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Von Barock bis Protest
ORF.at

„Welcher Beschluss auch immer heute getroffen wird: Bis zu einem Baubeginn müssen noch viele Fragen geklärt werden, nicht zuletzt ein tragbares Konzept für die Finanzierung“, schreibt „Die Welt“.

4. Juli 2002
Wenn der Bundestag am Donnerstag sein Votum fällt, ist die Debatte um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses wahrscheinlich nicht beendet, aber es wird eine verbindliche Entscheidung vorliegen.

Im folgenden gibt kultur.ORF.at einen Überblick über das Presse-Echo zur Debatte um das umstrittene Projekt.

In der Zeit schreibt Hanno Rauterberg in seiner Glosse unter dem Titel „Wie barock ist Deutschland?“ einen Vergleich mit dem Aufbau des Bundestages und schreibt u.a. :„Auch damals trauten sie der Geschichte mehr als der Gegenwart. Viele Abgeordnete waren wild entschlossen, dem Reichstag seine alte, vom Krieg vernichtete Haube wieder aufzusetzen. Etwas anderes konnten sie sich nicht vorstellen. Zum Glück votierte die Mehrheit am Ende für eine moderne Kuppel, und der Architekt Norman Foster durfte den Altbau mit einer schwungvollen Glasbekrönung schmücken. Sie wurde zum Signet der Hauptstadt ... Gelernt haben nur wenige Abgeordnete aus diesem Erfolg der Moderne: Wieder streiten sie über Alt und Neu, über Berlins Schlossplatz und dessen Zukunft.“

Mit dem Kunsthistoriker und Nestor der Stadtschloss-Forschung Goerd Peschken führte die Berliner Morgenpost ein Interview. Darin meint der Experte zum Wiederaufbau: „Ich habe fast kein intelligentes Argument gegen die Rekonstruktion gehört. Das Dümmste war, diesen Gegensatz von Alt und Neu herzustellen, zu sagen, wir wären moralisch verpflichtet, etwas Neues zu bauen. ... in der Kunst gibt es keine Moral. In der Kunst gilt nur, was gut ist. Und das alte Gute ist genauso gut wie das neue Gute. Und das sage ich als großer Verehrer der Moderne.“

Dieter Bartetzko übertitelt seinen Kommentar im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung „Keine Wahl: Der Bundestag debattiert über den Wiederaufbau des Berliner Schlosses“ und schreibt u.a.: „An der Wiederauferstehung des Berliner Stadtschlosses führt kein Weg vorbei. Das ist nach zwölf Jahren Debatte und der Empfehlung der Expertenkommission so unbestreitbar wie die Tatsache, dass Andreas Schlüter der Baumeister der besten Trakte des Riesenbaus gewesen ist. Ebenso unbestreitbar aber ist auch, dass das künftige Schloss mit dem historischen wenig zu tun haben wird.“

„Das Schloss? Weil es schön ist“ leitet Uwe Rada seinen Bericht in der taz ein und meint: „Kaum eine städtebauliche Debatte wurde hierzulande hitziger geführt als die um die Zukunft des Schlossplatzes, von der Diskussion um das Holocaust-Mahnmal vielleicht einmal abgesehen. Vor diesem Hintergrund mag vielleicht überraschen, dass am Donnerstag weder die Abgeordneten durch ein Spalier der Demonstranten laufen müssen, noch am Schlossplatz eine Kundgebung gegen eine nostalgische Geschichtspolitik der schwarz-rot-grünen Schlossbefürworter stattfindet.“

Ihren Artikel zur Bundestags-Debatte leitet die Berliner Zeitung mit „Protest gegen Palast-Abriss“ ein und berichtet: „Die für Donnerstag im Bundestag vorgesehene Abstimmung über barocke Fassaden bei der Bebauung des Schlossplatzes in Berlin wird von der PDS scharf kritisiert. Damit werde der zwischen Bundesregierung und Senat vereinbarten Kommission die Arbeitsgrundlage entzogen, sagte PDS-Vizechefin Petra Pau am Sonnabend bei einer Protestaktion auf dem Schlossplatz. Das Gremium soll sich auf Grundlage der Empfehlungen eines internationalen Expertengremiums mit der Architektur des Neubaus, dessen Nutzung sowie mit der Finanzierung befassen.“

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