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Architektur am Rhein
Neue Zürcher Zeitung

Ausstellungen zur Rheinromantik in Koblenz

21. September 2002 - Hubertus Adam
Von einem «furchtbaren Fluss» sprach Georg Forster noch 1790. Gut eine Dekade später bekannte Clemens Brentano, er sei «nie so glücklich» gewesen wie auf einer Rheinreise mit Achim von Arnim im Juni 1802 - die Romantik hatte den Blick auf die Mittelrheinlandschaft zwischen Bingen und Koblenz verändert. Die verfallenen Burgen avancierten zu Zeugnissen eines sagenumwobenen Mittelalters, die schroffen Felsen und sanften Hänge galten den - zunächst englischen - Reisenden seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert als Musterbeispiel einer Landschaft, in der sich Erhabenheit und Idyll abwechselten. Schon in den 1770er Jahren war auf dem Niederwald bei Rüdesheim nach englischem Vorbild ein Landschaftsgarten entstanden, in dem die Ausblicke über das Binger Loch wirkungsvoll in Szene gesetzt worden waren.
Kulturhistorische Perspektive

Das Zweihundert-Jahr-Jubiläum der Rheinreise von Brentano und von Arnim fällt zusammen mit der Aufnahme der Mittelrheinlandschaft in die Liste des Unesco-Weltkulturerbes. Insofern kommt die Ausstellung «Gebaute Träume am Mittelrhein. Der Geist der Romantik in der Architektur», die derzeit im Landesmuseum Koblenz auf der Festung Ehrenbreitstein zu sehen ist, zur rechten Zeit. Konzentrierte sich die letztjährige, unter dem Titel «Preussische Facetten: Rheinromantik und Antike» im Mittelrhein-Museum veranstaltete Schau vornehmlich auf die zwischen Denkmalpflege und Herrschaftslegitimation oszillierenden Initiativen Friedrich Wilhelms IV. zur Restaurierung römischer Altertümer und zur rekonstruierenden Wiederherstellung mittelalterlicher Rheinburgen, so sucht die jetzige Präsentation nach einer umfassenderen kulturhistorischen Perspektive. Auch wenn manche Themen in der Ausstellung (anders als im Katalog) eher kursorisch behandelt werden und einige Inszenierungsstrategien wie ein Abklatsch der legendären «Musées sentimentales» von Daniel Spoerri wirken, ist das Panorama in seiner Komplexität doch erhellend und anregend, weil es die vielfältigen Überschneidungen von romantischer, politischer und touristischer Landschaft zum Thema macht.

Karl Friedrich Schinkel zeichnete nicht nur die Pläne für den Wiederaufbau (1836-47) von Schloss Stolzenfels, sondern entwarf auch 1832 den ersten preussischen Strassentunnel im Ahrtal. Brücken- und Strassenbau gehörte zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu den wichtigsten Modernisierungsleistungen im zuvor nur per Schiff passierbaren Mittelrheintal; 1859 wurde die linksrheinische Bahnstrecke vollendet, die ihre Bedeutung als Fernverkehrsmagistrale durch die Fertigstellung der ICE-Strecke Köln-Frankfurt erst in diesem Sommer einbüsste. Von der frühen Industrialisierung zeugt auch die von Carl Ludwig Althans errichtete Giesshalle der Sayner Hütte in Bendorf-Sayn (1828-30), welche als erste gusseiserne Hallenkonstruktion in Europa gilt.

Die Ausstellung in Koblenz thematisiert derartige Zweckbauten ebenso wie den romantisierenden Wiederaufbau der Burgen, der erst sukzessive einem Interesse am Erhalt der Originalsubstanz wich. Dem mondänen Kurort Bad Ems gilt ebenso die Aufmerksamkeit wie Kirchenneubauten oder verschiedenen Tourismusarchitekturen, handele es sich dabei um das «Schweizerhaus» (1842) oberhalb der auf Initiative des Prinzen Ludwig von Preussen wiederaufgebauten Burg Rheinstein, um Aussichtstürme oder auch um Nationaldenkmäler. Der Denkmalkult des Kaiserreichs gipfelte in der Germania auf dem Niederwald (1883) und dem Kaiser-Wilhelm- Denkmal auf dem «Deutschen Eck» am Zusammenfluss von Rhein und Mosel (1897).
Entdeckung der Landschaft

In welchem Masse der Begriff des Sublimen oder Erhabenen die Sicht auf die Natur veränderte, verdeutlicht im Mittelrhein-Museum Koblenz die Ausstellung «Wasser, Wolken, Licht und Steine. Die Entdeckung der Landschaft in der europäischen Malerei um 1800». Nicht mehr allein Italien war Ziel der Reisen, sondern auch einstige Durchgangsländer wie die Schweiz und die Rheinlande. Zu Sujets avancierten weiter die Elbe bei Dresden, die dänische Küste oder die Landschaften Englands und Schottlands. Auch wenn die Schau mit Kunstwerken unterschiedlichen Ranges aufwartet, vermittelt sie doch einen guten Überblick über die Landschaftsmalerei zwischen 1770 und 1830. Evident wird, wie sich eine realistischere Auffassung der Natur langsam Bahn zu brechen sucht.


[ Ausstellungen: Gebaute Träume am Mittelrhein. Der Geist der Romantik in der Architektur. Landesmuseum Koblenz. Bis 17. November. Katalog (Verlag Schnell & Steiner, München 2002, 208 S., Euro 24.90). - Wasser, Wolken, Licht und Steine. Die Entdeckung der Landschaft in der europäischen Malerei um 1800. Mittelrhein-Museum Koblenz. Bis 3. November. Katalog (Edition Braus, Heidelberg 2002, 272 S., Euro 24.-).

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