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Häuser als Lebensräume
Neue Zürcher Zeitung

Die Zürcher Architektin Lux Guyer in Aarau

10. Januar 2003 - Suzanne Kappeler
Als erster selbständiger Architektin der Schweiz mit eigenem Büro an der Zürcher Bahnhofstrasse waren Lux Guyer (1894-1955) nicht zuletzt die Wohnbedürfnisse der modernen Frau ein Anliegen. «Wie verwandelt man», so fragte sie sich, «die altmodische Haushaltungsmühle, die die Frau in ihrer menschlichen Entwicklung und Erweiterung hemmt, in einen rationelleren und zugleich anmutigeren Apparat?» Als Lösung bot sich der Entwurf eines Typenhauses an, eines in Ansätzen industriell vorgefertigten Holzhauses, in welchem die Architektin ein «mittelständisches Einfamilienhaus» sah, das in seiner Raumaufteilung mit der Rückzugsmöglichkeit im Dachgeschoss der berufstätigen Frau entgegenkam. In der klar und abwechslungsreich gestalteten Lux- Guyer-Schau im Forum Schlossplatz in Aarau steht denn auch das 1928 für die Saffa, die Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit in Bern, entworfene Typenhaus im Mittelpunkt.

Das zweigeschossige, L-förmige Haus mit der durchgehenden Terrasse im Dachgeschoss vereinigt die Wohnlichkeit des englischen Landhausstils mit der Moderne des Neuen Bauens. Die längs und quer geführten Walmdächer und die Fassade aus roten Eternitschindeln strahlen Wärme aus, die grossen, teilweise über Eck angelegten Fenster sorgen für lichtdurchflutete Räume. Sichtachsen, Lichtachsen und Bewegungsachsen, überraschende Raumkombinationen, aber auch originelle Deckenstrukturen, zweifarbige Küchenböden, Schwingtüren und eingebaute Schränke machen für Ausstellungsgestalterin Beate Schnitter den Kern des Bauprogramms von Lux Guyer aus. Nach der Saffa wurde der Prototyp des Hauses von der Familie Kunath-Schinkel aus Aarau erworben, dort neu aufgebaut und später erweitert. Das erste Fertighaus der Schweiz soll nun erneut in seine Teile zerlegt und in Stäfa als Domizil des Eltern-Kind-Zentrums wiederaufgebaut werden.

Den vier Ausstellungsräumen ist jeweils eine Farbe zugeordnet, wobei Rot für den Raum mit dem Saffa-Haus steht, Blau für die grossen Villenprojekte in der Region Küsnacht, Grau für die Frauenwohnkolonien, zum Beispiel den Lettenhof in Zürich mit seinen funktionalen Kleinwohnungen, und Weiss für die letzte Arbeitsphase Lux Guyers, die weissen Häuser, die Einflüsse des amerikanischen Kolonialstils zeigen und mit versteckten Symmetrien arbeiten. Auf die grossformatigen, farbigen Fahnen an den Wänden sind Aussen- und Innenansichten der Häuser, Pläne, Texte und Porträts der Architektin aufgedruckt. Vitrinen mit originalen Farbstift- und Tuschzeichnungen sowie ein 1925 entworfenes, als Schrank oder Büchergestell verwendbares, blau und grau gestrichenes Element zeigen die originelle, an den Bedürfnissen des Alltags orientierte Arbeitsweise der Architektin. Die ausführlich dokumentierten vier Themenbereiche vergegenwärtigen nicht nur ein Stück Schweizer Architekturgeschichte, sondern werfen auch einen Blick auf den Alltag der berufstätigen Frau.


[ Die Lux-Guyer-Ausstellung im Forum Schlossplatz in Aarau dauert bis zum 26. Januar. ]

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