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Urban, suburban, Europan
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Europäische Urbanität war das Thema des achten „Europan“-Wettbewerbs. Mit Projekten wie „Shopping-Schaum“, „Loop“, „Mostropolis“ oder „suburban block“ gingen österreichische Gemeinden ins Rennen. Einige preisgekrönt.

18. März 2006 - Franziska Leeb
„Das Interesse der Gemeinden, sich an Europan zu beteiligen, war noch nie so groß wie heute“, freut sich Bernd Vlay, Generalsekretär von Europan Österreich. „European urbanity, Strategien und Lösungen für die europäische Stadt“ lautete das Thema der achten Ausgabe der größten europäischen Wettbewerbsinitiative im Bereich Wohn- und Städtebau. Fünf österreichische Gemeinden brachten Gebiete ein, für die es weiterführende Lösungen zu finden galt. 75 Standorte in 19 Ländern waren es insgesamt. Architekten und Architektinnen unter 40 sind teilnahmeberechtigt. Die Sieger stehen nun europaweit fest. Ab 7. April werden die österreichischen und ungarischen Beiträge in der Alten Seifenfabrik in Lauterach präsentiert.

Manchmal gern als Spielwiese für unerfahrene Berufanfänger abgetan, sind die im Zwei-Jahres-Rhythmus ausgelobten Europan-Wettbewerbe längst zu einem anerkannten Verfahren mit beachtlicher Erfolgsquote geworden. Auch wenn in der Pragmatik des Alltags manch erfrischender Ansatz ordentliche Dämpfer erhält und es oft viele Jahre dauert, bis Projekte umgesetzt werden - was die Intensität der Vorbereitung, die Transparenz der Beurteilung und die Bemühungen um Nachbetreuung und Evaluierung angeht, ist Europan vorbildlich.

Während Österreich bisher meist mit Standorten in den Landeshauptstädten vertreten war, beteiligten sich an „Europan 8“ neben Wien mit Amstetten, Lauterach, Schwechat und Waidhofen/Ybbs vorwiegend kleinere Gemeinden. In Lauterach war eine Restrukturierung gefragt, um einem zersiedelten Gebiet eine Mitte zu geben. Hier wurde zwar kein erster Preis vergeben, das mit einem Ankauf bedachte Projekt von Thomas Kovári aus Zürich und der lobend erwähnte Beitrag von Rene Bechter sollen aber zunächst zumindest im Rahmen einer Bürgerversammlung diskutiert werden.

In Wien-Liesing galt es, ein ehemaliges Industrieareal beiderseits der Bahnstrecke in ein attraktives Wohn- und Mischnutzungsgebiet zu transformieren. Der „suburban block“ von Mirza Mujezinovic aus Trondheim erweist Le Corbusiers Unité - hier allerdings „flach gelegt“ - die Referenz.

Allein drei Standorte liegen in Niederösterreich. Hier stehen zwar im Bundesländervergleich die meisten Gelder für die Wohnbauforschung zur Verfügung, in der Realität spiegelt sich dies bislang nicht wieder. Erst als mit dem Aufstieg von Liese Prokop in die Bundespolitik dem architekturaffinen Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka auch das Wohnbauressort zufiel, begann sich im eingespielten Trott des geförderten Wohnungswesens ein frisches Lüfterl zu regen.

Seit Jänner 2006 muss jeder geförderte Wohnbau von einem Beirat begutachtet werden oder aus einem Wettbewerb hervorgehen. Die Europan-Beteiligungen von Amstetten, Schwechat und Waidhofen an der Ybbs sind eine Chance in Situationen, wo auf regionaler Ebene das kreative Potenzial zur strategischen Weiterentwicklung der Städte fehlt. In Waidhofen an der Ybbs wurden ein Industrieareal und eine große Parkplatzfläche in den Wettbewerb eingebracht. Wolfgang Kölbl siegte mit dem Projekt „Prolog“, das unter anderem die negativen Folgen einer Parkraumbewirtschaftung mittels Tiefgaragen hinterfragt. Für das unvermeidbare Freizeitvergnügen Einkaufen schafft er eine blasenförmige Struktur mit dem Titel „Shopping-Schaum“, und die Wohnfrage handelt er unter kommunikativen und sozialen Aspekten ab. Ebenso einen Preis erhielt das Projekt von Barbara Kolb und Christian Hader. Sie regieren auf die Voralpenlandschaft mit einer vertikalen Bebauung, die das Thema Schlucht in Architektur überträgt. Von beiden Preisträgern erhofft sich die Stadt neue Impulse und will mit ihnen weiterarbeiten.

Zu Amstetten gaben Julia Wiger, Sonia Leimer und Christina Linortner einen kritischen Kommentar zur Vermarktung des ländlichen Raumes ab. In „Mostropolis, die ungeheure Stadt“ dominiert ein riesiger Vierkanter, der Truckertreff, Raststätte und Buschenschank vereint. Pragmatischer näherte sich der Aufgabe einer Entwicklung zwischen zwei bestehenden Siedlungsgebieten die mit dem ersten Preis bedachte Spanierin María Belén Serrats Arsuaga, die Gewerbe- und Wohnzonen mittels abgesenkter Freiflächen trennt. Auch hier gibt es ernsthafte Absichten, das Projekt weiterzuverfolgen.

Innerstädtische Verdichtung auf dem aufgelassenen Brauerei-Areal war das Thema in Schwechat. Florian Haydn gewann mit einem spektakulären „Loop“, einer mehrgeschoßigen Großform mit Dachstraße, die einen vielseitig bespielbaren Innenhof umspannt. Relikte der Brauerei wie Feierhalle, Sudhaus oder Schlot bleiben als Kultur- und Freizeiteinrichtungen erhalten. Die Jury teilt die Bedenken der Stadt hinsichtlich der Möglichkeit einer etappenweisen Realisierung nicht und stellt mit diesem Projekt einen „signifikanten, einzigartigen Magneten“ in Aussicht.

Lisa Schmidt-Colinet und Alexander Schmögner entwickelten für dieses Areal einen extrem dicht wirkenden Teppich aus Patiowohnungen, der nach außen von einem umlaufenden Band mit Geschoßwohnungen gesäumt wird. Der kompakte Hyprid wurde mit einem Ankauf gewürdigt.

Der Weg von der Theorie und vom Wettbewerb zur Realisierung ist meist ein verschlungener. Es soll schon vorgekommen sein, dass ein Baustadtrat laut überlegte, ob man die Europan-Entwürfe nicht der Einfachheit halber dem einen oder anderen ortsansässigen Architekten zur Weiterbearbeitung überlassen könne. Und oft genug wird ein visionäres Europan-Projekt in den Mühlen des Pragmatismus zu Mittelmaß zermalmt. Um dem vorzubeugen, werden die Kommunen und Stadtentwickler nach der Präsentation der Sieger nicht allein gelassen. Sechs Monate danach trifft man sich, um den Projektfortschritt zu überprüfen, und gibt Hilfestellung beim Verfahren. In der Praxis bedeutet das zudem, dass einzelne Jurymitglieder als Mediatoren und „Implementierungsengel“ (Zitat Vlay) den Gemeinden ebenso zur Seite stehen wie den beteiligten Jungarchitekten.

Wie Bernd Vlay betont, spielen auch die regionalen Architekturinstitutionen eine wichtige Rolle. Sie präsentieren die Wettbewerbsergebnisse vor Ort und liefern regionales Know-how und Plattformen zum Dialog mit Betroffenen und Experten. In Krems („Europan 7“) stimulierte etwa das niederösterreichische Architekturnetzwerk ORTE die Diskussion über Strategien zur Umsetzung der Siegerprojekte. Ohne diese Unterstützung, so Bernd Vlay, wäre das Projekt längst nicht so weit gediehen. Hier kooperiert der Bauträger GEDESAG mit den Preisträgern Florian Sammer und Karoline Streeruwitz, und auch das zweitplatzierte Team, SMAQ aus Rotterdam, soll bei der Erstellung eines Gesamtkonzeptes für den Stadtteil Lerchenfeld involviert bleiben.

Bereits 2002 unternahmen Heidi Pretterhofer und Dieter Spath mit der Studie habitat2000plus den Versuch einer Evaluierung der österreichischen Europan-Wettbewerbe. Die daraus entstandene Publikation „Im Boot“ (edition selene) sei hiermit wieder einmal allen innovationsscheuen Wohnbauakteuren als leicht verständliches, mit vielen guten Ratschlägen gespicktes Manual ans Herz gelegt.

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