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Schule machen
Neue Zürcher Zeitung

Die Münchner Architekten Allmann Sattler Wappner

Schule machen
Die Münchner Architekten Allmann Sattler Wappner
Seit seiner mit dem Deutschen Architekturpreis ausgezeichneten Schule bei Chemnitz gilt das Büro Allmann Sattler Wappner als Labor für gut durchdachte Bauwerke. Das Münchner Trio hat nun ein weiteres Gymnasium realisiert und damit bewiesen, dass auch in Deutschland junge Architektur das Potenzial hat, Schule zu machen.

Junge Architekten tun sich schwer in Deutschland. Anders als in der Schweiz gibt es hier kein gemeinsames Gestaltungskonzept, an dem zu bauen wäre. Ein Vordenker, wie ihn Rem Koolhaas in den Niederlanden verkörpert, fehlt. Statt einer lebhaften Architekturdebatte mit jungen Beiträgen bestimmt heute bis auf wenige Ausnahmen die Generation der 60- bis 70-Jährigen das Baugeschehen. Kein Wunder also, wenn Jurymitglieder auf der verzweifelten Suche nach neuen Tendenzen in der deutschen Architektur Büros mit Auszeichnungen überhäufen, die kaum ein realisiertes Projekt vorzuweisen haben, dafür aber gute Ideen und viel Optimismus. So erging es auch den Münchner Architekten Markus Allmann, Amandus Sattler und Ludwig Wappner. Und dies für einmal zu Recht, wie die jüngsten Erfolge zeigen: Für ihr erstes Gebäude, ein ringförmiges Gymnasium in der Nähe von Chemnitz, gab es den Deutschen Architekturpreis, ein ebenso funktionaler wie ironisch gestalteter Wertstoffhof in München folgte. Im vergangenen Jahr dann wurde der lichte Glaskubus der Herz-Jesu- Kirche im Münchner Stadtteil Neuhausen geweiht: ein kühler Schrein, der seither die Herzen der Kritiker für das Münchner Trio erwärmt. Ihr Büro ist inzwischen auf 40 Mitarbeiter angewachsen, die in einem verwinkelten Hinterhaus an derzeit 16 Projekten arbeiten.

Aus 158 eingereichten Wettbewerbsbeiträgen wurde der Entwurf für die Herz-Jesu-Kirche ausgewählt. Eine Kiste voll Licht ist sie geworden - transparent, wo es nur geht, klar in ihrer geometrischen Reinheit und strahlend in ihrer materiellen Opulenz (NZZ 22. 2. 01). Mit ihr ist Allmann seinem Traum von breiter Publizität ein Stück näher gekommen. Der Bau findet Zuspruch. Hier ist gelungen, wofür viele beten: die Popularisierung guter Architektur.

Das jüngste Projekt des Büros ist eine Schule nordwestlich von München, die vor wenigen Monaten eröffnet wurde. In einer durch den Fluss Glonn geprägten, weitläufigen Auenlandschaft unmittelbar am Siedlungsrand des kleinen Städtchens Markt Indersdorf schwebt die Schule als aufgeständertes Rechteck vier Meter über den feuchten Wiesen. Klassenräume, Pausenhof und Sporthalle fasst es in eine einzige Form. In Verlängerung des Baukörpers schneiden sich Wasserbecken, Sportanlagen und Hausmeisterbungalow harsch in die Landschaft ein. Die den Schulräumen vorgelagerten grosszügigen Loggien sind mit unbehandeltem Fichtenholz eingefasst und durch Brüstungen aus grünlich schimmerndem Glas abgeschlossen. Fassade findet hier als immaterieller, meterbreiter Verlauf zwischen innen und aussen statt - alles andere als die biederen Abgrenzungsdemonstrationen versteinerter bundesdeutscher Hauptstadtpraxis.

Was von aussen betrachtet als offene Struktur einlädt, das ist im Inneren ein das Klima regulierender Schattenspender und Blickkanal - jede Klasse bekommt ihre ganz eigene und unverstellte Sicht auf die landschaftliche Umgebung. Doch der introvertierte Blick vermag noch mehr zu bieten: Er kann von den umlaufenden Fluren aus wahlweise auf den Pausenhof mit seiner die gesamte Breite des Hofes einnehmenden Sitztreppe gerichtet werden oder aber in die Sporthalle. Die Gemeinschaft präsentiert sich vor den Blicken der eigenen Mitglieder und erfährt dadurch die Summe ihrer Aktivitäten als identitätsstiftenden Ort Schule. Eine solche Architektur definiert Lernen erfrischend neu: als Arbeit in der Gruppe, im Wettbewerb mit anderen und immer mit Blick auf die Welt draussen.

Das nächste Projekt des jungen Münchner Büros entsteht für den Arbeitgeberverband Südwestmetall in Reutlingen. Ein Verwaltungssitz, komponiert als eine Gruppe von drei Häusern, die unspektakulär spitzgieblig in den Himmel ragen und unscheinbar villenartig aussähen, wären da nicht die Hüllen aus poliertem Edelstahl: Aus einem einzelnen nahtlos fliessenden Stück gefertigt, sollen sie Dach und Aussenwände der Baukörper optisch zu einer Form zusammenschweissen und Massivität evozieren, wo es nur schimmernde Fassaden geben wird - eine Hommage an Herzog & de Meuron, die die ausgehöhlte Kompaktheit bei ihrem Haus Rudin erstmals inszenierten. Wie eine bauklötzerne Persiflage auf die Satteldach-Heimeligkeit der Umgebung werden die Häuschen von Allmann Sattler Wappner dastehen. Und als Zeichen dafür, dass auch in Deutschland mutige Architektur möglich ist.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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