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Selbstinszenierung mit Buch
Neue Zürcher Zeitung

Eine unterhaltsame Ausstellung im Architekturforum Zürich

22. Oktober 2005 - Martino Stierli
Für einmal gibt es im Architekturforum nicht Entwürfe, Modelle oder Architekturfotografie zu besichtigen, sondern das intellektuelle Futter, das diesen zugrunde liegt. Von der Annahme ausgehend, dass Bücher für Architekten von zentraler Bedeutung sind, haben die Kuratorinnen Sibylle Bucher und Claudia Coellen rund hundert Architekten und Architekturvermittler darum gebeten, ihr „wichtigstes“ Buch für eine Ausstellung zur Verfügung zu stellen. Entstanden ist eine Schau aus über siebzig Titeln, die als museale Exponate den Wänden entlang aufgehängt sind. Von der kostbaren Erstausgabe bis zum abgegriffenen Taschenbuch findet sich die gesamte Palette der Buchproduktion. Auch thematisch ist das Feld vom Groschenroman über die Künstlermonographie und das Entwurfslehrbuch bis hin zum theoretischen Manifest weit gesteckt. Die präsentierten „Originale“ aus der persönlichen Bibliothek der Architekten gewinnen durch ihre Unberührbarkeit den Charakter eines Kunstwerks; eine eigens eingerichtete Leseecke lädt aber zum Schmökern in den Zweitexemplaren ein. In einem Begleitheft erläutern die Beteiligten die Gründe für ihre Wahl.

So schön die Ausstellung präsentiert wird: Im Zentrum steht wohl nicht so sehr das Interesse an den Büchern selbst, sondern die Frage, wer welchen Titel gewählt hat - und was für Rückschlüsse sich daraus ziehen lassen. So bildet die Schau weniger einen Kanon der wichtigsten Bücher im Gebiet der Architektur ab als vielmehr eine Reihe persönlicher Statements, die sich hervorragend zur Selbstinszenierung der angefragten Persönlichkeiten eignen. Nutzen die einen ihre Buchwahl dazu, ihrem theoretischen Standpunkt Nachdruck zu verschaffen, so steht bei anderen ihr Selbstbild als Intellektuelle im Vordergrund. Wieder andere markieren mit einem gekonnten Missgriff ihr Rebellentum. Diese Eindrücke werden durch eine Serie von an die Wand projizierten Bildern unterstrichen, die einen Blick in die Bibliotheken der Architekten gewähren und mithin darauf, welches Bild sie von sich selbst gegen aussen präsentieren.

In der Ausstellung sind alle Generationen der Zürcher Szene gut vertreten, während einige gewichtige auswärtige Grössen der Schweizer Architektur wie etwa Herzog & de Meuron, Mario Botta oder Diener & Diener fehlen. Das Resultat ist unterhaltsam und vermag obendrein die Lust des Voyeurs am Star zu befriedigen. Eine Ausstellung nicht nur für Bibliophile, sondern auch für Forscher im Biotop der Architektenspezies.

[ Zürich, Architekturforum (Neumarkt 15), bis 26. November. Am 26. Oktober findet um 18 Uhr 30 eine Podiumsdiskussion zum Thema „Architektenbücher - Bücherarchitekten: Vom Lesen, Schreiben und Verlegen“ statt. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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