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Reizvoll irritiert
Spectrum

Wie man ein Schlossdach ausbaut, elegant und großzügig, ohne dass der Eingriff von außen allzu sichtbar wird. Schloss Esterházy, Eisenstadt: Understatement mit Kunstgriffen.

23. Juli 2005 - Liesbeth Waechter-Böhm
Es sind verschiedene Themen, die beim Ausbau eines der Nebengebäude des Schlosses Esterházy in Eisenstadt eine Rolle gespielt haben. Wenn man es aus der reinen Architekturperspektive sieht, dann geht es um alt und neu, und darum, wie man einen Dachausbau bewerkstelligt, der unter äußerst strengen Denkmalschutz-Auflagen stattzufinden hat. In Wirklichkeit kam aber noch allerhand dazu: unter anderem sehr viele und dicke Mauern und Gewölbedecken, deren unübersehbare „Schräglage“ den Tischler vor Probleme stellte - und jetzt für durchaus reizvolle Irritationsmomente sorgt.

Wer Eisenstadt kennt, kennt auch die städtebauliche Situation vor dem Schloss. Dem ist ein großer Platz vorgelagert, der links und rechts - streng symmetrisch - von zwei Nebengebäude-Komplexen flankiert wird. Beide sind durch eine ziemlich massive Arkadierung mit toskanischen Säulen charakterisiert. Vom Schloss aus gesehen, wirken die Gebäude relativ niedrig, aber das sind in Wahrheit nur die stirnseitigen Fassaden. Das Gelände fällt hier rund vier Meter (!) ab. Das merkt man zwar kaum, aber im umgebauten östlichen Gebäudeflügel hat man dadurch eine Erdgeschoßebene und drei Obergeschoße.

Das Wiener Büro Pichler & Traupmann Architekten ist mit diesen Voraussetzungen feinfühlig, vor allem aber intelligent umgegangen. Ohne aufgeregte Inszenierungen - die findet man in der Arbeit dieser Architekten nie -, dafür mit dem Understatement einer konsequenten, an den Bedürfnissen orientierten und formal einfachen, aber bestechenden Lösung.

Der Trakt, um den es geht, wurde ursprünglich als Quartier für die Hauptwache der fürstlichen Grenadiere genutzt (daher auch die vielen „Kämmerchen“, in die die einzelnen Geschoße unterteilt waren). Und er stand in direkter Verbindung mit den Stallungen. Der Komplex wurde 1790 gebaut, und das Denkmalamt hat - zu Recht - verlangt, dass die Umbaumaßnahmen nach außen nicht sichtbar werden, dass sie die Ensemblewirkung nicht beeinträchtigen.

Tatsächlich muss man die Punkte, von denen man die neue Dachlandschaft aus sieht, suchen. Zum Beispiel im obersten Geschoß des Schlosses oder auch an der rückwärtigen Schmalseite findet sich der eine oder andere Punkt, wo man einen Blick auf den Dachausbau erhaschen kann.

Der Eingang zum neuen Bürohaus der „Esterházy Betriebe“ ist eigentlich ein Durchgang. Der führt in den Hof und zu zwei gläsern gelösten Eingängen ins Haus, von denen einer speziell den Konferenzraum erschließt, der dadurch auch extern genutzt werden kann. In diesem Konferenzraum sieht man, wie die Architekten mit Farben, Oberflächen und der Substanz umgegangen sind: Grautöne, vom Teppichboden über die Außenjalousien, den innen liegenden, ganz individuell steuerbaren Blendschutz, bis zu den Fensterläden aus emailliertem Glas; und rubinrot für die längs eingestellten Boxen in der Raummitte, die alles enthalten - Haustechnik, Teeküchen, WC-Gruppen et cetera -, was man so braucht. Die WCs sind einfach grandios: tiefes Rubinrot, mit einem schlossbezogenen Text bedruckte Glaswände, typografisch wunderbar gelöst.

Wir reden von einem Gebäudetrakt, der rund 60 Meter lang ist. Und nachdem er modern, das heißt offen, interpretiert wurde, spürt man diese Dimension auch. Im obersten, im ausgebauten Dachgeschoß steigert sich diese Länge durch die neue Dachlösung von Pichler & Traupmann zur spannenden, dynamischen Raumfigur. Da wurde einiges an architektonischen Kunstgriffen aufgewendet, da wurde mehrfach aufgeklappt und verdreht, um zu einer Raumlandschaft zu kommen, die als temporeiche, aber auch elegante Baumaßnahme wahrgenommen wird.

Pichler & Traupmann haben ihren Dachaufbau als Wanne gestaltet, die nicht zuletzt aus akustischen Gründen mit Spannteppich ausgelegt ist. Darüber haben sie dann rundum eine verglaste Zone errichtet, wodurch die Arbeitsplätze mit Tageslicht versorgt werden. Dabei wurde auf Grund der Denkmalamt-Auflagen straßenseitig ein Rücksprung des Ausbaus notwendig. Zur Straße hin ist dadurch den Büros in der obersten Etage das historische Mauerwerk bis auf halbe Raumhöhe vorgeblendet. Das klingt nicht gut - ist es aber. Was man normalerweise für heutige Computerarbeitsplätze an Lichtschutz aufwendig herstellt, das ergibt sich hier wie von selbst.

Pichler & Traupmann haben sich natürlich ganz am Anforderungsprofil des Bauherrn - vertreten durch Generaldirektor Stefan Ottrubay - orientiert. Aber wie sie diese Anforderungen interpretiert und umgesetzt haben, das ist das Besondere. Die Lösung mit den in der Mittelzone eingestellten, rubinrot lackierten Boxen aus Holzfaserplatten zum Beispiel, mit denen eigentlich alle - notwendigen - Nebennutzungen abgedeckt wurden und die als funktionelle Möbel ins historische Gewölbe eingestellt sind. Apropos Gewölbe: Es gibt keine abgehängte Beleuchtung. Die Gewölbedecken sind unangetastet. Es sind die eingestellten „Boxen“, die von unten und oben beleuchtet sind. Und die Arbeitsplätze selbst werden durch eine individuelle Beleuchtung versorgt, die sich von selbst ausschaltet, wenn sich nichts tut.

Technisch ist das Gebäude - obwohl nicht vollklimatisiert - auf einem sehr hohen Niveau ausgestattet. Da wird natürlich gekühlt, nachts gehen automatisch die Fenster auf, um für die nötige Belüftung zu sorgen. Und die Architekten haben es sich nicht nehmen lassen, sogar eine spezielle Lösung für das Regenwasser zu entwickeln: Es musste von der einen Regenrinne zu einer tiefer liegenden transportiert werden. Das sollte aber ohne sichtbare Fallrohre geschehen, denn eines ist Pichler & Traupmann ein Anliegen: eine homogene Haut, innen wie außen, mit möglichst wenig Details, denen man den Zwang ansieht, dem sie sich gegebenenfalls verdanken. Die Eleganz und Großzügigkeit ihrer Architektur basieren letztlich darauf, dass, was nicht wirklich wichtig ist, auch nicht so in Erscheinung tritt.

Zurück zum Regenwasser: Pichler & Traupmann sind die Erfinder der Regenwasser-Glasrutsche, beheizt selbstverständlich. Im Winter hätte man sonst mit ungeahnten Folgen zu rechnen. Sie tritt optisch fast nicht in Erscheinung, nur durch die Heizdrähte im Glas. Sie ist einfach Bestandteil des rundum laufenden Glasbandes. Aber sie funktioniert. Und sie zeigt, was es bedeutet, konsequent zu sein.

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