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Der Architekt als Designer
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In einer großen Sonderausstellung zeigt das Kaiserliche Hofmobiliendepot ab 11. September die wichtigsten Bauten und Möbelentwürfe des berühmten Bauhaus-Architekten Ludwig Mies van der Rohe (1886 - 1969).

12. September 2002
Möbel und Bauten des deutschen Bauhaus-Architekten Mies van der Rohe (1886-1969) zeigt das Kaiserliche Hofmobiliendepot in Wien bis 15. Dezember in einer Wanderschau des Vitra Design Museums in Weil am Rhein. Zu sehen sind die wichtigsten europäischen Bauten van der Rohes, die Weißenhof-Siedlung in Stuttgart, der Deutsche Pavillon für die Weltausstellung in Barcelona 1929 und die Villa Tugendhat in Brünn, ergänzt durch zum Teil erstmals ausgestellte Möbel und Fotomaterial aus Privatbesitz.


Design als Nebenfach

Der in Aachen unter dem Namen Ludwig Mies geborene Künstler gilt als Pionier des modernen Designs. Obwohl sein Hauptinteresse der Architektur galt, zählen auch seine Möbelentwürfe - die wichtigsten entstanden im kurzen Zeitraum zwischen 1927 und 1931 - zu den einflussreichsten des 20. Jahrhunderts. Sie bildeten einen wichtigen Aspekt bei der Innenausstattung seiner Räume. Nach van der Rohes Emigration in die USA 1938, wo er Leiter der Architekturabteilung des Illinois Institute of Technology in Chicago wurde und seine bereits in den 20er Jahren entwickelten Wolkenkratzer-Visionen realisieren konnte, trat das Möbeldesign in den Hintergrund. Es entstanden zwar noch Entwürfe, die allerdings nicht mehr umgesetzt wurden.


Pavillon als Anreger

Angeregt wurde die Ausstellung durch die 1987 abgeschlossene Rekonstruktion des Deutschen Pavillons in Barcelona, erzählte Alexander von Vegesack vom Design-Museum im Rahmen der Presseführung. Der Bau, in dem van der Rohe 1929 seine vom Industriebau abgeleitete Stützskelett-Bauweise vorstellte, war 1930 wieder abgetragen worden und steht mittlerweile erneut am ursprünglichen Platz. Mit dem Einsatz von Stahlskeletten auch im Wohnbau verwirklichte der Architekt seine Idee vom „fließenden Raum“, in dem die verschiedenen Funktionsbereiche flexibel und nicht durch Mauern abgetrennt waren und Teil der nicht tragenden Fassade durch Glas ersetzt werden konnte.

Diese Idee hatte er bereits in der 1927 errichteten Weißenhofsiedlung in Stuttgart propagiert, die Teil einer Ausstellung des Deutschen Werkbunds war. Van der Rohe wurde die Planung der Mustersiedlung aus 60 Wohneinheiten übertragen. Nach seinem Konzept errichteten 17 internationale Architekten, darunter Le Corbusier oder Walter Gropius, insgesamt 21 Bauten. Er selbst schuf das größte Gebäude im Zentrum und entwarf dafür auch den ersten Freischwinger, der in der Folge dem Stahlrohrmöbel zum Durchbruch verhalf. Für Barcelona und die Villa Tugendhat entwarf er neue Modelle aus Flachstahl.


Fließende Räume

Die Idee des „fließenden Raums“ war so revolutionär, dass in Fachkreisen über die 1931 vorgestellte Villa Tugendhat eine regelrechte Kontroverse geführt wurde, ob so ein Haus real bewohnbar sei. Die Ausstellung dokumentiert auch diese Debatte und präsentiert zugleich private Aufnahmen des Bauherrn Fritz Tugendhat, die beweisen, wie selbstverständlich und nach eigenen Worten „befreit“ die Familie in der modernen Architektur lebte, und wie organisch sich der karge Bau im Lauf der Zeit mit der Natur verband. Zu den Leihgaben der Tochter, Daniele Hammer-Tugend, gehören auch Foto-Experimente des begeisterten Hobbyfotografen mit Farbumdrucken und Möbel, die die Emigration der Tugendhats in die Schweiz, nach Venezuela und wieder zurück überstanden haben, und zwar so gut wie schadlos. Das liegt, so die Erbin, an ihrer „absoluten Perfektion, in Material, Form und Machart“.


[Tipp:
Zur Ausstellung gibt es eine Vortragsreihe und Kataloge. Für die Schau gibt es auch ein Kombi-Ticket mit dem Architekturzentrum Wien zum Preis von 10 bzw. 7 Euro.]

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