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Baumhaine und Pflanzenbänder
Neue Zürcher Zeitung

Der Landschaftsarchitekt Daniel Ganz

Das Interesse von Daniel Ganz richtet sich zum einen auf die Instandstellung und Weiterentwicklung historischer Gartenanlagen. Zum andern gelingt es ihm im privaten Hausgarten wie in öffentlichen Anlagen, die zeitgenössische Formensprache der Architektur mit abwechslungsreichen Bepflanzungen zu einem Ganzen zu verschmelzen.

2. August 2002 - Suzanne Kappeler
In den Jahren praktischer Tätigkeit in Kingston auf Jamaica, wo er den Haupteingang der University of the West Indies gestaltete, lernte Daniel Ganz die tropische Pflanzenwelt kennen, die ihn in seiner Arbeit bis heute begleitet. So wählte er zum Beispiel Kletterpflanzen aus Brasilien, Mexiko und Indien zur Begrünung der transparenten Höfe im neuen Dock Midfield des Zürcher Flughafens. Anfänglich beschäftigte er sich nach seiner Rückkehr in die Schweiz häufig mit denkmalpflegerischen Arbeiten und lernte so den verantwortungsvollen Umgang mit dem historisch Gewachsenen kennen. So geht es ihm bei der Bestandesaufnahme des Gartens, der das Zürcher Atelier des Malers Arnold Böcklin umgibt, um die Frage, wie die vernachlässigte Anlage in einen Zustand gebracht werden kann, welcher der Gedankenwelt Böcklins entspricht und gleichzeitig die Bedürfnisse der neuen Nutzung abdeckt. Den zeittypischen Felsengarten mit Wasserbecken möchte Ganz wiederherstellen, aber auch einen direkten Eingang von der Strasse her anlegen. Zusammen mit diesem könnte zudem ein kleiner Vorgarten entstehen, wie er für das durchgrünte Stadtquartier typisch ist.


Architektonisch gefasste Bepflanzung

Das Studium von Plänen, Photographien und Texten steht jeweils am Anfang einer gartendenkmalpflegerischen Abklärung, denn erst wenn er sich ein Bild des Vorhandenen gemacht habe, glaubt Ganz, könne daraus etwas Neues entstehen. In den noch erhalten gebliebenen historischen Parkanlagen ist manch gestalterisches Wissen verborgen, das heute gleichsam wiederentdeckt werden muss. So wurden etwa die geschwungenen Wege stets mit leicht erhöhter Mitte angelegt, die «einem ein erhabenes Gefühl verleiht und das Bühnenartige betont». Wie die Wegführung musste Ganz auch die korrekte Chaussierung von Kieswegen und -plätzen wieder erlernen, ebenso das Ziehen von Spalieren, das früher zum Allgemeinwissen jedes Gärtners gehörte. So sind denn Hecken, Kiesflächen mit darin eingelassenen Blumenbeeten, luftige Baumhaine, Spalierwände, von Kletterpflanzen umrankte Stelen, mit Beton abgesetzte Treppenstufen und Wasserbecken seine bevorzugten Gestaltungsmittel. Diesen alten Gartenbildern verleiht er eine zeitgemässe, gradlinige Formensprache, deren scharfe Konturen oft von üppigem Pflanzenwuchs überlagert werden. Inspiriert von zeitgenössischen Landschaftskünstlern wie Ian Hamilton Finlay und David Nash und von Reisen zu den britischen Gärten, aber auch nach Marokko, sind in seinem Kopf Gartengeschichten und Vegetationsbilder entstanden, die er in seine eigenen Arbeiten umzusetzen versucht. Ganz spricht vom «geistigen Garten», von «Momentaufnahmen aus der Geschichte der Gartenkultur», die seinen Arbeiten zugrunde liegen.

Im zwischen 1995 und 2001 realisierten Garten Vieli-Wildi in Pfaffhausen wurde das Wohnen gleichsam nach draussen fortgesetzt. Vom oberen Sitzplatz des aus den sechziger Jahren stammenden Betonhauses geht der Blick auf drei mit geschnittenem Buchs bepflanzte Geländestufen. Die Kiesfläche setzt sich am Ende der Treppe fort und nimmt ein langgezogenes Blumenbeet sowie einen Pavillon in sich auf. Zwei gegeneinander verschobene Mauerscheiben und ein Band aus Bäumen schliessen den Garten gegen die Strasse ab. Vor dem Arbeitsraum wurde mit fächerförmig verlegten Stufen eine Art moderner «sunken garden» mit Schattenpflanzen gestaltet, der von geschnittenen Hecken gefasst wird. Föhre und Schlangenhautahorn rahmen diesen Gartenteil. Ebenfalls mit Bäumen arbeitet Ganz bei dem im Bau befindlichen Garten Belsito in Zürich. Ein Hain aus 16 Apfelbäumen prägt die unterschiedlichen Niveaus des dreigeschossigen modernen Holzhauses. Sieht man von der untersten Ebene einen Wald von Stämmen, so blickt man von der obersten Ebene über die Baumkronen hinaus auf den See. Mit dem Wechsel der Jahreszeiten bietet der Hain, der sich im direkt zum Haus geführten langgezogenen Wasserbecken spiegelt, stets einen neuen Anblick.


Dock Midfield und Waschanstalt

Öffentlich zugängliche Grünanlagen erarbeitet Daniel Ganz in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Architekten, so etwa in der Überbauung Waschanstalt und im Flughafen-Grossprojekt Dock Midfield, die beide in Zürich mit den Büros Angélil Graham Pfenninger Scholl und mit Martin Spühler realisiert wurden. Sechs Pflanzenhöfe, die bis zu siebzehn Meter hoch sind, durchdringen als vertikale, verglaste Räume den neuen, noch nicht bezogenen Flughafenterminal. Im Innern dieser mit Temperatursteuerung und aufklappbarem Dach versehenen Höfe wachsen Kletterpflanzen aus Afrika, Asien und Amerika an Stahlseilen empor, wobei jeder Hof durch ein Pflanzenthema charakterisiert wird. Durch die Projektion des Pflanzenvorhangs auf die geätzte Glashülle wird diese zum Bildträger. Im nächtlichen Kunstlicht schimmern die Höfe als Leuchtkörper in der riesigen Wartehalle. Für Ganz sind sie moderne Interpretationen der Orangerien und der Glashäuser des 19. Jahrhunderts. Auf dem Dach des Terminals antwortet den Pflanzenhöfen ein Meer aus blauen Glasscherben, in welches achtzig Meter lange, mit Gräsern bepflanzte Gefässe eingelassen sind. Auf einem Nebengebäude ist eine Dachbepflanzung geplant aus immergrünen, hitzebeständigen Gräsern wie Koeleria und Sesleria, aufgelockert von blau blühenden Zwiebelgewächsen. Diese von Pflanzenbändern geprägte Dachlandschaft erinnert an die Gestaltungen des Brasilianers Roberto Burle Marx. Habitus, Blütenfarbe und Struktur der Pflanzen sollen mit der Architektur und der Fassadenfarbe einen Dialog aufnehmen.

Die direkt am Zürichsee gelegenen Um- und Neubauten der ehemaligen Waschanstalt galt es mit Bäumen, grosszügigen Pflanztrögen und Hecken zu fassen. Zitterpappeln und mit Federborstengras bepflanzte Betonbehälter markieren den seitlichen Vorplatz zwischen Strasse und Restaurant. Gestalterisch wird dieser Teil direkt in die langgezogene Eiben- und Hainbuchenhecke vor dem Wohntrakt zum See hin übergeführt. Mit luftigen Prachtkerzen, mit Iris und Lavendel bepflanzte Rabatten begrenzen die kleinen Privatgärten. Baumreihen aus tibetischer Bergkirsche beziehungsweise aus Gleditschien akzentuieren die seitlich gelegene Villa und den Backsteinbau an der Seestrasse. Die verschiedenen Pflanzenbilder setzen Kontraste durch unterschiedliche Farben, bilden indes in ihrer feinen Struktur und Textur eine Einheit.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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