzen hier zwischen Palmen, Strand und Meer ein exotisches Ballett. Wenn der Wind über die Küste fegt, beginnen die hoch aufragenden Holzelemente zu summen.

Dieser Pas de deux von Entwurf und statischer Berechnung, von feiner Architektur und kunstvoller Tragwerkskonstruktion kann nur gemeinsam von Bauingenieuren und Baukünstlern getanzt werden. Holz ist und bleibt ein ganz besonderer Stoff, der nur nach sorgfältiger Berechnung und Optimierung der inneren Kräfte, Drücke und Momentenläufe zu stimmigen Tragwerken assembliert werden kann. Die entfalten dann aber auch eine ganz eigene Ästhetik und entwickeln, wenn man will, im Gegensatz zu Stahlkonstruktionen einen irgendwie lauschigeren, nicht so kalt-technoiden Charme.

Einer der Holzarchitektur-Vorreiter dieser Holz-Neuzeit ist Konrad Merz von Merz, Kaufmann und Partner, die Bauingenieurbüros in Dornbirn und Altenrhein unterhalten und regelmäßig mit internationalen Holzbaupreisen bedacht werden. Sie zeichneten etwa verantwortlich für den französischen Pavillon für die Expo 2000 von Françoise-Hélène Jourdá, mehrere weit gespannte Messehallen von vonGerkan Marg und Partner, die Holzhalle für Jenbach von Josef Lackner und Hermann Kaufmanns Reithalle in St. Gerold.

Der Holzbau ist auch eine Mentalitätsfrage", konstatiert Merz. Während etwa in den USA gut 90 Prozent aller Wohnhäuser seit jeher aus Holz gemacht seien und auch die Japaner Holzhäusern traditionell den Vorzug gäben, stünde man hier zu Lande erst am Anfang der Entwicklung. Holz im Einfamilienhausbau holt zwar auf, doch die interessantesten Holz-Projekte sind derweil noch die eher großformatigen: Hallen für Industriebetriebe beispielsweise oder Reithallen, Brücken, Messe- und Ausstellungshallen. Hermann Kaufmann nennt als die derzeit noch wichtigsten, weil verständigsten Bauherren die Sägewerksbesitzer. Denn die, so der Architekt, „kennen sich mit Holz einfach gut aus und wissen, was das Material kann“. Sägewerkshallen, die noch vor wenigen Jahren zumeist in Stahl ausgeführt wurden, präsentieren sich immer öfter als elegante und ihrem Inhalt wohl besser entsprechende Holzhallen.

Merz meint, dass vor allem die Fortschritte in der Fertigungstechnik und die erst durch moderne Computertechnologie ermöglichten superpräzisen Zuschnitte der einzelnen Elemente in Sachen Holzbau befördernd gewirkt haben. Zudem kommen seit einiger Zeit auch neue, großformatige Plattenelemente zum Einsatz, die der konstruktive Holzbau in den vielen Jahrtausenden zuvor in dieser quasi monolithischen Form nicht kannte.

„Holzbau“, so Merz, „ist traditionell ein Bauen mit Stäben. Jeder Teil, jeder Stab hat seine Funktion als Haupt- oder Nebenträger, doch diese neuen Elemente können noch viel mehr. Sie werden etwa als Decken- oder Wandelemente eingesetzt, sie tragen, steifen aus, umhüllen.“ Diese neuen Möglichkeiten würden mittlerweile von vielen Architekten und Konstrukteuren genutzt, denn, so Merz, wenn Konstruktion und Witterungsschutz sauber gemacht seien, wäre Holz genauso langlebig wie jeder andere Baustoff auch.

Die Optimierung des konstruktiven Holzbaus ist dabei noch lange nicht abgeschlossen, weitere Möglichkeiten sollen ausgenutzt werden. Hermann Kaufmann sieht hier vor allem im Bereich kostengünstiger Wandelemente eine noch nicht geschlossene Marktlücke. Was die Primärkonstruktion, also das Tragwerk anbelange, so Kaufmann, könne Holz mit Stahl mittlerweile locker preislich mithalten, Holzwände bleiben im Vergleich zu billigen Sandwich-Stahlwänden noch teuer: „Wir sind aber gerade am Nachdenken, wie wir auch dieses Problem lösen können.“

[ der Standard ist Medienpartner des von proHolz gemeinsam mit der Stadt Wien ausgelobten, heuer erstmals vergebenen Holzbaupreises wienwood 05. Der Einreichschluss naht mit 11. Juli: Alle Details und Anforderungen sind unter www.wienwood.at abrufbar. ]

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