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Verkaufskultur
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Gemeinsam mit seinen Studenten untersuchte Rem Koolhaas die Auswirkungen der Konsumgesellschaft auf die Stadt.

6. Juli 2002
In einer Mischung aus Feldstudie, statistischer Untersuchung, historischer Forschung und Anekdotensammlung beschreibt der Harvard Design School Guide to Shopping Einkaufen als zentralen Modus des urbanen Lebens. Konsum, so die These, ist der Motor der Stadtentwicklung und in vielen Fällen wichtigste Existenzberechtigung der Stadt überhaupt. Das Buch wurde, wie auch alle Koolhaas-Vorläufer, ausgiebig in der internationalen Presse besprochen.


So weit, so theoretisch

Mit der praktischen Umsetzung seines konsumkritischen Ansatzes erging es Rem Koolhaas wesentlich schlechter. Die Modewelt gab sich letztes Jahr ein Stelldichein, um den neuesten Wurf des urbanen Vordenkers Rem Koolhaas zu bestaunen. Die Eröffnung seines Prada-Flagshipstores im New Yorker Stadtteil SoHo war ein gesellschaftliches Ereignis der Extraklasse.

Mit 40 Millionen Dollar (34,97 Millionen Euro) ist das neue Prada-Flaggschiff pro Quadratmeter in Downtown die teuerste Verkaufsfläche. Die Leitidee hinter dem Projekt war nicht weniger, als das Einkaufen für das 21. Jahrhundert neu zu erfinden. Den Katalysator zu diesem ehrgeizigen Projekt sollte der Stammsitz des benachbarten Guggenheim-Imperiums abgeben. Thomas Krens' Museumskonzern sollte die Verkaufsfläche des Edelschneiders mit zeitgenössischer Kunst bespielen.

Mit der Planung der Las-Vegas-Filiale für Guggenheim war die Achse Krens-Koolhaas bereits gut geschmiert.


Kritisches Potenzial

Mit dieser einzigartigen Zusammenarbeit wollte Koolhaas Fragen nach dem Wesen von Kunst und Konsum aufwerfen. Auch Guggenheim hat diesen Zusammenhang immer sehr weit interpretiert - etwa mit einer von BMW unterstützen Motorradausstellung. Die Verbindung der beiden Sphären sollte diese Entwicklung konsequent zu Ende treiben.

Theoretisch ließe sich dagegen einwenden, dass sich gerade das Prada-Publikum davon kaum hätte abschrecken lassen. Praktisch wurde aus all den Plänen nichts. Die Finanzkrise im Guggenheim machte einen Strich durch die Rechnung.


Geldnot

Ironischerweise trafen sich da die Beinahe-Partner. Schließlich hat sich Prada mit seiner Expansionspolitik bedenklich weit aus dem Fenster gelehnt. So weit, dass beide weiteren von Rem Koolhaas geplanten Filialen in Beverly Hills und San Francisco einstweilen auf Eis gelegt sind. Was bleibt ist die Bühne dieses gescheiterten Versuchs.


Die Welle

Der ganze Raum an der Ecke Prince Street und Braodway wird dominiert von einer Struktur, die Koolhaas „The Wave“ nennt. Die konkave Form zieht sich über zwei Stockwerke. Die Treppen an der Schräge dienen zur Präsentation von Schuhen ebenso wie zum Sitzen - bei kulturellen Veranstaltungen. 150 Menschen passen in dieses „Theater“. Eine hydraulische Anlage auf der gegenüberliegenden Seite der Welle kann zur Bühne umgebaut werden. Nach dem Rückzug von Guggenheim wurde aus dem geplanten Kommentar auf den sozialen Akt des Einkaufens wenig mehr als eine gelungene Firmenpräsentation. Jetzt bespielt die Prada-Foundation temporär ihren Schauraum.

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