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Die Tiefe des Nutzgartens
Die Tiefe des Nutzgartens, Foto: Hertha Hurnaus
Die Tiefe des Nutzgartens, Foto: Rupert Steiner
Spectrum

„Architektur Raum Burgenland“: Diese Initiative setzte vor zehn Jahre erste Impulse für qualitatives Bauen im östlichsten Bundesland. Und ihr Engagement trägt Früchte: Das demonstrieren die mit dem „Architekturpreis Burgenland 2002“ ausgezeichneten Projekte.

3. August 2002 - Walter Zschokke
Aus den siebziger und achtziger Jahren zählte Otto Kapfinger für das Burgenland gerade einmal eine Handvoll Bauwerke auf, die den Status „Architektur“ verdienten. Im übrigen dominierten Ahnungslosigkeit und Bauwirtschaftsfunktionalismus. Die frühen neunziger Jahre brachten für das Baugeschehen in Österreich den kulturpolitischen Impuls landesbezogener Initiativen für die Sache der Architektur.

Als „Architektur Raum Burgenland“ formierte sich eine engagierte Gruppe und begann aktiv zu werden. Eine erste, 1993 erschienene Publikation versammelte 19 beispielhafte Bauwerke von 1985 bis 1993. Umbauten, Zubauten, Kleinbauten und Einfamilienhäuser bildeten die Mehrzahl gegenüber drei, vier größeren Gebäuden. Das Lebenszeichen signalisierte: „Wir haben nicht nichts“; aber vorherrschend war eine architekturkulturelle Dürre.

Drei Jahre später entstand in Kooperation mit Kärnten, Slowenien und den italienischen Provinzen Udine und Trento - genauer: mit den regional aktiven Architekturvereinigungen - die Ausstellung „Alpe Adria - Architekturparallelen“. Unter zehn Bauten konnte stolz auf die neue Stadtfeuerwehr in Oberwart von Hans Gangoly verwiesen werden: endlich eine größere öffentliche Bauaufgabe von zeitgenössischem Charakter. Weiters ein Betriebsgebäude, noch ein Feuerwehrhaus, ein Atelier und wieder Einfamilienhäuser.

Zwei Jahre danach, 1998, im Zuge einer neuerlichen Ausstellung über die Architektur im Land, konnte der Beginn einer breiteren Entwicklung konstatiert werden. Die einberufene Jury wollte das gewachsene Interesse nicht durch eine engherzige Auswahl dämpfen, sondern schlug vor, die Breite der Arbeiten zu dokumentieren. Das war nicht paternalistisch gemeint, sondern entsprach der in Bewegung geratenen Situation, die durch eine strenge Beurteilung nicht wieder vorschnell verfestigt werden sollte.

Jetzt befinden wir uns im Jahr 2002. Das Land Burgenland schreibt erstmals offiziell einen Architekturpreis aus, der vom Beirat für Baukultur und Ortsbildpflege sowie vom Landeskulturreferat betreut wird. Eine unabhängige fünfköpfige Jury, der heuer Friedrich Achleitner, Hans Gangoly, Roland Gnaiger, Anna Popelka und Rudolf Szedenik angehörten, konnte aus einer großen Zahl überdurchschnittlicher Bauwerke auswählen.

Mehr noch: Der - logischen - Verpflichtung, spezifische Aspekte der Region zu berücksichtigen, kam sie mit einer Grundsatzdiskussion nach und gelangte zu folgendem Schluß: „Eine Aufgabe neuen Bauens im Burgenland wäre es aber, die einmaligen Qualitäten der alten Bebauungsformen, der räumlichen Nähe, der geschlossenen Höfe und Gärten, des geringen Baulandbedarfs, der Beziehung von Innen und Außen wiederzuentdecken.“

Und weiter: „Es geht dabei nicht um eine romantisierende Konservierung alles Alten, sondern um einen neuen Blick, der diese Qualitäten neu sieht und in der Verbesserung und Erneuerung der Bausubstanz neu bewertet.“

Nach diesem Programm wurden Bauwerke für den Preis nominiert, deren Entwerfer den siedlungsbaulichen Kontext thematisiert und beispielhaft bearbeitet hatten. Die Jury mochte sich bei der hohen Qualität nicht einschränken und vergab vier Preise und sieben Auszeichnungen.

Damit hat sich eine Entwicklung bestätigt, die in anderen Regionen und Bundesländern ebenfalls abgelaufen ist, die aber weder zwingend noch identisch sein muß noch ist. Für das Burgenland erfolgte sie jedenfalls erfreulich rasant und wesentlich stärker zunehmend als die allgemeine Konjunktur für Architektur, umso mehr, als sich diese derzeit mehrheitlich in modische und medial aufgeblasene Sensationalismen versteigt und für nachhaltige Prozesse in vermeintlichen Randregionen wenig übrig hat.

Die Nominierung der Rathauserweiterung in Eisenstadt von Andreas Fellerer und Jiri Vendl, der Erweiterung eines Einfamilienhauses aus den fünfziger Jahren in geschlossener Baustruktur durch „pool Architektur“, der Ausstellungshalle zum Atelierkomplex des Bildhauers Wander Bertoni von Johannes Spalt sowie der Feriensiedlung Inselwelt Jois von Georg Wolfgang Reinberg zum Architekturpreis Burgenland 2002 ist daher ein wohltuendes Kontrastprogramm.

Das Eisenstädter Rathaus, bei dem die neu errichteten Bauvolumen die ehemals dörfliche Struktur mit Seitenflügeln und dazwischen liegendem Hof interpretieren, ist vor einem Jahr im „Spectrum“ ausführlich vorgestellt worden.

Neuesten Datums ist dagegen die Arbeit von „pool Architektur“. Ihre Wohnhauserweiterung im Siedlungsverband von Hornstein folgt typologisch traditionalen Mustern baulicher Entwicklung in die Tiefe des Nutzgartens. Die Organisation der Räume und Raumzonen verteilt sich jedoch auf wechselnden Niveaus, die teils mit Stufen, teils mit Rampen verbunden sind. Die dynamische, künstliche Topographie bietet Übergänge und Durchdringungen an, und die schiefe Ebene - bisher Sinnbild für haltloses Gleiten - wird räumlicher Ort.

In der Ausstellungshalle zur über die Jahre erneuerten Mühle in Winden am See kondensiert Altmeister Johannes Spalt die Komponenten seines lebenslangen Architekturstrebens zu
beispielhafter Angemessenheit beim Bauen. Die Werke des Bildhauers Wander Bertoni gelangen in der klaren Raumkonzeption des Atriumhauses zu individueller Geltung. Eine klassisch moderne und zugleich traditionale Materialwahl beweist, daß es nicht demonstrativer Neuigkeiten bedarf, um Architektur zu schaffen. Wie wohltuend gegenüber manch anderem, euphemistisch mit der Schutzbezeichnung „Alterswerk“ der Diskussion entzogenem Bau.

Mit der Inselwelt Jois gelingt es Georg Wolfgang Reinberg, siedlungsbauliche, ökologische, landschaftliche und tourismuswirtschaftliche Interessen in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Besonderen Anklang fanden die differenzierten Außenräume der Anlage, deren maßvolle Verdichtung als zukunftsträchtiges Gegenmodell zur antiräumlichen Zersiedelung mit isolierten Einzelhäusern gesehen wird.

Über die Preise und Auszeichnungen hinaus zeigen die vergangenen vier Jahre eine
entscheidende Hinwendung zu mehr Qualität dank einer neuen Architektengeneration im Land. Daß die Perlen in der Masse des Gebauten gesucht werden müssen - wo wäre das anders?

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