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Der Berg ruft. Er schreit: Aper!
Der Standard

Eine Indoorpiste - outdoor auf den hohen Berg gestellt: Der Ischgler Tourismusprofi Günther Aloys und der Grazer Architekt Volker Giencke wollen dem Gebirge den Schnee das ganze Jahr über anschnallen.

9. November 2002 - Ute Woltron
Da der Winter mittlerweile angeblich auch nicht mehr das ist, was er einmal war, findet in der Saison der Skifahrer und Snowboarder regelmäßig die große Suche nach dem großen Schnee statt. Der Berg ruft. Aber was sagt er uns? Aper hier. Aper dort. Albtraum.

Der Tourismusprofi Günther Aloys, der seinerzeit schon das verträumte Kaff Ischgl im Tiroler Paznauntal vom „where the hell is Ischgl“-Insidertip zum jugendlichen Massenski-und-Boarder-Ort in eine mitunter fast schon bedenkliche Wachheit gerüttelt hat, ist nicht nur ein vom Berg Gerufener. Er ist ein Rufender der Berge. Seine jüngsten Visionen manifestierten sich zu Plänen, und die erstellte der Grazer Architekt Volker Giencke. Gemeinsam wollen sie dem Berg, der letztlich ja nichts dafür kann, dass das Klima sich erwärmt, einen wetterfesten Rucksack in Form einer schönen, eingehausten Pistenkonstruktion umschnallen.

2,4 Kilometer lang könnte die sein und zwischen 25 und 60 Meter breit. Sie würde sommers gekühlt zur hochalpinen Dauerpiste und winters mit Kunstschnee befüllt zur wetterfesten gestöberfreien Zone, wenn draußen der Sturm heult. Sie würde, so Aloys, zum „großen öffentlichen Bahnhof der Begegnungen“, in dem „Sehen und Gesehenwerden stattfinden“, denn der Tourismusmanager von heute sei zum „Moderator von Beziehungsdefiziten“ geworden. Authentizität gebe es nicht mehr, die sei lediglich in der „Wahrheit und Echtheit des Augenblicks“ zu finden.

Wie auch in der Architektur: „Design und Architektur“, so der kreative Bergfex, „wird für die neue und next Generation immer mehr zur Droge. Geben wir ihnen diese Droge. Was nicht Design ist, verkauft sich nicht. Was nicht Architektur ist, ist nicht spektakulär und trifft das emotionale Zentrum des Menschen nicht mehr.“

Bevor wir uns hier allerdings über Gestalt-und Wahrnehmungsphilosophie verbreiten, schauen wir uns das Ding lieber wertfrei an: Architekt Volker Giencke hat dafür einen langen, geräumigen Schlauch mit Panoramaverglasung entworfen. Die tragende Konstruktion besteht aus im Zickzack verlaufenden Raumträgern, die sich gegenseitig stützen und für Aussteifung sorgen. Die Kosten des Pistenwurmes belaufen sich, je nach Ausstattung, auf geschätzte 180 bis 250 Millionen Euro.

Tatsächlich ist die Idee der Indoorpiste alles andere als neu. Wie DER STANDARD bereits berichtete, eröffnete in Tokio vor geraumer Zeit ein ähnliches Konstrukt seine Skilifte, auch in anderen Großstädten gibt es eingehauste künstliche Hänge, die das ganze Jahr über berutscht und befahren werden.

Doch auch diese großstädtische Idee, so Giencke und Aloys, ließe sich erheblich verbessern und optimieren und auch in großem Rahmen exportieren, weshalb gleich ein zweites Projekt der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll: die Snow-Bubble. Sie ist, was ihr Name verspricht, nämlich eine raumflächenwabernde Angelegenheit, in der „Erlebniswelten“ des Schnees und „Trainingsstätten für Kinder“ untergebracht werden können - auf durchaus steilen, quasi hochalpinen und nicht nur flachen Babyrutschhängen.

Das Indoor-Thema lautet natürlich Skifahren und Snowboarden, und dazu bedarf es einer intelligenten Außenhaut der Schneekugel. Giencke denkt und entwirft großformatige Gitterschalenkonstruktionen mit transparenten, wärmedämmenden und die Einstrahlungsenergie reflektierenden Eindeckungen, sodass indoor auch ein wenig outdoor ist, man die Ansichten von Eiffelturm, Steffl oder Central Park auch gleich ein wenig mit inhaliere.

Der Österreich-Tourismus, so Giencke und Aloys, erlebe „jährlich Einbußen von mehreren Prozent“. Ihr Konzept sei also eines der Zukunft und vor allem auf die Jugend abzielend. Giencke: „Es wird davon ausgegangen, dass es mindestens 50.000 Kinder sind, die in einer Großstadt dieser Welt potenzielle Nutzer des Snow-Bubble sein werden. Sie sollen zu jeder Jahreszeit mit Schnee in Kontakt kommen können, weil Schnee als Material emotional positiv besetzt ist.“ Hallenbäder waren ja auch einmal Vision. Also auf zum Hallenskifahren.

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