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Neue deutsche Synagogen
Neue Zürcher Zeitung

Der Architekt Alfred Jacoby in Frankfurt

14. Januar 2003 - Hubertus Adam
Die meisten deutschen Synagogen der Zeit nach 1945 entstanden in den fünfziger und sechziger Jahren und schufen in bescheidenem Masse Ersatz für die in der Pogromnacht des Jahres 1938, durch den darauf folgenden nationalsozialistischen Terror oder infolge von Kriegseinwirkungen zerstörten jüdischen Gotteshäuser. Seit den späten achtziger Jahren ist eine Reihe weiterer Bauten entstanden; ausschlaggebend dafür war und ist die starke Vergrösserung der Gemeinden durch Immigranten aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, daneben aber auch der Wille, in der Bundesrepublik ein Zeichen wiedererwachenden jüdischen Lebens zu setzen. Kann auch von Normalität noch keine Rede sein, so ist doch beispielsweise die 2001 eingeweihte Dresdner Synagoge, deren blockhafter Körper sich durchaus selbstbewusst in die berühmte Elbsilhouette einschreibt wie einst Gottfried Sempers Vorgängerbau, ein Zeichen der Hoffnung.

In ästhetischer wie liturgischer Hinsicht zählt der Dresdner Bau des Architektenteams Wandel Hoefer Lorch & Hirsch zu den bemerkenswertesten der vergangenen Jahre. Die Synagogenbauten von Alfred Jacoby können mit diesem Entwurf schwerlich konkurrieren, und doch gilt der 1950 in Offenbach geborene, an der ETH Zürich bei Alberto Camenzind diplomierte und seit 1980 in Frankfurt am Main tätige Architekt mit insgesamt sieben realisierten Gebäuden als der meistbeschäftigte Synagogenarchitekt in Deutschland. Grund genug also für eine kleine Retrospektive im Deutschen Architektur-Museum Frankfurt am Main. Suchte Jacoby noch mit der 1988 eingeweihten Synagoge in Darmstadt (ohne eigentliches Glück) das orientalisierende Formvokabular des 19. in das 20. Jahrhundert zu übertragen, so fand er sechs Jahre später mit dem Bau in Heidelberg zu seinem eigentlichen Thema: dem hier zylindrischen, bald aber auch elliptischen oder linsenförmigen Zentralraum der Synagoge, der von den niedrigeren Baukörpern des Gemeindezentrums gefasst oder umgeben wird - jüngstes Beispiel hierfür ist die vor wenigen Monaten eröffnete Synagoge in Chemnitz. Die Liebe zum stereometrischen Primärkörper prägt die Bauten Jacobys; allerdings geht ihnen die Prägnanz ab, welche beispielsweise Mario Bottas Synagoge in Tel Aviv kennzeichnet.

Ohne Zweifel: Eine Synagoge ist kein Holocaust-Memorial, sondern ein Versammlungs- und Gebetsort; fragmentierte Davidsterne, wie sie in Wettbewerben mit Regelmässigkeit eingereicht werden, sind hier deplaciert. Doch wirken die Synagogen Jacobys mit ihrer gefälligen Moderne gerade in Deutschland fragwürdig harmonisch. Ein Hang zum Dekorativ-Geschmäcklerischen ist nicht zu verkennen, wiewohl die Bauten zum Teil durchaus stimmungsvolle Innenräume aufweisen. Das ist nicht zuletzt das Verdienst des Glaskünstlers Johannes Schreiter, mit dem Jacoby bei den letzten Bauten zusammenarbeitete.


[ In einem neuen Geist. Synagogen von Alfred Jacoby. Deutsches Architektur-Museum Frankfurt am Main, bis 9. Februar. Katalog Euro 5.-. ]

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