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Aus dem Chaos lernen
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Rem Koolhaas ist vermutlich der einzige Architekt, der seine Karriere nicht mit einem Haus, sondern mit einem Buch begonnen hat.

6. Juli 2002
Mit „Delirious Manhatten“ betrat Rem Koolhaas 1978 die internationale Szene und hat sie seither maßgeblich beeinflusst. Das Buch war nicht das übliche Hochglanz-Blabla, sondern ein Manifest, das die Gedankenwelt des Städtebaus grundlegend verändert hat.


Urbanes Panoptikum

Als er Ende der 90er Jahre „S, M, X, XL“ herausbrachte, konnte er längst auf ein breites Oeuvre tatsächlich gebauter Projekte zurückblicken. Vom spektakulären Einfamilienhaus in Bordeaux bis zum Masterplan für Lille spannte sich der Bogen seines Schaffens.

Der Schmöker im unhandlichen Ziegelformat durfte dank der wohlfeilen Taschen-Ausgabe lange Zeit in keinem Intellektuellen-Haushalt fehlen. Das Bilder-Buch vereinigte neben dem baukünstlerischen Werk der letzten zwanzig Jahre Fotos der Berliner Mauer und japanischer Pornografie ebenso wie Statistiken über Koolhaas' Hotelaufenthalte. Hier geht es einem um mehr als nur Architektur, war die Botschaft zwischen den Zeilen. Koolhaas schrieb sich mit dem Erfolg dieses Buchs endgültig in die Oberliga der Schönen und Reichen ein.


What's next?

Der Gründer des Office for Metropolitan Architecture (O.M.A.) zeichnete sich stets durch erfrischend unkonventionelle Architektur aus. Sie bezieht ihre Stärke nicht zuletzt aus dem Umstand, dass die jeweils vorangegangenen Projekte keinen Schluss auf das nächstfolgende zulassen. Verbindende Elemente gibt es dennoch: die Vorliebe für scharfe Formen, der häufige Einsatz von vorgefertigten industriellen Werkstoffen oder das Spielen mit Gegensatzpaaren wie offen oder geschlossen.


Junk Spaces

Koolhaas geht es in seiner Arbeit nicht um Äußerlichkeiten. Er zeigt kein Interesse an der großen Geste, die viele seiner Kollegen wie Frank O. Gehry zum Liebling der Gazetten machten. Im Zentrum steht für ihn die Gegenwart der zeitgenössischen Stadt und ihrer permanenten Veränderungen. Warum eine elegante Fassade entwerfen, wenn die beständig mehr werdenden „junk spaces“ die lautere Sprache sprechen?

Während viele seiner Kollegen über Themenparks und unkontrolliertem Städtewachstum die Hände ringen, stellt er sich der Herausforderung und begreift das urbane Chaos als Quelle der Inspiration. Konsequenterweise hat er in der jüngsten Pubikation mit den Studenten seiner Havard Design School das Thema Shopping einer kritischen Analyse unterzogen.

Im Jahr 2000 erhielt Rem Koolhaas den Pritzker-Preis, die höchstdotierteste und renommierteste Auszeichnung der Zunft. Jury-Vorsitzender J. Carter Brown lobte den herausragenden Vertreter einer "bemerkenswert unspektakulären niederländischen Architekten-Generation für seinen „rastlosen Geist, seine konzeptuelle Brillanz und die Fähigkeit, Gebäude singen zu lassen“. Das alles sichere ihm einen Platz am Firmament des zeitgenössischen Designs.

Eines der jüngsten Projekte von Rem Koolhaas ist der Umbau der zum Weltkulturerbe erklärten Kocherei des Zollvereins Essen.

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