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Gezielte Transformationen
Neue Zürcher Zeitung

Bauten und Projekte von Ken Architekten aus Baden

Die Autonomie der Architektur ist dem jungen Badener Büro Ken Architekten wichtig. Das zeigt ihr vielbeachteter Kindergarten in Dietikon ebenso wie ihr neustes Einfamilienhaus in Möriken.

3. März 2006 - J. Christoph Bürkle
Ken Architekten sind Claudia Hofer, Jürg Kaiser, Lorenz Peter und Martin Schwager. Ken ist kein Kürzel, sondern ein Begriff aus der japanischen Architektur. Er bezeichnet das absolute Mass sowie dessen Regulativ, welches das Kleine zum Grossen ins Verhältnis setzt. Mit dieser Maxime arbeitet das Architekturbüro, das vor zehn Jahren gegründet wurde und seitdem die Bauszene von Baden aus nachhaltig belebt. «Vielleicht ist es ein bisschen leichter, aus der Provinz zu operieren», meint Martin Schwager, «zumindest ist der Diskurs hier direkter.» Provinziell sind die Entwürfe von Ken Architekten nicht. Sie sind urban gedacht, setzen sich mit der gestellten Aufgabe auseinander und bewahren die Autonomie der Architektur, ohne sich allzu sehr in Analogien oder Vorgaben des Ortes zu verstricken. Das zeigte schon ihr erster realisierter genossenschaftlicher Wohnbau, der sich mit grossen Glasflächen zum Limmatufer in Ennetbaden öffnet und auf der Rückseite mit einer schroffen Betonwand nichts als Architektur ist. Aus diesem inneren Dialog entwickeln Ken Architekten ihre Projekte. Immer entwerfen sie kollektiv, denn «Projekte werden im gemeinsamen Prozess widerstandsfähiger». Der Teamgedanke wird bei ihnen gross geschrieben, denn «zusammen sind wir besser als allein». Nur so können sie «dem Drang, Ideen zu produzieren», gerecht werden.

Klare Interventionen

Diese Ideen zeigen sich beim Umbau und bei der Aufstockung von zwei Mehrfamilienhäusern in Wettingen eindrücklich. Hier galt es, Bauten aus den siebziger Jahren aufzuwerten. Dabei wurde einem Wohnblock durch klare, einfache Eingriffe ein derart zeitgemässer Ausdruck verliehen, dass man ihn fast für einen Neubau halten könnte. Dank einer Erhöhung der Ausnutzung konnte ein zusätzliches Attikageschoss realisiert werden. Die asymmetrische Aufstockung bricht die Axialität der Gebäude und stärkt deren Plastizität. Die neuen Farben Weiss und Anthrazit unterstützen die Lesbarkeit des Konzepts der ineinander greifenden Volumen. Die Überbauung verleiht nun dem Strassengeviert eine neue Identität.

Während sich die ältere Architektengeneration - als Reaktion auf die Spätfolgen der Moderne - mitunter allzu sehr an die Paradigmen von Typologie und Analogie des Ortes klammert, haben Ken Architekten sich von diesen Zwängen befreit und kommen so zu naheliegenden, freieren Lösungen. Für die Vielzahl von Sanierungen, die in Wohnsiedlungen aus den siebziger und achtziger Jahren noch anstehen, kann der Ansatz von Ken Architekten einen kostengünstigen und architektonisch adäquaten Weg weisen.

Ganz anders, aber nicht weniger pragmatisch gingen Ken Architekten bei ihrem Kindergarten- Projekt in Dietikon vor, über das in jüngster Zeit häufiger geschrieben wurde. Die beiden an eine militärische Festungsmauer gebauten Kindergärten zeigen einen differenzierten Umgang mit einem kontroversen Erbe. Die Mauer in Dietikon gehört zu den vielen Befestigungsanlagen, die im Zweiten Weltkrieg in der Schweiz gebaut wurden. Der Debatte um Erhalt oder Abbruch der Mauer setzten Ken Architekten dadurch ein Ende, dass sie diese zum Fixpunkt der beiden Kindergartenhäuser machten. Die trennende und abweisende Geste der auf einer Seite geböschten Mauer wurde wie selbstverständlich in die Kindergärten, deren Dächer einfach auf der Mauer aufliegen, integriert. Durch die Transparenz der verglasten Seitenwände und der Hofbildung von alter Mauer und Freifläche bildet das Ensemble ein geborgenes Geviert, das diesem einst wehrhaften Ort etwas Spielerisches verleiht.

Offenes und geschlossenes Volumen

Eine ähnlich gezielte Transformation ist auch der jüngste, gerade fertig gestellte Bau von Ken Architekten. Aus der einfachen Aufgabe eines Einfamilienhauses liessen die Architekten einen architektonischen Markstein entstehen, der eine einfache, fast selbstverständliche Variante der Villa suburbana darstellt. Am Rande von Möriken errichteten sie einen Betonbau, der sich einerseits über die umgebende Landschaft definiert, sich aber von dieser beinahe hermetisch abschirmt. Die fast vollständig geschlossene Betonschale ist nur an zwei gegenüberliegenden Ecken geöffnet und legt einen diagonalen Lichteinschnitt durch das Haus. Die mit Acryllasur und metallenen Pigmenten versehene Oberfläche verstärkt noch den skulpturalen Charakter des erratischen Blocks. Alle Räume der beiden Geschosse sind so gelegt, dass sie durch die Ecköffnung belichtet werden, nur das geschlossene Bad erhält sein Licht mittels Oberlichtbändern.

Durch diesen Effekt entsteht eine scharfkantige, prismatische Form, die an eine aufgeschnittene Schachtel erinnert. Andererseits ergeben sich durch den harten Gegensatz von offenem und geschlossenem Volumen eindringliche Raumformationen im Inneren. Der Landschaftsarchitekt Klaus Müller ergänzte den architektonischen Gedanken des Hauses mit einem schwarz eingefärbten und sandgestrahlten Betonraster, der das kubische Haus in die umgebende Natur sinnfällig einbettet und zugleich die Unendlichkeit des Dialoges suggeriert.

Bei den vielfältigen Projekten, die Ken Architekten bearbeitet haben, überzeugt die scheinbare Leichtigkeit, mit der sie durchdachte Lösungen hervorbringen und präzise Erscheinungsformen generieren. So entwickelten sie für die beiden Fotoausstellungen «Miroslav Tichy» und «The Art of the Archive», die 2005 im Kunsthaus Zürich in einem Raum gezeigt wurden, einen kabinettartig fliessenden Raumkörper von starker Präsenz. Man darf also auf die weiteren Projekte von Ken Architekten gespannt sein.

[ Ken Architekten stellen ihre Arbeiten am Mittwoch, 8. März, um 18.30 Uhr im Architekturforum Zürich vor. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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