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Epsteins Geheimnisse entdeckt
Der Standard

Versteckte Türmechanismen, einbruchsichere Fenster und Dokumente wurden nun im Palais Epstein am Burgring entdeckt. Auch aus heutiger Sicht ist das Haus aus dem 19. Jahrhundert fortschrittlich. Es wird derzeit als Außenstelle des Parlaments neuerlich modernisiert.

11. November 2003 - Andrea Waldbrunner
Wie konnten Architekt Theophil Hansen und der junge Otto Wagner als Bauleiter ein derart „supermodernes Palais“ im 19. Jahrhundert bauen? Die Architekten Alexander van der Donk und Georg Töpfer sind baff. Ebenso Karl Lehner von der Bundesimmobiliengesellschaft (Big). Er wird mit den beiden das Palais bis 2006 parlamentstauglich machen.

Nicht nur, dass das vom jüdischen Bankier und Wohltäter Gustav Ritter von Epstein (1828-1879) in Auftrag gegebene Wohn- und Geschäftspalais ein repräsentatives Beispiel früherer Baukunst am Ring ist. Es sind die architektonische Details, die die drei Herren faszinieren.

„Man würde sich wünschen, dass man solche Schiebetüren auch heute baut“, schwärmen die Architekten über die hohen Türen. Sie haben einen Schiebe- und Drehmechanismus, um den Tanzsaal nach allen Richtungen zu öffnen. Je nach Bedarf konnten die Türklinken raffiniert unter kleinen Klappen im Türstock verborgen werden. Interessant sei auch die Heizlüftung, die noch funktioniere.

Schutz aus Stahl

Big-Experte Karl Lehner hat eine Sicherheitsanlage im Erdgeschoß entdeckt. In einer Kurtine, dem Mauerteil unter dem Fenster, wurde eine Vorrichtung gefunden, aus der Stahlplatten hochgekurbelt werden konnten, um die Fenster von innen einbruchsicher zu verriegeln. „Epstein muss Angst gehabt haben, dass jemand sein Palais stürmt“, vermutet Lehner. Kein Wunder, der Privatbankier war einer der vermögendsten, einflussreichsten Männer seiner Zeit.

Hinter dieser Sicherheitsanlage wurde ein Postsack gefunden, der aus jener Zeit stammen dürfte, als die Russische Zentralkommandatur nach dem Krieg im Palais Quartier bezogen hatte. „Oberst Swedov - Politische Abteilung“ hat den an ihn adressierten Brief nie erhalten. Die Briefe werden Historikern zur Analyse übergeben.

Theophil Hansen dürfte sein persönliches Lieblingssymbol im Palais verewigt haben, den Stern. Er findet sich in sämtlichen Mustern von Holzdecken, Mosaiken und Vertäfelungen. Hansen war auch für den Bau des Parlamentsgebäudes nebenan verantwortlich.

All die Spielereien bei der Einrichtung, die sich Familie Epstein geleistet hat, tauchen jetzt bei der Renovierung des Palais auf. Sie sind durch viele Umbauten, von verschiedensten Nutzern veranlasst, abgebaut und entfernt worden. Alte Materialien werden nun an Originalplätze zurückgebracht, ein Teil des Parkettbodens wird rekonstruiert.

Räume fürs Parlament

Für den parlamentarischen Gebrauch wird das Palais abermals modernisiert. Der hintere Teil, der ehemalige Dienstbotentrakt, wird entkernt, damit die gesamte Gebäudetechnik dort Platz findet. Auch der Dachboden wird künftig genützt. „Keine Sorge“, grinst Lehner in Richtung Altstadt- und Welterbeschützer, „er wird nicht ausgebaut“, nur vorhandener Raum für Büros genutzt. 14 Millionen Euro werden investiert, damit im Erdgeschoß (den früheren Bankräumen) ein Eingangs-und Ausstellungsbereich errichtet werden kann. Der Tanzsaal wird zum Sitzungsraum, im zweiten und dritten Geschoß entstehen Büros.

Wahrscheinlich wird das Palais für Besucher geöffnet, damit sie noch ein wenig vom Leben und dem Stil des Großbürgertums im 19. Jahrhundert spüren können. Das Palais am Wiener Burgring war mit den Epsteins zentraler Ort der Wiener Zeitgeschichte. In drei Jahren ziehen Parlamentarier dort ein. Österreichische Geschichte wird dann weiter geschrieben.

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