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Im Wiener Wohnbau grünt es
Der Standard

Wohnen

Alternativen zu Thujenhecke, stacheligem Bodendecker und Co sind mehr als gefragt. Das Betätigungsfeld für kreative Landschaftsplaner ist fast unermesslich: Neben den anstehenden Neubauprojekten harren etliche Altlasten einer Verbesserung.

15. Oktober 2002 - Franziska Leeb
„Bei den Außenanlagen hatten wir dann nichts mehr mitzureden.“ Diese oder ähnliche Entschuldigungen für das Aussehen der Freiflächen in Wohnsiedlungen bekommt man von Architekten regelmäßig zu hören. Es wäre auch ein Armutszeichen für die Zunft der Architekten und Freiraumplaner, würde ihnen tatsächlich nicht mehr einfallen, als Mietergärten mittels Thujenhecken abzugrenzen und die verbleibenden öffentlichen Flächen mit pflegeleichten Banalitäten voll zu säen.

Bauträger lieben Mietergärten. Erstens dienen sie als zugkräftiges Verkaufsargument, zweitens wird damit Geld verdient und drittens obliegt die Pflege der grünen Oasen vor der Haustür den Mietern. Die restlichen Flächen werden bevorzugt als Rasenbeete ausgeführt, mit deren Pflege selbst der botanisch unbedarfteste Hausmeister nicht überfordert ist.


Bodendecker

Stachelige Bodendecker halten Hunde und Kinder fern, dass sich auch städtisches Treibgut aller Art im dornigen Gewirk festsetzt, ist eine weitere Begleiterscheinung. Glaubt man den Willensbekundungen etlicher Großbauherren auf dem Wohnungssektor, soll dieses Bild städtischer Wohnanlagen bald der Vergangenheit angehören. Beim Bauträger Mischek wird zum Beispiel bei so gut wie allen Projekten mit Landschaftsplanern kooperiert, um die Qualität der Freiräume zu heben.

Viele Architekten wollen aber gar keine Fachplaner für die Grünräume hinzuziehen, so Michaela Mischek, da sie damit nicht nur einen Teil der Gesamtplanung, sondern auch ein Stück vom Honorarkuchen abgeben müssen. Oft wird die Kooperation mit Landschaftsplanern aber dezidiert gewünscht. Dabei ist es wichtig, Schnittstellen zu vereinbaren, wer wofür die Verantwortung trägt.

Zur Verbesserung der Lebensqualität in der Stadt startete Mischek gemeinsam mit der Arche Noah, einem gemeinnützigen Verein mit Sitz im niederösterreichischen Schiltern, der sich die Erhaltung und Verbreitung der Kulturpflanzenvielfalt auf die Fahnen geheftet hat, das Projekt „Arche Noah Stadtgarten“. Erstmals umgesetzt wurde das naturnahe Gartenkonzept mit Landschaftsplaner Stefan Schmidt bei einer Wohnhausanlage in der Wiener Krottenbachstraße.

Überwiegend heimische Nutz- und Zierpflanzen erfreuen nicht nur Auge und Nase. Zwischen Baldrian, Malven und Salbei fühlen sich auch Insekten wohl. Niveausprünge wurden mit Gabionen, das sind mit Bruchsteinen gefüllte Drahtkörbe, überbrückt. Diese Trockenmauern können ohne Fundamente errichtet werden und bieten allerlei Kleingetier eine Heimstatt. Buchenhecken schirmen das gestalterische Wirrwarr der privaten Gärten ab.


Privatgärten

Apropos Privatgärten: Den Bewohnern wurde angeboten, auch die Privatgärten nach Arche-Noah-Prinzipien gestalten zu lassen. Fünf Varianten - ein romantischer, ein moderner, ein mediterraner Garten mit südlichem Flair, ein meditativer japanischer Garten oder ein nützlicher Gemüsegarten - standen zu Auswahl. In Anspruch genommen wurde dieses Angebot bis dato nicht. Offenbar möchte man den im Mietwohnungsbau eingeschränkten individuellen Gestaltungsdrang zumindest im Garten ausleben.

Der Pflegeaufwand für die ökologisch vorbildliche Gartenpracht ist, was die Intensität betrifft, zum Teil geringer als bei herkömmlichen Anlagen, da in bestimmten Bereichen Dynamik durchaus möglich ist, Spontanvegetation nicht sofort vernichtet wird, weniger Rückschnitt notwendig ist und durch gezielte Pflanzenauswahl die Bewässerungsintensität verringert wird. Andererseits sind fachkundige Betreuer gefragt, die um die Ansprüche der Pflanzen Bescheid wissen, was die relativ geringen Errichtungskosten wieder wettmachen dürfte.

Grün in allen Lagen „Hängende Gärten“ - eine begrünte Fassade als Sicht- und Schallschutz - werden das besondere Merkmal einer Wohnhausanlage von Architekt Rüdiger Lainer an der Schusswallgasse im fünften Bezirk sein. Die jetzt an der Baustelle zu besichtigende Bepflanzung ist eine Marketingaktivität, gibt aber bereits eine Ahnung davon, welche vertikalen Wucherungen sich hier bald im Stadtbild festsetzen werden. Dazu gibt es noch grüne Innenhöfe und den Wohnungen zugeordnete japanische Gärten, die das Mikroklima in dieser innerstädtischen Lage verbessern sollen.

Ebenfalls als innerstädtische Grünoase ist die Dachlandschaft der Hofbebauung des Wohn- und Bürohauses in der Wimbergergasse (Architekten: Delugan-Meissl, Bauträger: Kallco) konzipiert. Die Künstlerin Susanne Dworzak-Kallinger konzipierte ein Bepflanzungskonzept, dessen Farbigkeit sich im Lauf der Jahreszeiten von weiß bis pink verändern soll. Im Gegensatz zur krautigen Struktur der im Wechselspiel gegeneinander ansteigenden Dächer der Büros verlieh sie den begehbaren Flächen der Terrassen ein rigides Streifenmuster.

Für die Mustersiedlung, die nach einem Masterplan von Adolf Krischanitz in Hütteldorf entstehen soll, entwickelte die Landschaftsplanerin Anna Detzlhofer ein von den Solitärbauten unabhängiges Freiraumkonzept.

Um das Gebiet als Teil der Natur erscheinen zu lassen, bediente sie sich des Mittels der Camouflage und nahm Anleihen bei militärischen Tarnmustern, die sie mittels unterschiedlicher Pflanzen botanisch umsetzt. Die Lage am Hang sorgt dafür, dass dieses Bild nicht nur aus der Luft nachvollziehbar bleibt, sondern zum Beispiel auch aus einem vorbeifahrenden Zug.


Grünraumkonzept

Umfassend und abwechslungsreich ist das Grünraumkonzept, das die Landschaftsarchitektin Andrea Cejka mit ihren Berliner Kollegen Barbara Hutter und Stefan Reimann für eine Wohnanlage der Gesiba am Monte Laa erarbeitete. Ein Gartenparterre mit Sitznischen, Hecken und Bäumen auf begehbaren Flachdächern, ein Schmuckhain mit allerlei blühendem Gewächs auf Glasperlenbruch und ein Spaliergarten versprechen ein höchst interessantes Grünraumerlebnis.

Auch der Kleinkinderspielplatz bietet mit bekiesten Plätzen, Wiesen und Sitzflächen unter Baumreihen mehr als die üblichen, an Ranger-Ausbildungsplätze gemahnenden Gerätschaften auf dem allgegenwärtigen Rindenmulch, der zarte Kinderhände mit einem unappetitlichen Braunschleier zu versehen pflegt. Masterplan und zentrale Parklandschaft stammen übrigens von der amerikanischen Großmeisterin der Landschaftsarchitektur, Martha Schwartz.

Die Möglichkeiten sind vielfältig, wie ein nur kleiner Auszug aus aktuellen Grünraumplanungen innerhalb von Wohnsiedlungen zeigt. Noch ist es allerdings nicht selbstverständlich, das unmittelbare Wohnumfeld so zu gestalten, dass es tatsächlich als qualitative Aufwertung spürbar wird.

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