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Primat der Ökonomie
ORF.at

Wer sich innovative Architektur oder pietätvolles Gedenken am Ground Zero erwartet hat, wurde enttäuscht.

20. Juli 2002
Anfang der Woche präsentierte die Port-Authority, Eigentümerin des New Yorker Ground Zero, sechs offizielle Entwürfe zur Neugestaltung des am 11. Eptember zerstörten Grundstücks. Die massive Kritik an den Vorschlägen ließ nicht lange auf sich warten.


New York Times erbost

Dass es sich bei den sechs Vorschlägen nur um Diskussionsgrundlagen halte, sei nur billig ätzte die New York Times in einem Kommentar mit dem Titel „ The Downtown We Don't Want“. Die Vorschläge seien weit ab von dem, was sich New York und die Welt von diesem Ort erwartet habe. Die sprichwörtliche Rede von der Stadt, die nie schlafe, mit all ihren Kulturangeboten vertrage sich nicht mit dem Bürokomplex, den die Investoren aus der Asche steigen lassen wollen.

So lange die Hafenbehörde darauf beharre, jeden Quadratzentimeter kommerziell zu nutzen, werde es nichts erinnerungswürdiges in Lower Manhatten geben können, kritisierte die New York Times abschließend.


Hinterbliebene enttäuscht

Hinterbliebene der Opfer der Anschläge vom 11. September, Vertreter lokaler Initiativen und andere Einwohner von „Big Apple“ bemängelten nach der Präsentation zu Beginn der Woche, die Entwürfe seien fantasielos und zu stark an den Interessen der örtlichen Hafenbehörde ausgerichtet.

Die vorgestellten Architekten-Entwürfe sehen allesamt an der Stätte des bei den Terroranschlägen zerstörten World-Trade-Center eine Freifläche für ein Mahnmal vor. Gemein ist ihnen aber auch, dass mehrere Hochhäuser errichtet werden sollen, um die Millionen von Quadratmetern Bürofläche zu ersetzen, die durch die Anschläge vernichtet wurden. Der Ersatz der verlorenen Bürofläche entspricht der Forderung der Hafenbehörde Port-Authority of New York and New Jersey.


Initiativen kritisch

Auch Eva Handhart, Direktorin einer örtlichen Initiative zur Förderung der Künste, monierte, den Entwürfen mangle es an „Seele“. Sie spiegelten keinerlei Reflexion „über die Bedeutung des Ortes oder des 11. September“ wider, sagte sie AFP. Monica Iken, die nach dem Tod ihres Mannes im World-Trade-Center eine Hinterbliebenen-Initiative gegründet hatte, berichtete, dass sie sich vergeblich für eine größere Fläche für das Mahnmal eingesetzt habe. Mit ihrer Forderung nach 65.000 Quadratmetern für das Denkmal sei sie auf Unverständnis gestoßen.

Die Port-Authority habe sich in den vorliegenden Plänen durchgesetzt. Auch Peter Miller, Psychotherapeut aus dem Süden Manhattans, kritisierte, das „kommerzielle Interesse“ habe sich durchgesetzt.


[Tipp:
Bereits vor einigen Wochen hat das 3sat-Magazin Kulturzeit den Ausschluss von Qualitätsarchitekten aus dem Planungsprozess thematisiert.]

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