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Architektur ist nicht nur die Fassade
Der Standard

Wohnen

„Architektur im Wohnbau - Kosmetik oder Mehrwert“ hieß das Thema des 14. Symposiums über die Zukunft des Wohnens. Die Veranstaltung, die von Standard, Wüstenrot, dem Fachmagazin „Wohnen Plus“ und der Architektenkammer organisiert wurde, war komplett ausverkauft.

15. Oktober 2002 - Claudia Ruff
Herbert Greisberger von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (Ögut) im Infrastrukturministerium hatte einen schweren Stand unter all den Architekten. Für ihn steht fest: Es ist nicht die Architektur, worauf sich die Leute freuen, wenn sie nach Hause kommen; es sind die Freizeitmöglichkeiten, die Familie etc. Architektur, so Greisberger, kam bei einer Befragung ganz zum Schluss. Daher gehöre es zu den künftigen Aufgaben der Architekten, die Lebensqualität der Menschen ins Zentrum ihrer Aufgabe zu rücken.

Das konnte freilich Michaela Mischek, Chefin des gleichnamigen Bauträgers, nicht unkommentiert lassen. Mischek machte jedenfalls bei ihren Kunden die Erfahrung, dass „für viele Architektur nur die Fassade ist; und viele subsumieren unter Architektur all das, was bei der Wohnung nicht funktioniert“, sagte Mischek im Architekturzentrum Wien, das mit 100 Teilnehmern zum Bersten voll war. Mischek setzt Architektur daher gleich mit „guter Raumqualität, die sich an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Nutzer anpasst“.

Dietmar Steiner, Direktor vom Architekturzentrum Wien sieht die Anforderungen an die Architekten in Zukunft vor allem im Entwurf und nicht in der Kosmetik. Die Architekten „müssen sich auch in die Niederungen der Förderungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen begeben“, denn nur so könnten die Architekten auf die sich wandelnden Nutzerbedürfnisse eingehen. STANDARD-Chefredakteur Gerfried Sperl, der die Veranstaltung moderierte, fasste die zum Teil sehr hitzige Diskussion so zusammen: Wir brauchen Architekten, aber in geänderten Rollen und Funktionen. Gleichzeitig wies Sperl aber auch darauf hin, dass es die Architekten im Unterschied zu Werbeagenturen nie geschafft haben, Marketing in eigener Sache zu machen und damit auch ihre Honorare nicht mit entsprechendem Selbstbewusstsein vertreten.

Zu den Honoraren hatte auch Josef Frühwirth, Chef des Wiener Bodenbereitstellungsfonds eine Anregung: Seiner Meinung nach sei es ein Widerspruch, dass die Honorare der Architekten umso höher sind, je höher die Baukosten sind. Die Architekten sollten sich darüber einmal Gedanken machen, so der Rat Frühwirths.

Adolf Krischanitz, einer der führenden heimischen Architekten mit Professur an der Universität für Künste in Berlin, gab gerne zu, dass es von „Architekten viele Geistlosigkeiten gibt, die allerdings noch von vielen anderen, die mit dem Bau etwas zu tun haben, übertroffen werden“. Und an die Adresse von Greisberger gerichtet meinte Krischanitz: Architektur kann nicht auf reines Konsumverhalten reduziert werden: „Denn schließlich mache ich mir meine Schuhe auch nicht selbst, sondern gehe in ein Fachgeschäft.“ Der Architekt sei immer ein Teamarbeiter gewesen. Er müsse mit Bauträger, Statiker, Controller, Bauherrn etc. zusammenarbeiten. Und, so Krischanitz: Der Architekt sei der einzige Dilettant, der all die vorher Genannten steuern könne.

Greisberger, der sich über das Forschungsprogramm „Haus der Zukunft“ intensiv mit dem Thema Wohnbau beschäftigte, skizzierte dann auch noch sein Bild eines Architekten: Der klassische Architekt arbeitet ein Leben lang, um am Ende des Tages ein Fotoalbum zu haben, wo seine Projekte bei der Eröffnungsfeier abgebildet sind. Dort, so Greisberger, sehe man aber nicht, ob sich die Leute auch wohlfühlen. Krischanitz konterte: Sie müssen Ihr Bild eines Architekten neu definieren.

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