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Generation CAD
ORF.at

Weltweit hat die digitale Revolution in die architektonische Entwurfspraxis Einzug gehalten, Japan spielt eine Vorreiterrolle.

23. Oktober 2002
Die Zukunft hat bereits begonnen, so der europäische Eindruck vom zeitgenössischen Leben in Japan. Der Alltag, das urbane Feeling, Mode und Design, sie beruhen auf höchstgradiger Technisierung. Reibungslose Abläufe, Schnelligkeit, perfektes Styling, individualistische Trendsetter, sie charakterisieren die japanische Gegenwart.

Die junge Generation in Japan ist mit dem Computer aufgewachsen. Computergames sind allgegenwärtig, ebenso ins Spielen völlig versunkene Afficionados. Und bei der Architektengeneration unter 45 halten diese Trends Einzug ins Designverständnis. Der Computer wird zum unentbehrlichen Entwurfs-Partner, perfektes Design mit wenigen Details zum Non plus Ultra.


Architektur aus dem Computer

Der Architekturkritiker Shozo Baba bezeichnet die heute unter 45-Jährigen schlicht als CAD-Generation und ortet im Computer-Aided-Design ein völlig neues Architekturverständnis. „So wie bei einem auf eine Fertigungsmaschine spezialisierten Arbeiter Kopf und Hand zusammenspielen, damit ein Produkt entsteht, spielen heute die Architekten der CAD-Generation mit dem Computer zusammen: Die Ideen kommen oft erst, wenn der Computer eingeschaltet und CAD zum Laufen gebracht ist.“

Und mit dem Computer haben sich die Designmöglichkeiten vervielfacht. Eine Änderung bedeutet keinen riesigen Arbeitsaufwand mehr wie früher, wo alle Pläne wegen eines kleinen Details neu gezeichnet werden mussten. Und, ein bekanntes Computerphänomen, vereinzeltes Arbeiten vor dem Schirm ist die Regel. Ganz im Gegensatz zur jungen Szene in Europa, die auf Teamspirit und Zusammenarbeit setzt, ist die junge Szene in Japan geprägt von individualistischen Einzelpositionen mit Hang zum eigenwilligen Stil.


45 unter 45

Der in Tokyo beheimatete Architekturkritiker Shozo Baba wählte „45 unter 45“ aus. Diese Architekturbüros haben nun im Wiener Ringturm die Gelegenheit, ihr innovatives Schaffen und experimentelles Können unter Beweis zu stellen. Eigens für die Ausstellung konzipierte Schautafeln, die die Handschrift jedes Büros tragen, werden durch dreißig Modelle ergänzt.

Neben der von Experiment und Schnelligkeit geprägten Arbeit am Computer spielt die konsequente räumliche Durchformung im Modell eine wesentliche Rolle fürs Architekturmachen. Vom Gemeindesaal bis zur Schule, vom Wochenendhaus bis zu neuen Räumen der Arbeit, vom Altenheim bis zum Spielplatz in einem Zoo sind in der Ausstellung die verschiedensten Bauaufgaben in allen Größenordnungen vertreten.


Die Lust am Material

Traditionelle Sorgfalt und außergewöhnliche Experimentierlust prägen den Umgang mit dem Material. So setzt der global agierende Shigeru Ban immer wieder auf Papierröhren, was bei seinem Projekt für die „Expo 2000“ in Hannover zu einigen Konflikten mit der in Deutschland geltenden Bauordnung führte.

Einen außergewöhnlichen Zugang mit der Last der Geschichte wagte Ando Sunao beim Bau des Atombomben Museums in Nagasaki. Ando setzte angesichts der Tragik des Themas auf die Leichtigkeit der Architektur und schuf eine lichtdurchflutete Großform.


Starker Bezug zur Natur

Was man aus der europäischen Perspektive oft vergisst, ist, dass Japan traditionellerweise ein von der Landwirtschaft geprägtes Land war und teilweise immer noch ist. Selbst in städtischen Ballungsräumen pflanzen die Volksschulkinder im schuleigenen Gärtchen Reispflanzen an. Dieser ausgeprägte Bezug zur Natur spielt auch für die junge Architektengeneration eine wesentliche Rolle.

So integriert sich das am Pazifik gelegene Altenheim von Motoyasu Muramatsu mit seiner offenen Skelettbauweise unauffällig in die Steilküste und schafft für seine Bewohner ein atemberaubendes Panorama. Tradition und Innovation führen in den unkonventionellen Bauten einen fulminanten Dialog.


[Tipp:
„45 unter 45 - Junge Architektur aus Japan“, Ausstellungszentrum Architektur im Ringturm, von 23. Oktober bis 31. Jänner, ein Katalog (deutsch/japanisch/englisch) mit einem Essay von Shozo Baba präsentiert die einzelnen Architekten.]

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