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Maulwurfshügel mit Aussichtsplattform
Der Standard

Noch bis 9. Oktober zeigt die Bundesgartenschau in München, dass Design im Lebensraum Garten weit über nachbarschaftliches Wetteifern in Sachen Rosenbeet hinausgeht

16. September 2005 - Thomas Edelmann
Eine Bundesgartenschau versucht normalerweise allein durch Blumenpracht und Staudenarrangements zu überzeugen. Designer dürfen dann noch ein paar Bänke entwerfen und übers weitläufige Areal verstreuen - das war's. Üblicherweise wendet sich eine Gartenschau an Besucher über 50, Hobbygärtner und Parkbesucher, die es danach drängt, sich mit vielen anderen Hobbygärtnern und Parkbesuchern langsam durch ein bislang brachliegendes Gelände zu schieben, immer auf der Suche nach neuen, bequemen Standardlösungen für die eigene Parzelle, den eigenen Schrebergarten.

Was normalerweise auf kleiner Fläche geschieht, wird bei einer Gartenschau in riesige Dimensionen vergrößert. Die Buga 05 in München ist irgendwie anders. Zwar hat sie alle Zutaten einer gärtnerischen Leistungsschau, doch die sind diesmal weit strenger und zugleich unterhaltsamer arrangiert. Das führt dazu, dass anfangs das klassische Buga-Publikum ausblieb, am Ende droht ein happiges Defizit. Schon der Ort ist ungewöhnlich. Wir befinden uns auf dem Gelände des ehemaligen Airports München-Riem, im Osten der baye-

rischen Metropole. 1936 war es Deutschlands modernster Flughafen. Heute erinnern nur noch ein von Sony Ericsson genutztes, altes Empfangsgebäude weit im Norden und ein alter, frei stehender Tower, längst ohne Funktion, an die alte Nutzung, die 1992 aufgegeben wurde. Im östlichen Teil hat sich die Messe München angesiedelt. Auf dem einstigen Rollfeld südlich und westlich davon entstanden Wohnungen und Büros, Einkaufszentrum und Kirche.

Nicht nur die Gartenschau, sondern auch die angrenzende Messestadt Riem lohnt einen Besuch. Ein Pavillon auf dem Weg zum Buga-Eingang informiert über architektonische Höhepunkte des sorgsam geplanten, neuen Stadtteils mit seinen modernen Schul- und Freizeitbauten. Hier erfährt man auch, wie stark die Grünflächen des heutigen Gartenschaugeländes in das Stadtviertel hineinragen. Noch weiter südlich zieht sich ein 200 Hektar großes Parkband entlang. Noch bis 9. Oktober ist hier die Buga 05 zu sehen, danach verwandelt sich das Gelände in Münchens drittgrößten Park.

Von dem Pariser Landschaftsarchitekten Gille Vexlard stammt der Entwurf des Parks, das Buga-Ausstellungskonzept von Rainer Schmidt aus München. Große Heuballen dienen als Träger des Leitsystems von Designer Ruedi Baur. Am Ende der Buga werden sie verrottet sein. Von Westen kommend befindet man sich zunächst auf einem Plateau, wo riesige Blumenhallen, entworfen vom Münchner Architekten Thomas Herzog, den traditionellen Ansprüchen der Buga-Besucher Raum geben. Hier präsentieren sich Gartenbaubetriebe mit Züchtungen und Arrangements, hier gibt es zünftige Blasmusik und andere Vorführungen. Der „Blütenteppich - die Schönheit der Pflanze“ trägt seinen Namen zu Recht. Dennoch ist hier schon nichts mehr von Gartenbau-Spießigkeit zu spüren. Spannend der Zellengarten, der sich weiter südlich anschließt.

Information und Unterhaltung vermischen sich. „Wissenstransfer auf spielerische Weise“, nennt das der Veranstalter. Neben einer Zelle, die jeweils von einem hohen Erdwall umgeben ist - etwa einem begehbaren riesigen Maulwurfshügel mit Aussichtsplattform - findet sich ein „Haus des Wissens“, ein kleiner Holzbau von Thomas Herzog, dessen Tür tagsüber wie ein Hemdkragen aufgeschlagen ist. Hier erfährt man beim Naturschutzbund, wie viele Quadratmeter Boden im prosperierenden Bayern täglich überbaut und versiegelt werden.

Nebenan unterrichtet Südzement über attraktive Möglichkeiten der Gestaltung von Betonoberflächen. Ein Haus weiter demonstriert die Münchner Rückversicherungsgesellschaft den „Wetterwechsel“ anhand eines drastischen, begehbaren Beispiels: Eine Wohnung, die vor kurzem noch überflutet war, zeigt Spuren der Verwüstung. Der Freistaat Bayern gibt sich optimistischer und interpretiert seinen Zellengarten als Zelle des Lebens, ein Video vermittelt Vorteile der Genforschung. In weiteren Gärten gibt es ein überdimensionales Nest zu bestaunen oder Haustiere auf Augenhöhe oder ein ebenfalls stark vergrößertes Tipp-Kick-Spiel. Von den Zellengärten geht es weiter zum tiefer liegenden Senkgarten und den Pflanzenbildern.

Die „Gärten der Potenzen“ etwa ver- wandeln in Zehnerpotenzen vergrößerte Schnitte durch Pflanzen zu Schmuckgärten. Am besten kann man sie von oben, aus der Seilbahn betrachten. Unterwegs kann man sich auf den zahlreich herumstehenden Buga-Stühlen des Münchner Büros designafairs ausruhen. Überquert man den Buga-See auf einer Fußgängerbrücke, gelangt man zu den „Blühfeldern“, der südlichen Spitze des Geländes. Hier haben Studenten der Münchner TU und junge Architekten drei neuartige Gartenhäuschen realisiert, mit denen sie den Schrebergarten weg vom Spießeridyll hin zur familienfreundlichen ökologischen Nische neu positionieren wollen. Modell „Ökogartenlaube“ ist in leuchtenden Farben angestrichen und hat asymmetrisch zurückspringende Seitenwände.

Das Modell „Nutzgartenlaube“ dagegen gibt sich zunächst abweisend kubisch. Erst wenn die grau-silberfarben lasierten Fenster und Türen geöffnet werden, stellt sich ein interessanter Kontrast zum unbehandelten Holz der Innenseiten ein. Aus Lärchenholz besteht die „Wellnessgartenlaube“, die rechteckig oder zu Winkelformen konfiguriert werden kann. Vieles andere gibt es auf der Buga 05 zu entdecken. Große Spiel- und Sportanlagen, die „Parallelen Gärten“ mit ihrer unkonventionellen Blütenpracht. Die vom Publikum umlagerten Grabanlagen mit ihren scheußlich-schönen Kitschmonumenten, Kunst in Containern, Filmvorführungen am Badesee. Ein bisschen sehr anders ist sie schon, die Münchner Buga.

[ Der Eintritt zur Buga kostet 14 Euro, ermäßigt 12 Euro, eine Hin- und Rückfahrt mit der Seilbahn 7,50 Euro, ermäßigt 5,50 Euro bis 7,00 Euro. Detaillierte Informationen auch zu Anreise und Übernachtung unter www.buga05.de ]

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