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Schatten über dem Festival
Locarnos Lust an der architektonischen Verstümmelung
Die beiden magischen Orte des Filmfestivals Locarno sind in Gefahr: Führende Tessiner Architekten schlagen vor, das Freiluftkino von der Piazza Grande auf eine gigantische Plattform im See zu verlegen, und das eng mit der Geschichte des Festivals verwobene «Grand Hôtel» soll abgerissen werden. Hingegen scheinen Geld und architektonisches Engagement für einen zeichenhaften Festivalspalast zu fehlen.
Als Künstler, Vegetarier und Anarchisten zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Monte Verità bewohnten und Elisar von Kupffer in Minusio sein mediterranes «Sanktuarium» realisierte, galt das von der Natur verwöhnte Locarnese den Mitteleuropäern als irdisches Paradies. Seither ist die Moderne wie ein Tornado über diese kleine Welt gezogen und hat sie arg zerzaust zurückgelassen. Mitunter scheint es so, als bemühte man sich ganz bewusst, der Gegend am oberen Ende des Lago Maggiore die urbane Schönheit auszutreiben, um der rund 50 000 Einwohner zählenden Agglomeration «metropolitanes» Flair zu verleihen. Das sei - so könnte man argumentieren - Sache der Tessiner. Aber angesichts rückläufiger Touristenzahlen sollten die Locarnesi doch etwas weiterdenken. Zumal die beiden jüngsten Projekte ganz direkt den wichtigsten kulturellen Grossanlass der Region tangieren: das Filmfestival, das von morgen an zum 56. Mal der Ferienstadt Locarno einen Hauch von Glamour verleihen wird.
Schwimmendes Kino im See
Auch heuer wird sich die Piazza Grande in jenen riesigen Kinosaal verwandeln, welcher seit nunmehr 33 Jahren zur Attraktion des Filmfestivals Locarno beiträgt - selbst wenn die berüchtigten Gewitter mitunter lästig werden und Ordnungsliebende sich an Improvisation und Chaos stören mögen. Diese «Ärgernisse» haben nun Luigi Snozzi und Livio Vacchini, Locarnos führende Baukünstler, zusammen mit Eloisa Vacchini und Mauro Vanetti auf die Idee gebracht, ein radikales Projekt auszuarbeiten. Dem zufolge sollen die Freiluftvorführungen von der Piazza auf einen im See schwimmenden Pier verlegt und so der bei Publikumsfilmen herrschende Platzmangel durch die Bereitstellung von 10 000 Sitzgelegenheiten und die Wetterabhängigkeit durch ein Schiebedach behoben werden. Dass mit diesem Vorschlag der Piazza-Zauber einem austauschbaren «Kino am See»-Spektakel geopfert würde, dem man ebenso gut in Zürich oder anderswo frönen kann, ist der touristische Schwachpunkt des Projekts. Schwerer aber wiegt der urbanistische, denn die zukunftsgläubigen Altmeister nehmen keine Rücksicht auf das Weichbild der Stadt. Mit rigorosem Rationalismus führen sie das Raster der Neustadt weiter und projizieren die langgestreckten Giardini Rusca über die Schifflände in den See hinaus. Diesem Schildbürgerstreich müsste nicht nur das städtebaulich wichtige historische Hafengebäude weichen: Um die von den Architekten vorgeschlagene Sichtverbindung zwischen Pier und Piazza herzustellen - müssten zudem die Giardini Rusca verschmälert und umgestaltet (oder vielmehr abgeholzt) werden. Schaden nähme auch die Uferpromenade von Muralto, würde doch der Lago Maggiore zwischen ihr und dem geplanten Pier zum traurigen Ententeich schrumpfen.
Wie verheerend sich dieses grösste permanente Bauwerk der Stadt - das bei einer Breite von 50 Metern gut 250 Meter weit in den See vorstiesse und die Installationen für Kino- und Restaurationsbetrieb sowie Überdachung aufnehmen müsste - auf die Landschaft auswirken würde, lässt sich schon jetzt am Beispiel des neuen Jachthafens vor den Giardini Arp erahnen. - Das Ende Mai publizierte Projekt der «schwimmenden Piazza» wurde denn auch Mitte Juni auf der in Locarno unter dem Titel «Città e Festival» durchgeführten Jahresversammlung des Bundes Schweizer Architekten heftig diskutiert. Marco Solari, der Präsident des Filmfestivals, beanstandete zu Recht, dass die Piazza das Kapital von Locarno sei und niemals durch ein Konstrukt auf dem See ersetzt werden könne.
Wollte man, ausgehend vom Festival, die Stadt wirklich neu denken, so wäre nicht bei der Piazza anzusetzen, die ja - trotz oder gerade wegen ihrer Mängel - so beliebt ist, sondern beim lange schon herbeigesehnten Palazzo del Cinema. Diesen hätte man (ähnlich wie Rafael Moneos dem Festival von San Sebastián dienenden «Kursaal» oder das KKL) als weithin sichtbares architektonisches Zeichen eines neuen Locarno auf dem seit Jahren unbebauten, südlich der Schifflände am See gelegenen Ciseri-Luini-Areal errichten können. Doch statt offensiv in diese Richtung zu planen, wurde zugewartet: mit dem Ergebnis, dass nun ein Investor aus Melide auf dem ideal gelegenen Bauplatz zwei siebengeschossige Wohn- und Geschäftshäuser errichten wird - Bauten, die wohl wie das meiste, was hier jüngst realisiert wurde, kaum mehr als vorstädtisch anmutende Banalitäten darstellen werden.
Zerstörung eines Mythos?
Wenn nun die Piazza für die Tausende von Filmbegeisterten, die allabendlich unter freiem Himmel die Bilder über die 1971 von Vacchini kreierte Riesenleinwand flimmern sehen wollen, mitunter zu eng wird, so kann sie dadurch vielleicht sogar etwas von jener Exklusivität zurückgewinnen, die einst das Festival prägte, als die Wettbewerbsfilme noch im Park des «Grand Hôtel» gezeigt wurden. Dieser nach der Zerstörung der legendären Luxusherberge von Brissago letzte prominent gelegene Hotelpalast der Belle Epoque im Locarnese war der Ort, an welchem das Filmfestival von Locarno 1946 geboren und bis 1970 auch durchgeführt worden war. Seine monumentalen Treppen, seine mehrgeschossige Halle mit dem gigantischen Murano-Leuchter und seine üppig dekorierten Säle sahen Berühmtheiten von Marlene Dietrich über Pasolini bis hin zu den Stars aus Bollywood. Aber Geschichte geschrieben hatte das zwischen 1866 und 1876 nach Plänen von Francesco Galli und Luigi Fontana erbaute Haus schon mit der Konferenz von Locarno im Oktober 1925, als hier die wichtigsten Delegationen logierten. Und seine Kulisse bereichert bis heute das Filmfestival: Auf den Terrassen werden bald Empfänge durchgeführt, bald Interviews gegeben; und spät nachts - wenn die Projektoren verstummt sind - darf man hier bei einem Glas Champagner diskutieren oder flirten.
Heute, nach Jahren des leisen Niedergangs, umweht süsse Melancholie das einst so noble Haus. Deshalb erstaunte es wohl die Locarnesi kaum, als am 5. Juli der «Corriere del Ticino» ganz nüchtern titelte: «Grand Hôtel, demolizione in vista». Die Aussicht, dass dieser bis heute in Tessiner Besitz befindliche Bau, dessen Steine getränkt sind von Mythen und Geschichten, niedergewalzt und durch eine Altersresidenz, ein Luxuswohnhaus oder gar ein Einkaufszentrum ersetzt werden könnte, führte dann aber in der Tessiner Presse doch noch zu einem Sturm der Entrüstung. Während der Luganeser Historiker Francesco Mismirigo den Tessinern die Leviten las, forderte Corrado Kneschaurek, der Präsident der Tessiner Hoteliervereinigung, das Hotel möge nicht nur als architektonisches und gesellschaftliches Zeugnis einer Epoche, sondern auch in seiner Funktion erhalten bleiben. Locarnos Bürgermeister dachte laut über dessen Umbau zum Verwaltungssitz des geplanten Gross-Locarno nach, und andere Stimmen schlugen das vor einem Jahr noch zum neuen Kasino bestimmte Haus als Sitz der Tessiner Hotelfachschule oder als Festivalspalast vor. - Auch wenn es der Kanton verpasst hat, den bedeutenden Bau rechtzeitig unter Denkmalschutz zu stellen, so ist nun doch Bewegung in die Sache gekommen. Aber anders als in Lugano, wo sich weite Bevölkerungskreise erfolgreich gegen den Abriss des ruinösen «Palace», eines der ältesten Hotels der Schweiz, wehrten und gegenwärtig mit einer Petition die Zerstörung der wohl schönsten Villa von Americo Marazzi im einst von ihm als «Garden City» geplanten Montarina-Viertel kämpfen, verharrt Locarno weiterhin in Lethargie. Gleichwohl bleibt zu hoffen, dass dem Filmfestival nicht nur die magischen Orte erhalten bleiben, sondern dass der angedrohte Abbruch des «Grand Hôtel» die Tessiner endlich auch für ihr Patrimonium des 19. und 20. Jahrhunderts sensibilisieren wird. Soll doch als Nächstes in Bellinzona ein stolzer Bau des Späthistorismus fallen: Enea Tallones exzentrischer Palazzo mit dem monumentalen Belvedere im immer stärker von Neubauten bedrängten Villenviertel rund um die Via Nizzola.
Ökohäuser und wuchernde Höhlen
Architekturmarathon durch das sommerliche Wien
Das Bauen feiern andere Städte mit Biennalen oder Architektursommern. In Wien hingegen scheint sich ein permanenter Architekturmarathon einzurichten. Hier buhlen nämlich das Architekturzentrum, das Museum für angewandte Kunst, der Ringturm und bald auch die rundum erneuerte Albertina mit Baukunst um Besuchergunst.
Wien ist, man weiss es, ein Museum, und dieses ist in Sachen Architektur lebendiger denn je. Neben den bekannten Sehenswürdigkeiten rückt immer mehr die vornehm-theatralische Ringstrasse mit den Prachtbauten von Ferstel, Hansen, Hasenauer oder Semper ins Zentrum des Interesses. Eine ähnliche Gründerzeit, wenn auch weniger pompös als die des späten 19. Jahrhunderts, erlebt die Donaumetropole gegenwärtig wieder. Sie offenbart sich in Verrücktheiten wie Hans Holleins Haas-Haus beim Stephansdom oder den von Jean Nouvel, Coop Himmelb(l)au und anderen umgebauten hundertjährigen Simmeringer Gasometern. Hinzu kommen städtebauliche Unternehmen wie die «Donau-City» oder das Hochhausprojekt «Wien Mitte», welches von der Unesco mit Verweis auf das Weltkulturerbe der Innenstadt bekämpft wird. Eine ähnliche Dynamik lässt sich auch auf dem Gebiet der Museumsarchitektur ausmachen: Spürt das von Jabornegg & Pálffy mit minimalistischer Präzision in den Untergrund der Stadt getriebene Museum Judenplatz der jüdischen Vergangenheit nach, so lädt die rundum erneuerte Albertina ein zur Besichtigung der ebenso klaren wie formsicheren Erweiterungen von Steinmayr & Mascher, der wunderbar restaurierten Kornhäusel-Säle und der von Hollein gestalteten Eingangspartie, deren skulpturales Flugdach allerdings noch etwas auf sich warten lässt.
Arme Architektur aus Frankreich
Wie eine riesige Bauplastik wirkt auch Volker Gienckes expressiv verwinkelter, mit Plexiglas umhüllter Red Room aus Fichtenholz, der - halb Bühne, halb schattiger Tunnel - noch bis zum 3. August zu begehen ist: und zwar im stets belebten Hof des aus dem Messepalast der beiden Fischer von Erlach hervorgegangenen Museumsquartiers. International ebenso beachtet wie die Neubauten von Ortner & Ortner (von denen der dunkle Schrein des Mumok einen Rundgang lohnt) wurde hier im Oktober 2001 das mit einem Himmel aus türkischen Kacheln versehene «Una»-Café des Architekturzentrums Wien (AzW) von Anne Lacaton und Jean Philippe Vassal. Mit sparsamsten Mitteln veränderten die beiden stimmungsmässig das historische Raumgefüge, so dass ein Kultlokal entstanden ist, welches ganz nebenbei die orientalischen Wurzeln der Wiener Kaffeehauskultur erhellt.
Diesen Meistern einer «armen», kostengünstigen Architektur, deren ungeschminkt-roher Umbau des Palais de Tokyo zum Site de création contemporaine vor anderthalb Jahren nicht nur in Paris Aufsehen erregte, widmet das AzW zurzeit eine Retrospektive. Auf Stellwände aufgezogenes Text- und Bildmaterial sowie einige Videos veranschaulichen den architektonischen Kosmos von Lacaton & Vassal. Neben Projekten, bei denen sie fast ohne Eingriff den Geist des Ortes zu verdichten wissen, werden Billighäuser aus vorgefertigten Materialien präsentiert: eine von Meerkiefern durchwachsene Villa, welche sie für gut 120 000 Euro am Cap Ferret realisierten, ebenso wie ein Universitätsgebäude in Grenoble oder ein Bürohaus in Nantes, die beide kaum mehr als 3 Millionen Euro kosteten.
Entscheidend für die Karriere dieses Teams aus Bordeaux war die erfolgreiche Teilnahme an den «Albums de la Jeune Architecture» von 1991. Kurz darauf wurde dann dieser Nachwuchspreis des französischen Kulturministeriums gestrichen, um jüngst doch noch eine Renaissance zu erleben. Die Arbeiten der 16 Ausgezeichneten von 2002 sind bis zum 22. August in der Eingangshalle des Institut français an der Währinger Strasse 30 zu sehen. Vorgestellt werden unter anderem die Arteplage mobile du Jura der 35-jährigen Pariser Didier Faustino und Pascal Mazoyer, das über hohen Mauern als Glaskörper in Erscheinung tretende Gymnasium Cosec Ruffi in Marseille von Rémy Marciano oder Raphaëlle Hondelattes aufgeständertes Ökohaus am Cap Ferret.
Zaha Hadids wirbelnde Bauten
Während die Schau im Institut français mit wenig Aufwand viel Information vermittelt, setzt die mit barocker Rhetorik inszenierte Retrospektive der in London tätigen Irakerin Zaha Hadid im Museum für angewandte Kunst (MAK) auf optische Verführung. Schon in der grossen Eingangshalle wird man von der Installation «Ice- Strom» überwältigt: Diese höhlenartig wuchernde Wohnlandschaft der Zukunft bietet mit Ausnahme von Tischen und Liegen keine ebenen Flächen, so dass sich für Nippes wie das von Hadid entworfene Kaffeeservice zwar Nischen finden, für deren «Major Paintings» aber keine Wände. Daher nehmen diese Gemälde, die als «multiperspektivische Projektionen» weniger reale Bauten oder Projekte wiedergeben als vielmehr von Hadids aussergewöhnlichem räumlichem Vorstellungsvermögen zeugen, einen der drei grossen Seitensäle ein. Vom frühen, noch weitgehend Rem Koolhaas verpflichteten Eaton-Place-Entwurf über die legendäre Gruppe explosiver «Hong Kong Peak»-Darstellungen (die allein schon den Besuch der Schau rechtfertigen würden) bis hin zum Zentrum für zeitgenössische Kunst in Rom vermitteln diese gemalten Visionen zusammen mit einer Vielzahl von Modellen einen Eindruck von Hadids furioser Entwurfsstrategie. Abschliessend rücken grossflächige Fotos einige vollendete oder noch im Bau befindliche Werke wie die Innsbrucker Bergisel-Sprungschanze, das Contemporary Arts Center in Cincinnati oder das Science Center Wolfsburg ins Rampenlicht.
Berauscht von der spektakulären Zurschaustellung von Hadids höchst subjektiver und mithin nicht unumstrittener Architektur, die zweifellos einen Höhepunkt des Wiener Ausstellungssommers bedeutet, gelangt man auf dem internen Parcours vorbei an der permanenten Präsentation von Architekturmodellen des 20. Jahrhunderts (darunter Kieslers Endless House und Libeskinds Jüdisches Museum in Berlin) zur MAK-Galerie im prächtigen Ferstel-Bau. Dort werden noch bis zum 3. August unter dem enigmatischen Titel «Species - FOA's phylogenesis» die Bauten und Projekte des jungen, von der Iranerin Farshid Moussavi und dem Spanier Alejandro Zaera Polo gegründeten Londoner Büros Foreign Office Architects unter «stammesgeschichtlichen» Gesichtspunkten präsentiert. Ihr Versuch, «Stil und Autorschaft» zu überwinden, führt zu so unterschiedlichen Lösungen wie dem Projekt des aus schlaufenartig ineinander verwobenen Etagen bestehenden Azadi-Kinozentrums in Teheran, dem in den Himmel züngelnden Bundle-Tower-Entwurf für Ground Zero oder dem von einer wogenden Dachlandschaft dominierten, unlängst in Yokohama realisierten Fährterminal.
Von der Toskana zum «Architekturlaub»
Eine Gegenwelt zur modischen Exzentrik von FOA oder Hadid bildet die kleine Scarpa-Schau im Kunstblättersaal. Hier sind bis zum 14. September vom MAK erworbene Originalzeichnungen (darunter ein grossartiges Blatt für die Tomba Brion), Planpausen und kleine Holzmodelle zu sehen, welche Carlo Scarpas Zusammenarbeit mit dem Kunsttischler Saverio Anfodillo illustrieren. Brachte das Veneto mit Scarpa eine Jahrhundertfigur hervor, so ist ausserhalb Italiens die toskanische Architekturgeschichte des vergangenen Jahrhunderts - abgesehen vom Florentiner Hauptbahnhof (1934) des Gruppo Toscano um Giovanni Michelucci - kaum bekannt. Diese versucht nun eine Ausstellung im Ringturm zu erhellen, zu der Philip Johnsons Bauskulptur «Wiener Trio» von 1996 am Franz-Josefs-Kai den Weg weist. Auf einem Parcours, der vom Liberty genannten Jugendstil über Rationalismus, Neorealismus und Brutalismus bis in die Gegenwart führt, werden Hauptwerke der toskanischen Moderne gezeigt, die von avantgardistischen und ländlichen Einflüssen ebenso geprägt sind wie vom historischen Kontext. Dabei begegnet man Juwelen wie Micheluccis Autobahnkirche in Campi Bisenzio, Leonardo Saviolis Villa Taddei in Fiesole, aber auch Wohnmaschinen wie dem Triangolo in Pistoia oder den postmodernen Megastrukturen der einstigen Revolutionäre von Superstudio.
Durch die Toskana-Bilder etwas auf Ferien eingestimmt, wird man beim Schlagwort «Architekturlaub» hellhörig. Mit diesem will das AzW vom 24. Juli bis zum 1. September den in der Stadt Zurückgebliebenen neue Wiener Grossprojekte mittels «Sommer-Tours» und einer Ausstellung näherbringen. Mit solch kommerziell ausgerichteten und von Developern getragenen Veranstaltungen versucht sich dieses Haus, das im Juni sein zehnjähriges Bestehen feiern konnte, zu behaupten, wird doch sein Jahresetat von 2,9 Millionen Euro nur noch zur Hälfte von Stadt und Bund getragen. Verschärft wird die Situation des AzW zusätzlich durch die Konkurrenz unter den Ausstellungshäusern Wiens, die sich mit einem austauschbaren Angebot gegenseitig immer wieder auszustechen suchen.
[Zaha Hadid bis 17. August im MAK. Katalog: Zaha Hadid. Hrsg. Peter Noever. Hatje-Cantz-Verlag, Ostfildern-Ruit 2003. 192 S., Fr. 56.- (Euro 35.- in der Ausstellung). - Lacaton & Vassal bis 6. Oktober im AzW. Katalog: Lacaton & Vassal. Jenseits der Form. Architekturzentrum Wien, 2003. 72 S., Euro 4.40. - Architektur der Toscana bis 3. Oktober im Ringturm. Katalog: Architetture del Novecento. La Toscana. Hrsg. Ezio Godoli. Edizioni Polistampa, Florenz 2001. 342 S., Euro 41.50.]
Stadt in der Stadt
Moshe Safdies neues Peabody Essex Museum in Salem
Hört man den Namen Salem, so kommen einem - wenn überhaupt - die Hexenprozesse von 1692 in den Sinn. Selbst die Amerikaner besuchen das pittoreske Städtchen an der Küste Neuenglands in erster Linie wegen dessen dunkler Vergangenheit, die noch in den Werken von Nathaniel Hawthorne und Arthur Miller nachlebt. Dabei kann das 1626 von Roger Conant gegründete Gemeinwesen ausser mit kitschigen Hexensouvenirs auch mit einem bedeutenden historischen Baubestand aufwarten. Als dessen Kleinod darf das 1805 vollendete klassizistische Gardner- Pingree House des von Charles Bulfinch inspirierten Autodidakten Samuel McIntire gelten, das heute zur bedeutenden Sammlung historischer Bauten des Peabody Essex Museum gehört. Es spiegelt den einstigen Reichtum der Hafenstadt wider, die im späten 18. Jahrhundert internationale Handelsbeziehungen pflegte.
Neben Alltagsgütern aus aller Welt gelangten früh schon exotische Kostbarkeiten aus Asien, Afrika und dem pazifischen Raum nach Salem. Viele von ihnen gingen ein in den Besitz der 1799 von aufgeklärten Bürgern gegründeten East India Marine Society. Deren schnell wachsende Sammlung wird seit 1825 im Prunksaal der neu erbauten East India Hall präsentiert, welche heute gleichsam das Allerheiligste des Peabody Essex Museum (PEM) bildet. Obwohl im Jahr 1988 mit dem Asian Wing der Bostoner Architekten Kallmann, McKinnell & Wood ein grosser Annexbau eröffnet werden konnte, war es dem PEM kaum möglich, alle Highlights seines grandiosen, heute 2,4 Millionen Objekte umfassenden Kunstbesitzes auszustellen. Was lag also näher, als erneut eine Erweiterung zu planen, für die - Renovationen, Umgebungsarbeiten und ein Auditorium eingeschlossen - 125 Millionen Dollar zur Verfügung standen. Da die Parzelle für diesen Anbau östlich der bestehenden Museumsgebäude und nur einen Steinwurf von McIntires Gardner-Pingree House und anderen Baudenkmälern lag, war eine Architektur gefragt, die sensibel auf den Kontext reagierte. Die Wahl fiel auf das Projekt des heute 65-jährigen Bostoner Architekten Moshe Safdie, der 1967 mit seiner Habitat-Wohnpyramide auf der Weltausstellung von Montreal schlagartig bekannt wurde und von dem das in Form einer postmodernen Bergstadt am Sepulveda-Pass in Los Angeles errichtete Skirball Cultural Center oder die National Gallery in Ottawa stammen.
Für das PEM entwarf Safdie mit einigem Geschick zwei neue Baukörper, die er durch einen glasüberdachten, aus zwei «Gassen» und einer zentralen Plaza bestehenden Freiraum von den bestehenden Museumsgebäuden trennte, und schuf so gleichsam eine Stadt in der Stadt. Der grössere, nach Osten orientierte Bau besteht aus einer Zeile von fünf leicht abstrahierten und sich so klar von den Altbauten der Umgebung unterscheidenden Giebelhäusern aus roten Ziegeln. Ihm ist nach Südwesten ein weiterer Ziegelbau vorgelagert, an welchen ein jüngst aus China importiertes, «Yin Yu Tang» genanntes Kaufmannshaus anschliesst, das die hervorragende China-Sammlung im PEM um ein in den USA einmaliges Gebäude aus der Qing-Zeit abrundet.
Die lichtdurchflutete Atmosphäre auf der internen Plaza, wo sich Kasse und Café befinden, stimmt ein auf den Rundgang durch die Sammlungen chinesischen und japanischen Kunsthandwerks, ostasiatischer und indischer Exportkunst, afrikanischer und südpazifischer Idole, architektonischer Modelle sowie historischer Photographie und zeitgenössischer Malerei aus Asien. Diese sind im Altbau sowie im Erdgeschoss der vor wenigen Tagen eingeweihten Erweiterungsbauten untergebracht. Darüber befindet sich im Obergeschoss des grösseren Neubaus eine frei unterteilbare Galerie von 1500 Quadratmetern Fläche für temporäre Ausstellungen, von der aus man über Brücken zurück in den Altbau gelangt. Die Eröffnungsschau befasst sich unter dem Titel «Traverse Time, Place, Culture» mit dem Crossover von Zeiten und Kulturen und reicht inhaltlich von kaiserlichen Rollbildern bis zu heutigen Familienbeziehungen. Auch wenn Safdies Erweiterung architektonisch nur gehobenen Durchschnitt bietet, kann sich dank ihm das PEM mit seinen umfassenden Sammlungen in der amerikanischen Museumslandschaft ganz neu positionieren.
Monumentale Wohnmaschine
Ein Hauptwerk der neuen US-Architektur in Cambridge
Die amerikanische Campus-Landschaft ist eines der letzten Refugien innovativer Architektur in den USA. Der New Yorker Steven Holl, ein Hauptvertreter der mittleren Architektengeneration, hat nun auf dem Gelände des MIT in Cambridge bei Boston ein monumentales Studentenwohnhaus errichtet, das neue Massstäbe setzt.
Die Zeiten sind schwierig, auch in den USA, wo selbst schwache Aufwärtsbewegungen der Börsenindizes in breiten Bevölkerungsschichten mit Erleichterung zur Kenntnis genommen werden. Dessen ungeachtet erlebt das Land - ganz offensichtlich kaum gebremst durch die Katastrophe des 11. Septembers - einen Bauboom. Rund um den farblich und formal etwas hysterisch geratenen Hotelturm von Arquitectonica beim Times Square und um die gläsernen «Twin Towers» von SOM am Columbus Circle schiessen in New York derzeit Wolkenkratzer, zu denen sich bald das Times-Hochhaus von Renzo Piano gesellen dürfte, wie Pilze aus dem Boden. Spannender als diese Spekulationsbauten sind aber neue architektonische Statements, wie sie sich in Manhattan bisher erst in einigen trendigen, die neusten Strömungen reflektierenden Lokalen manifestieren: etwa dem jüngst realisierten Flagship Store von Asymptote im ebenso fashionablen wie übel riechenden Meat Packing District.
Halb Schwamm, halb Bienenwabe
Auch wenn nun voraussichtlich Diller & Scofidio, die nicht mehr ganz jungen Shootingstars der amerikanischen Architekturszene, welche sich als Expo-Wolkenbauer von Yverdon einen Namen machten, mit dem Eyebeam-Projekt das wohl seit langem bedeutendste Gebäude von New York verwirklichen können, muss man interessante Bauten weiterhin in der Provinz suchen: Vor wenigen Wochen konnte auf dem Campus des Bard College Frank Gehrys Fisher Center for the Performing Arts und Anfang Juni Zaha Hadids Contemporary Arts Center in Cincinnati (NZZ 2. 6. 03) eingeweiht werden. In der «Hexenstadt» Salem wurde dann Mitte Monat Moshe Safdies Erweiterung des über grandiose Ostasiatica- und Americana-Sammlungen verfügenden Peabody Essex Museum eröffnet; und zwanzig Kilometer südlich von Salem, an Bostons Outer Harbor, soll demnächst ein ins Hafenbecken auskragendes Museum für zeitgenössische Kunst - wiederum von Diller & Scofidio - entstehen. Bereits im letzten Herbst konnte auf dem Campus des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston nach vier Jahren Planungs- und Bauzeit die monumentale Wohnmaschine der Simmons Hall von Steven Holl bezogen werden.
Geht man auf der den Charles River querenden Harvard Bridge von Bostons viktorianisch noblem Back-Bay-Viertel hinüber zum nüchtern- industriell anmutenden MIT-Campus, so nimmt man hinter Alvar Aaltos langgezogenem Baker House drei wabenartige Türme wahr, die mit ihren vielen Öffnungen geradezu gigantisch wirken. Der Eindruck wird nicht lieblicher, wenn man sich auf der schier endlos langen Vessar Street diesem architektonischen Konglomerat weiter nähert, das sich allmählich als eine zusammenhängende Megastruktur entpuppt: Die Grösse dieser futuristisch anmutenden vertikalen Stadt lässt sich nur schwer schätzen, täuscht doch der aus über 5000 Öffnungen bestehende Fensterraster des porösen, an einen industriell gefertigten Schwamm erinnernden Baukörpers zunächst ein dreissigstöckiges Haus vor. In Wahrheit aber sind es nur zehn Geschosse, denn jeweils drei übereinander liegende Fensterreihen bilden zusammen ein Stockwerk. Grosse Ausstanzungen in der Gebäudescheibe verleihen dem Bau etwas Enigmatisches. Sie lassen von weitem nicht nur den Eindruck von drei gestaffelten Türmen entstehen, sondern erinnern auch an das unbequeme, aber ganz dem amerikanischen Architekturdiskurs der letzten Jahre verpflichtete Wettbewerbsprojekt für Ground Zero von Holl, Richard Meier und Peter Eisenman. Dessen völlig abstrakte doppelte H-Form wurde entschieden von Steven Holl, dem 1947 geborenen Vordenker der mittleren New Yorker Architektengeneration, geprägt.
Hybride Architektur
Mit seiner «Pamphlet Architecture» hatte sich Holl schon vor 25 Jahren als Streiter für eine neue architektonische Kultur, die sich gegen ein immer kommerzieller werdendes Bauen richtete, exponiert. Überzeugten seine bisher bekanntesten Bauten, das Kiasma-Museum in Helsinki und die Ignatius-Kapelle in Seattle, als komplexe skulpturale Inszenierungen von Licht und Raum, so scheint die Simmons Hall mit ihrer aus grauen aluminiumverkleideten Betonelementen bestehenden Fassade auf den ersten Blick einem streng minimalistischen Neuklassizismus verpflichtet zu sein. Doch die Rigorosität der tragenden Gebäudehülle wird gemildert durch amöbenartige Durchbrüche, die innenräumliche Verwandlungen nach aussen dringen lassen, und durch farbige Fensterlaibungen. Diese schillern - je nach den Kräften, welche die tragenden Betonelemente aushalten müssen - von Rot bis Blau und vereinen auf diese Weise naturwissenschaftliche Anschaulichkeit mit künstlerischer Kreativität. Neben dieser fast schon didaktischen Visualisierung eines ingenieurtechnischen Aspektes finden sich auch architektonische Bezüge - etwa zum vor 20 Jahren vollendeten, von einer quadratischen Öffnung durchbrochenen Apartmenthaus «Atlantis» von Arquitectonica in Miami und mehr noch zu Holls eigener Nexus-World-Wohnsiedlung in Fukuoka, die bereits 1991 mit aluminiumverkleideten Fassaden und Auskerbungen überraschte.
Die «hybride» Architektur der Simmons Hall, in der sich japanische Kargheit, Minimalismus und Expressivität, Blockhaftigkeit und organische Form, revolutionäre Rhetorik und baukünstlerische Freiheit zu einem faszinierenden Amalgam vereinen, bietet einen bemerkenswerten Kontrast zur lyrisch geschwungenen Fassade des 1948 für eine ähnlich grosse Studentenzahl konzipierten Baker House von Alvar Aalto. Dennoch scheint sich Holl in Cambridge ausser mit Le Corbusiers Idee der Wohnmaschine auch mit Aaltos Humanität auseinandergesetzt zu haben, findet man hier doch beide Einflüsse eng verflochten.
Dreidimensionales Labyrinth
Betritt man das Gebäude an seiner Südostecke, so erweist sich die fast schon bedrohliche Megastruktur im Innern geradezu als sanft. Die kleine Lobby wandelt sich sogleich in eine zweigeschossige Architekturlandschaft: Hinter einer schräg gewellten, fleckig mit Zement verputzten Wand verbirgt sich ein Mehrzwecksaal mit 125 Plätzen, während geradeaus eine gut zwei Meter breite interne Strasse durch das 100 Meter lange Gebäude führt - vorbei an Aufenthaltsbereichen und einem Restaurant. Eine Treppe schlängelt sich vom Eingang aus hinauf in den ersten Stock, wo der sich über neun Etagen ausbreitende Wohnbereich der Studenten beginnt. Die 155 Einzel- und 95 Doppelzimmer, die jeweils über eigene Toiletten und Bäder verfügen, muten wegen der aus einem «Gitter» von drei mal drei beziehungsweise drei mal sechs Öffnungen bestehenden Fensterfronten wie Zellen an. Der spartanische Eindruck dieser Räume, in denen nur gearbeitet und geschlafen werden soll, wird noch unterstützt durch graue Betonwände, helle Sperrholzmöbel und Kajütenbetten. Umso grosszügiger wirkt dagegen der gemeinschaftliche Bereich: Überbreite Flure weiten sich immer wieder zu mehrgeschossigen, höhlenartigen Gemeinschaftsbereichen, die sich durch unregelmässige Fensteröffnungen auf der Fassade abzeichnen. Das labyrinthartige Ineinanderfliessen orthogonaler Geschossebenen und organischer Zwischenräume, welches durch die äusseren Einkerbungen noch verstärkt wird, soll die aus wissenschaftlicher und sozialer Sicht erwünschten zwanglosen Begegnungen unter den Studenten fördern.
Fand Holl in den letzten Jahren von anfänglich noch stark neokubistisch inspirierten zu weicher fliessenden Raumsequenzen, so zeugen die heiter beschwingten, an die Ohrmuscheln eines Riesenwesens erinnernden Gemeinschaftsbereiche der Simmons Hall von einem wachsenden Interesse an computergenerierten Formen, wie sie von Greg Lynn oder Hani Rashid, zwei Hauptexponenten der zurzeit modischen Blob-Architektur, propagiert werden. Holl spielt hier aber auch - ähnlich wie Gehry, der seinem Berliner Bankenkubus am Pariser Platz ein geheimnisvoll verformtes Interieur einverleibte - äusserst geschickt mit dem Gegensatz von Innen- und Aussenwelt.
Gleichwohl ist die Grossform der Simmons Hall weit entfernt von Bauten wie Gehrys Stata- Center, das zurzeit am zentralen Kendall Square entsteht. Während Gehrys wirbelnde Baukörper aus Klinker, Zinkblech und zurzeit noch sichtbaren Verschlingungen aus rostigen Stahlträgern den Eindruck eines leicht frivolen Déjà-vu vermitteln, hat Holl ein architektonisches Bild geschaffen, das ganz neu und unverbraucht wirkt. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die Finanznöte, die mittlerweile auch das renommierte MIT quälen, nicht zur Sistierung von Holls Projekt für weitere Studentenhäuser an der Vessar Street führen werden - wie dies unlängst schon mit dem Entwurf des japanischen Altmeisters Fumihiko Maki für eine Erweiterung des Media-Lab-Gebäudes geschehen ist. Denn nicht nur der Ruf nach mehr Wohnmöglichkeiten auf dem MIT-Campus, wo gerade einmal 40 Prozent der Studierenden logieren können, wird immer lauter: Die Eliteschule könnte durchaus auch etwas mehr Alltagsleben vertragen.
Eine leuchtende Krone für die Hafencity
Der vierte Hamburger Architektursommer
Mit mehr als 170 Ausstellungen, Symposien und Führungen begeht Hamburg den vierten Architektursommer, in dessen Zentrum seit kurzem ein Projekt von Herzog & de Meuron für eine neue Philharmonie über dem Kaispeicher in der Hafencity steht.
Architektur ist populär und zieht seit Jahren schon die Leute an. Es waren aber nicht allein touristische Überlegungen, die 1994 in Hamburg zur Durchführung des ersten Architektursommers führten. Vielmehr wollte das breit abgestützte Organisationskomitee in der Bevölkerung gleichermassen ein Bewusstsein für baukünstlerisches Erbe wie für niveauvolles Bauen fördern. Wie erfolgreich sich architektonische Qualität inzwischen in der Hansestadt durchsetzt, demonstriert eine «Perlenkette» von gelungenen, wenn auch nicht überragenden Neubauten am nördlichen Elbufer, welche 1992 mit dem Fährterminal von William Alsop ihren Anfang nahm und heute über den Speicherumbau von Jan Störmer und das Holzhafengebäude von Kees Christiaanse bis hin zum Elbberg-Haus von Bothe, Richter, Teherani und zu den Neumühlenbauten von Antonio Citterio oder Massimiliano Fuksas reicht.
Übersättigung und Routine
Diesen positiven Resultaten und einem stolzen Veranstaltungsprogramm zum Trotz droht der Hamburger Architektursommer, der in seiner vierten Ausgabe noch bis in den Spätherbst dauert, allmählich Routine zu werden. Unter dem diffusen Motto «Wege der Moderne» finden rund 70 Ausstellungen sowie mehr als 100 Symposien und Führungen statt, die aber jeden übergeordneten Zusammenhang vermissen lassen. Neben einer Handvoll Hauptausstellungen, zu denen sich demnächst eine Übersicht über «Architektur made in Hamburg», eine Behnisch-Retrospektive sowie - Ende September - eine Fritz-Höger- und eine Bernhard-Hermkes-Schau gesellen, stehen so unterschiedliche Angebote wie «Visionen am Wasser», «Concrete Age» oder «Bollywood versus Slumbay» zur Auswahl. Symptomatisch für dieses zwischen Übersättigung und - vorübergehender? - Erlahmung oszillierende Unterfangen ist jedoch auch die Tatsache, dass die vom Museum für hamburgische Geschichte pompös mit «Exponaten aus aller Welt, von Zeichnungen Le Corbusiers bis hin zum digitalen Erlebnis der Megastadt Schanghai» angekündigte Ausstellung «Der Traum von der Stadt am Meer» kurzfristig auf den Herbst verschoben wurde.
Für kleinere Enttäuschungen sorgen aber auch einige der bereits eröffneten Ausstellungen. Die schon im letzten Sommer in Berlin gezeigte «Neue Deutsche Architektur» etwa skizziert im Kunsthaus Hamburg ein recht fades Bild des Baugeschehens zwischen Rhein und Ostsee. Von Sauerbruch & Hutton, den wohl interessantesten Vertretern der mittleren Generation, wird das noch unvollendete Umweltbundesamt in Dessau vorgestellt; und das Stadthaus Scharnhauser Park des begabten Nachwuchsarchitekten Jürgen Mayer H. sucht man vergeblich. Aufschlussreich ist in dieser Schau immerhin, dass Deutschland auf dem Gebiet des Sakralbaus mit bemerkenswerten Lösungen - der Dresdner Synagoge von Wandel Hoefer Lorch & Hirsch, der Herz-Jesu-Kirche in München von Allmann Sattler Wappner oder Peter Kulkas Haus der Stille in Meschede - aufwarten, aber abgesehen von Hans Kollhoffs Klinkerturm am Potsdamer Platz kaum mit metropolitanen Gesten überzeugen kann. Dennoch ist diese Übersicht, die ganz gleichförmig Farbfotos, Pläne und Modelle zeigt, in ihrer Inszenierung nicht unattraktiv. Die mit wunderbarem Originalmaterial bestückte und von einem schönen Katalog begleitete Retrospektive des einst in Frankreich, Hamburg und den USA tätigen Architekten und Gartenbauers Joseph Ramée (1764-1842) hingegen ist im prachtvollen Rahmen des klassizistischen Jenisch-Hauses so sperrig ausgefallen, dass man beispielsweise kaum herausfindet, welche Werke an den Elbhängen zwischen Altona und Blankenese noch erhalten sind.
Umso klarer wirkt dann die Ausstellung von Werner Kallmorgen (1902-1979), die in einem seiner Hauptwerke präsentiert wird: dem ebenfalls im Jenisch-Park gelegenen Ernst-Barlach- Haus. Vom nüchternen Modernisten Kallmorgen stammen neben den edlen Interieurs der wiederaufgebauten Theater in Hamburg, Hannover und Kiel auch das kantige «Spiegel»-Hochhaus sowie ein glücklicherweise nicht realisiertes Stadtautobahnkonzept. Seiner Liebe zur «lustigen Architektur der 1880er Jahre» verdankt Hamburg jedoch nicht zuletzt den historisch korrekten Wiederaufbau der Speicherstadt. Neben einigen Neubauten, die sich harmonisch in den historischen Kontext dieses stimmungsvollen Quartiers eingliedern, konnte er auch den prominent am Kaiserhöft das innere Hafenbecken beherrschenden, ebenso minimalistischen wie expressiven Kaispeicher errichten. Dieser trapezförmige Kubus soll nun dem geknickten Glasturm des Mediacityports von Benthem Crouwel weichen. Das umstrittene Projekt kann in der vor Ort im Kaispeicher eingerichteten Ausstellung «Atelier Hafencity» studiert werden - zusammen mit Entwürfen anderer Architekten für Wohn- und Bürohäuser, welche demnächst am Sandtorkai als Variationen der kubischen Stadtvilla realisiert werden.
Ein Wahrzeichen für Hamburg
Der Eröffnung dieser im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung der Hafencity aufschlussreichen Veranstaltung wurde Ende Juni die Schau gestohlen von einer Pressekonferenz, an der eine den Architektursommer belebende Sensation vorgestellt werden konnte: das Projekt für eine neue, als gläserne Krone über Kallmorgens Kaispeicher schwebende Philharmonie von Herzog & de Meuron. Unzufrieden mit der Tatsache, dass mit dem Mediacityport ein rein kommerzielles Projekt Kallmorgens Baudenkmal ersetzen und fortan das neue Herz Hamburgs markieren soll, entwickelte eine Investorengruppe die Idee, den unbequemen Speicherbau in ein Musikgebäude umzuwandeln, für welche sie die in der Umnutzung wertvoller Bausubstanz erfahrenen Basler Architekten gewinnen konnte. Diese entwarfen eine zeltartig leicht wirkende Aufstockung, die den Altbau in einen nahezu 100 Meter in den Himmel über Hamburg ragenden «Leuchtturm» und damit in ein weithin sichtbares Wahrzeichen verwandelt.
Die Finanzierung des auf 40 Millionen Euro veranschlagten Umbaus, der eine Konzerthalle mit rund 2300 Plätzen und einen Kammermusiksaal für mehr als 500 Zuhörer umfassen soll, ist offensichtlich schon gesichert, so dass die Stadt nur den Boden und den Kaispeicher beizusteuern hätte. Denkmalpflegerische Überlegungen sprechen ebenso für dieses Projekt wie die Tatsache, dass wegen des dramatisch grossen Leerbestands an Büroraum selbst in besten Innenstadtlagen zurzeit wohl kaum Interessenten für den neuen Mediacityport gefunden werden könnten. Schwierigkeiten verursachen könnte allenfalls der Umstand, dass für den Mediacityport ein grosser internationaler Wettbewerb durchgeführt wurde, während das Philharmonie-Projekt als Direktauftrag vergeben wurde. Doch machte der suggestive Entwurf der Basler Baukünstler auf einen Schlag die Dürftigkeit der Wettbewerbsergebnisse für den Mediacityport deutlich.
Neben dieser eng mit Hamburgs künftiger Position im Wettstreit der Metropolen verknüpften Diskussion um die Umgestaltung der Hafenzone, die sich in der Dauerausstellung zur Hafencity im ehemaligen Kesselhaus der Speicherstadt vertiefen lässt, bietet der Architektursommer noch einen anderen Höhepunkt: die grosse, vom Louisiana-Museum in Humlebæk übernommene Arne-Jacobsen-Retrospektive. Dieser Publikumsmagnet in den Deichtorhallen zeigt den ganzen kreativen Kosmos des genialen Dänen - die malerischen Anfänge ebenso wie den Triumph der Moderne im Meerbad Klampenborg, die Gesamtkunstwerke des Rathauses von rhus, des SAS- Hotels und der Nationalbank in Kopenhagen oder die grossartigen Innovationen auf dem Gebiet des Möbeldesigns.
[Die besprochenen Ausstellungen enden alle zwischen dem 24. August und dem 28. September. Sie sind von gut bis vorzüglich gemachten Katalogen begleitet, die zwischen 20 und 40 Euro kosten (Information: www.architektursommer.de).]
Architektur als Gesamtkunstwerk
Gottfried Semper - eine grosse Retrospektive in München
Der 1803 in Hamburg geborene Baukünstler Gottfried Semper sicherte sich architekturgeschichtlichen Ruhm mit Bauten in Dresden, Zürich, Winterthur und Wien, aber auch mit seinen bis heute nachwirkenden theoretischen Schriften. Nun würdigt eine grosse Ausstellung in der Münchner Pinakothek der Moderne sein vielseitiges Schaffen.
Als der grösste deutsche Architekt des 19. Jahrhunderts nach Schinkel wird Gottfried Semper (1803-1879) gern bezeichnet. Gleichwohl tun wir uns mit seinen Bauten schwer. Denn anders als in den Klassizisten Klenze oder Schinkel und anders als in Theophil Hansen, seinem rationalistischen Wiener Gegenpol, sehen wir in Semper, der angetreten war, die Tradition der als «Verfallsform» bezeichneten Renaissance wiederzubeleben, einen Hauptexponenten barocker Theatralik. Der schwelgerische Pomp der von ihm und Carl Hasenauer entworfenen Architektur des Wiener Kaiserforums ist uns heute fremd, und selbst seine «demokratischen» Zürcher Bauten wirken auf uns - verglichen etwa mit Gustav Albert Wegmanns einfach-klarer alter Kantonsschule - gravitätisch. Einzig die malerisch-asymmetrisch komponierte, «wahrlich poetische» Zürcher Sternwarte, der Winterthurer Rathaus-Tempel oder die ländliche Villa Garbald in Castasegna offenbaren einen schlankeren, «moderneren» Semper.
Theorie und Theatralik
Unsere Schwierigkeit mit diesem genialen Baukünstler kann zumindest teilweise aus dessen sich zwischen höfischer Karriere und Exil bewegendem Schicksal erklärt werden. Das während der unfreiwilligen Mussestunden in der Fremde angelegte und in Zürich vollendete Theoriegebäude wirkte auf den Gebieten der Typologie, des Kontextualismus, vor allem aber bezüglich des «Prinzips der Bekleidung» (und der daraus hervorgegangenen modernen Trennung von Konstruktion und Hülle) weiter bis in die Gegenwart. So konnte Harry Francis Mallgrave 1996 in seiner wegweisenden Semper-Monographie feststellen, dass sich in der Rezeption von Sempers Werk «ein Spalt öffnete (. . .) zwischen seinen stets gedankenvollen und scharfsichtigen künstlerischen Analysen und seinen historistischen Bauten, denen man nunmehr wenig Interesse entgegenbrachte». Dies nicht zuletzt wegen Sempers Neigung zum überschwänglichen Dekor, der anders als das «Schmucklose und Kahle» der von ihm kritisierten Klassizisten bei den Heroen der Moderne nur auf Ablehnung stossen konnte.
Mallgraves ganzheitlich ausgerichtete Forschungen ermöglichten eine neue Sicht dieses «Michelangelo des 19. Jahrhunderts», dessen Lehre gerade in der Schweiz über die Semper- Schule nachhaltig weiterwirkte. Das neue Interesse an Semper wird nun im Hinblick auf dessen 200. Geburtstag am 29. November durch eine grosse, vom Institut «gta» der ETH, die Sempers kostbaren Nachlass verwaltet, und dem Architekturmuseum der TH München organisierte Ausstellung vertieft, welche soeben in der Münchner Pinakothek der Moderne eröffnet wurde und Ende Jahr auch in Zürich zu sehen sein wird. Sie präsentiert Sempers Werk anhand kostbarer Pläne, Zeichnungen, Modelle sowie historischer Dokumente und Fotos in einer chronologisch- thematischen Abfolge, die allerdings das Theatralische etwas allzu sehr betont.
Schon die frühen Aquarelle antiker Tempel und der erste architektonische Entwurf für den Donner-Pavillon in Hamburg zeigen den 30-jährigen Semper als künstlerisch und entwerferisch reife Persönlichkeit. Dabei hatten seine von Ausschweifungen und Raufereien geprägten Lehr- und Wanderjahre in Göttingen, München, Paris, Italien und Griechenland kaum eine grosse Karriere ahnen lassen. Doch dann wurde er im Mai 1834 dank seinem Pariser Lehrer Franz Christian Gau und aufgrund seiner Beiträge zur damals hochbrisanten Diskussion der Polychromie antiker Bauten als Architekturprofessor an die Kunstakademie in Dresden berufen. Hier konnte er neben kleineren Arbeiten (darunter ein Schlüsselwerk der Synagogenarchitektur) zwei Bauten realisieren, die seinen Ruhm begründeten: das von römischen Vorbildern hergeleitete, zur Stadt mit einem Halbrund in Erscheinung tretende Hoftheater und die Klenzes Münchner Pinakothek verpflichtete Gemäldegalerie, die beide urbanistisch überzeugend in den sensiblen Kontext von Zwinger und Schlosskirche integriert wurden.
Demokratie und Neuabsolutismus
Nach dem gescheiterten Dresdner Mai-Aufstand von 1849, an dem er und Richard Wagner sich beteiligt hatten, floh der steckbrieflich gesuchte Semper über Paris nach London, wo er anlässlich der Weltausstellung 1851 in Paxtons Kristallpalast einige Länderkojen gestalten und ausgiebige Grundlagenforschung für seine Schriften treiben konnte, die während der Zürcher Jahre in der epochalen, das deutsche Geistesleben prägenden Kulturtheorie «Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten» kulminieren sollten. Dass Semper 1855 nach Zürich berufen wurde und dort die Architekturabteilung am neu gegründeten Polytechnikum aufbauen konnte, verdankte er nicht zuletzt seinem Freund Wagner. Hier gelang ihm mit der «Stadtkrone» des Polytechnikums, in der sich Kunst und Wissenschaften programmatisch vereinigen, ein Hauptwerk der historistischen Architektur. Der Burg des Wissens folgte mit dem Winterthurer Rathaus sein schönster Bau: ein Tempel der Demokratie: In diesem fand Semper auf der Suche nach dem Ausgleich aller Kräfte zu einer ebenso klassischen wie theoretisch komplexen Lösung, in der sich die Erkenntnisse des «Stils» niederschlugen.
In der «Republik der Vielregiererei» fühlte sich Semper aber nicht lange glücklich. Musste er doch sein Projekt für den neuen Zürcher Hauptbahnhof ebenso scheitern sehen wie die wohl in der Tradition der Villa Laurentium konzipierte Vision des neurömischen Rieter-Palasts am Zürichsee oder den Entwurf für die urbanistisch von der Piazza San Marco angeregte Neuanlage des Zürcher Kratzquartiers, das als «demokratisches Forum» zum stimmigsten historistischen Ensemble Europas hätte werden können. Umso lieber setzte Semper daher auf die alte Allianz zwischen Herrscher und Architekt (von der noch Le Corbusier träumte) und plante für Ludwig II. in München ein städtebaulich monumental angelegtes Wagner-Festspielhaus. Doch das zukunftsweisende Projekt, das auf dem refüsierten Wettbewerbsentwurf für eine Oper in Rio de Janeiro (1858), aber auch auf Wagners Theatervorstellungen basierte, blieb unrealisiert. Als dann im September 1869 das Dresdner Hoftheater niederbrannte, drängte Semper darauf, den Bau im «barocken» Hochrenaissance-Stil seines Münchner Entwurfs samt Exedra und von Dionysos gelenkter Pantherquadriga wiederaufzubauen.
Diese theatralisch überhöhte Formensprache entwickelte er in Wien weiter, wo er - 1869 zum Gutachter des grossen Museumswettbewerbs berufen - bald schon Franz Joseph von der Notwendigkeit eines Kaiserforums überzeugen konnte, das die von Hasenauer entworfenen und von Semper überarbeiteten Museen für Kunst und Natur, die Neue Hofburg sowie das Burgtheater umfasste. Dass Semper in Wien das Glück nicht fand, lag wohl weniger an den Intrigen seines ehrgeizigen Kollegen als vielmehr an der Hybris seines neuabsolutistischen Projekts. Nach Sempers überstürztem Verlassen Wiens wurden die «kolossalen Pläne für einen zusammenstürzenden Staat» (Wagner) von Hasenauer überarbeitet, so dass sich Sempers Anteil an den ausgeführten Bauten bis heute nicht exakt bestimmen lässt.
Der fulminanten Ausstellung gelingt es, den reichen Kosmos von Sempers architektonischem Gesamtkunstwerk mit überbordender Eloquenz zu veranschaulichen. Gleichzeitig entpuppt sich der sie begleitende, mit einer Vielzahl von Dokumenten und Klaus Kinolds präzisen Fotos prachtvoll illustrierte Katalog, der zusätzlich Gewicht erhält durch ein umfassendes Werkverzeichnis, als eine Fundgrube des Wissens. Feiert man Semper in München mit bayrischer Lust am Festlichen als Genius der Architektur, so wird sich hoffentlich dann Zürich seinem Œuvre nochmals anders, nämlich aus demokratisch-puritanischer Warte, annähern.
[Bis 31. August in München, anschliessend vom 1. November bis 25. Januar 2004 im Museum für Gestaltung in Zürich. Katalog: Gottfried Semper. 1803-1879. Hrsg. Winfried Nerdinger und Werner Oechslin. Prestel-Verlag, München, und gta-Verlag, Zürich, 2003. 517 S., Fr. 112.- (Euro 38.- in der Ausstellung).]
Kunstvolle Brückenschläge
Ausstellung Schweizer Bauingenieure in Princeton
Die schweizerische Ingenieurbaukunst ist international bekannt für technische und künstlerische Qualität. Einen Überblick von ihren theoretischen Anfängen an der ETH unter Culmann und Ritter bis hin zu Christian Menns raffinierten Brückenbauten gibt nun eine kleine, von einem neuen Standardwerk begleitete Ausstellung in Princeton.
Amerika ist ein Land der Brücken. Sie verbinden die Ufer der fjordartigen Buchten an der Ost- und Westküste, aber auch der riesigen Ströme des Mittelwestens. Bald staunt man über altehrwürdige Meisterwerke der Ingenieurkunst, dann wieder entsetzt man sich darüber, wie heutige Zweckbauten schöne Landschaften verschandeln. Im späten 19. Jahrhundert, einer der glorreichsten Zeiten des Ingenieurwesens, war das noch anders. Damals sahen die Amerikaner in den Brücken Symbole einer zweiten, technischen Eroberung ihres weiten Landes und in Brückenbauern wie John Roebling, dem Schöpfer der Brooklyn Bridge, oder Gustav Lindenthal, der von einer gigantischen Brücke über den Hudson River träumte, moderne Helden.
Anlässlich der Weltausstellung von 1893 in Chicago bereiste der Baustatiker Karl Wilhelm Ritter (1847-1906) die USA, um den Geheimnissen der amerikanischen Brückenbauten auf die Spur zu kommen. Sein neues Wissen brachte er in Form von Skizzen, Notizen und der 1894 erschienenen Publikation «Der Brückenbau in den Vereinigten Staaten Amerikas» an die noch junge ETH zurück, wo es von seinen Schülern - allen voran von Othmar Ammann (1879-1965) aus Schaffhausen und dem Berner Robert Maillart (1872-1940) - begierig aufgenommen wurde. Dieser sollte der Welt bald schon mit seinen Schweizer Brückenschlägen zeigen, zu welch technischer Schönheit sich Beton - etwa in der formvollendeten Salginatobelbrücke - zwingen liess. Ammann hingegen wanderte 1904 nach New York aus, wo er von Lindenthal in die neusten Praktiken des Baus grosser, stählerner Hänge- und Fachwerkbrücken eingeweiht wurde. Als oberster Brückeningenieur der New Yorker Port Authority und später in eigener Regie schuf er als Neuerer (ähnlich wie der Genfer William Lescaze im Hochhausbau) seit 1925 so innovative Werke wie die ideal proportionierte George Washington Bridge (1931) und die Verrazano Narrows Bridge (1964), deren stark vereinfachte Pylonen uns heute wie Riesenobjekte der Minimal Art erscheinen, war aber auch beratend am Bau der formal konservativeren, ihrer Lage wegen jedoch unvergleichlichen Golden Gate Bridge beteiligt.
Jahrzehnte nach Ammanns statisch und künstlerisch gleichermassen überzeugenden Arbeiten konnte unlängst in Boston erneut eine gewagte Brückenkonstruktion helvetischer Provenienz, die Bunker Hill Bridge des heute 76-jährigen Bündners Christian Menn, eingeweiht werden. Menn, der hierzulande mit den monumentalen Autobahnrampen bei Giornico und in der Mesolcina sowie der Sunnibergbrücke im Prättigau berühmt geworden ist, hat zur Überbrückung des Inner Harbor zwischen Bostons Nord End und Charlestowne eine Doppellyra geschaffen, deren «Saiten» - von zwei auf gespreizten Beinen stehenden Obelisken ausgehend - diagonal mit der Fahrbahnfläche verbunden sind. Dieser konstruktive Wurf war nun dem Princeton University Art Museum Anlass, den Schweizer Bauingenieuren eine kleine, vom Maillart-Spezialisten David P. Billington zusammengestellte Schau zu widmen. Der in Princeton lehrende Billington, einer der besten Kenner des Schweizer Brückenbaus überhaupt, skizziert dabei anhand von fünf wichtigen Persönlichkeiten gleichsam einen «Stammbaum» der Schweizer Bauingenieure.
Den Auftakt zu der vorwiegend mit Photographien, Modellen und einigen Originaldokumenten bestückten Schau machen die Studien Ritters, der neben Carl Culmann als «Vater» der ETH-Baustatik gilt. Ihm folgten Maillart und Ammann sowie, eine Generation später, Pierre Lardy, der - ähnlich wie zuvor Ritter - als Mittler an der ETH sein Wissen an die Generation von Menn und Isler weitergab. Zwar wird mit dem 1926 geborenen Zürcher Heinz Isler, der keine Brücken, sondern gewagte Schalenkonstruktionen in der Tradition von Maillart, Eduardo Torroja und Felix Candela erfand, die Einheit der Ausstellung etwas gestört. Doch ergibt dieser Bruch nicht nur aus «genealogischen» Gründen Sinn, sondern auch deswegen, weil mit Islers dünnen Gewölbeschalen ein weiteres wichtiges Gebiet der Schweizer Baustatik zum Zuge kommt
Diese Schalentechnik wirkte dann ebenso wie der Brückenbau im Werk des 1951 bei Valencia geborenen und an der ETH ausgebildeten Wahlzürchers Santiago Calatrava weiter. Dass Billington den in Ingenieur- und Architektenkreisen umstrittenen Baukünstler ebenso wenig in die Ausstellung einbezog wie den 57-jährigen Bündner Jürg Conzett, kann man als verpasste Chance bezeichnen. Gleichwohl verdient sein Überblick viel Lob, bringt er doch nicht nur den Amerikanern wichtige Kapitel des Ingenieurwesens näher - zumal die knapp gehaltene Ausstellung von einem hervorragenden, reich bebilderten biographisch- analytischen Katalog begleitet wird, der schon jetzt als Standardwerk gelten darf. Er zeigt, dass die Werke grosser Bauingenieure, deren innovative Kraft früh schon von Vordenkern wie Le Corbusier erkannt wurde, bis heute vom gleichen kreativen Anspruch erfüllt sind wie jene der Architekten.
[Bis 15. Juni im Princeton University Art Museum. Katalog: The Art of Structural Design. A Swiss Legacy. Hrsg. David P. Billington. The Princeton University Art Museum, Princeton (New Jersey) 2003. 211 S., $ 50.- (ISBN 0-300-09786-7).]
Schwebende Kisten
Zaha Hadids Contemporary Arts Center in Cincinnati
Am Wochenende wurde in Cincinnati das Contemporary Arts Center von Zaha Hadid eröffnet. Der kubisch verschachtelte, neobrutalistische Musentempel, welcher als kunsthallenartiges Ausstellungsgebäude dient, markiert eine Wende im bisher von aggressiven Formen geprägten Schaffen der in London tätigen Irakerin.
Den meisten Europäern ist Ohio nur ein weisser Fleck auf der Landkarte; und den Amerikanern bedeutet dieser Bundesstaat höchstens guter Durchschnitt. Doch für Architekturinteressierte ist das hügelige Land südlich des Eriesees ein Paradies. Denn hier trieb der baukünstlerische Dekonstruktivismus früh schon bunte Blüten: So konnte 1992 in Toledo Frank Gehrys University Art Building eingeweiht werden, welches im Kleinen bereits einen Vorgeschmack vom metallisch gleissenden Formenspiel des Guggenheim-Museums in Bilbao gab. Drei Jahre zuvor hatte Peter Eisenman in Columbus mit dem an eine aufgeschlitzte Ritterburg erinnernden Wexner Center die internationale Kritik verblüfft und sich damit den Folgeauftrag für das 1993 vollendete, an tektonische Verwerfungen erinnernde Konglomerat des Columbus Convention Center gesichert. Und selbst der postmodern angehauchte Minimalist Ieoh Ming Pei fand bei seiner Rock'n'Roll Hall of Fame in Cleveland zu beschwingten Formen. Kein Wunder also, dass seit neustem die Ohio- River-Metropole Cincinnati, die schon 1866 mit dem orientalistischen Plum Street Temple und erneut 1930 mit der Art-déco-Phantasie des Carew Tower ihren Sinn für das Aussergewöhnliche gezeigt hatte, mit exzentrischer Architektur flirtet: Konnte doch 1996 das wie ein Tatzelwurm aus Karton gefaltete Aronoff Center for Design von Eisenman, 1999 der geblähte Ziegelbau des Vontz Center von Gehry und jüngst die zeltartig überdachte Country Day School des einheimischen Blob-Architekten Michael McInturf bezogen werden.
Neobrutalismus
Im Unterschied zu diesen in parkartiger Umgebung errichteten Vorzeigebauten konnte Ohios neustes expressives Meisterwerk, das kurz Rosenthal Center genannte Contemporary Arts Center (CAC), am Wochenende mitten im dicht bebauten Zentrum von Cincinnati eröffnet werden. Damit hat nun das 1939 als kunsthallenartige Institution gegründete CAC, das seit der Präsentation von Picassos «Guernica» im Jahre 1940 mit seinen Ausstellungen immer wieder Zeichen setzte, ein würdiges Haus erhalten. Wie in den USA bei Kulturbauten - den letzten Refugien innovativer Architektur jenseits des Atlantiks - üblich, erbat man von bekannten Architekten Vorschläge für die Bebauung eines 1100 Quadratmeter grossen Grundstücks an der belebten Kreuzung von Sixth und Walnut Street gleich gegenüber von Cesar Pellis Aronoff Theater. Doch wollte das CAC nicht nur mit der Aura eines Stardesigners um Aufmerksamkeit und Spendengelder buhlen, sondern sich ebenso sehr an der kulturellen Rückeroberung des urbanen Zentrums beteiligen. Es war daher nicht zuletzt auch die präzise Auseinandersetzung mit der gewachsenen Stadt, welche die Auftraggeber dazu brachte, sich für Zaha Hadid und gegen Bernard Tschumi und Daniel Libeskind, die beiden anderen Finalisten, zu entscheiden. Die in London tätige Irakerin wich in ihrem Projekt von der bisher stets stark künstlerisch motivierten, die dynamischen Kraftlinien der (Stadt-)Landschaft bildhaft umsetzenden Recherche etwas ab und antwortete ähnlich wie einst Breuer beim Whitney Museum in New York und doch ganz anders auf die Bauvolumen der Umgebung. Entstanden ist ein hartes, skulpturales Eckgebäude, das in seiner neobrutalistischen Strenge nichts von der Selbstverliebtheit eines architektonischen Markenzeichens an sich hat und höchstens noch unterschwellige Bezüge zu Hadids aggressivem Vitra-Feuerwehrhaus in Weil am Rhein oder zur barock-frivolen Bergisel-Skisprungschanze in Innsbruck aufweist.
Dieses erste von einer Frau realisierte Museumsgebäude in den USA mag denn auch all jene irritieren, die von der Popkönigin der Architektur eher eine modische Spielerei in der Art ihrer spektakulären Innenraumgestaltungen erwartet hatten. Zumal die Entwürfe bunter, transparenter und weit bewegter aussahen als nun das vollendete Bauwerk. Ob dies mit einem Auseinanderklaffen von künstlerischer Vision und gebauter Realität zu tun hat oder ob Hadid bei ihrer ersten grossen urbanen Arbeit die Inszenierungslust im Interesse des Stadtganzen zurücknahm, werden wohl erst ihre Bauten in Rom und Wolfsburg zeigen. Interessant ist jedoch, dass dieser über einer gläsernen Eingangszone schwebende Stapel wackliger Betonkisten von innen, also von den einzelnen Galerien her gedacht ist. Hier spürt man, dass die an der AA in London ausgebildete und von Rem Koolhaas in die Geheimnisse der Baukunst eingeweihte Hadid selbst lange eine betont künstlerische Annäherung an die Architektur betrieben hat. Denn obwohl sie 1983 im Alter von nur 33 Jahren mit ihrem damals beängstigend neuartigen Projekt für den Hong Kong Peak gleichsam über Nacht zur Kultfigur aufgestiegen war, musste sie ihre explosiven Visionen noch lange im Medium der Malerei verwirklichen. Selbst nach dem Welterfolg der Vitra-Miniatur in Weil sah sie noch ihren Traum vom Cardiff Opera House schwinden, so dass nun viel Erwartungsdruck auf Cincinnatis neustem Musentempel lastete.
Ein Fest für die Augen
Gefasst von einem «Urban Carpet», der sich teppichartig von der Strasse durch das Foyer und über die nordseitige Brandmauer bis unter das Dach des Rosenthal Center zieht, scheint die kubistische Raumskulptur des Galerienturms Eisenmans Idee horizontal verschobener Gebäudeplatten ins Vertikale zu transponieren. Doch ist diese eigenwillige, nach aussen sich in Form von grauen Oberflächen aus Glas, Beton und Blech manifestierende Konstruktion, die man durchaus auch als Statement gegen die Banalität des in Amerika grassierenden Fassadendesigns interpretieren darf, weniger das Resultat formalistischer Überlegungen als vielmehr die logische Konsequenz der Unterbringung von möglichst viel Galerie-, Arbeits- und Erschliessungsraum in einem begrenzten Volumen. Ähnliche Lösungen hatte Hadid zuvor schon für ein Hotel in New York und für die Erweiterung des Londoner Victoria & Albert Museum entwickelt. Die einzelnen Galerie- Boxen, zwischen denen durch Glaswände Licht tief ins Gebäude dringt, transformieren das Museum in ein bauliches Fragment. Lange Treppenrampen erzeugen in der schmalen rückwärtigen Erschliessungszone eine piranesieske Atmosphäre, aus der heraus man in die auf vier Ebenen angeordneten Galerien entlassen wird.
Im Gegensatz zur prägnanten Gesamtform des mit einem vergleichsweise bescheidenen Gesamtbudget von gut 30 Millionen Dollar geschaffenen Gebäudes sind die in Grösse und Höhe unterschiedlichen Galerien zurückhaltend gestaltet. Die vielen Rampen und die für Hadid seit je typischen spitzen Winkel aber machen die Räume schwierig zu bespielen. Dafür wird der Spaziergang durch die höchst abwechslungsreiche Architekturlandschaft zum Raum- und Lichterlebnis. Nicht zuletzt deswegen hofft wohl Charles Desmarais, der Direktor des Hauses, dass hier Architektur und Kunst zu einem spannenden Dialog finden werden. Der mit Blick auf den prächtigen Neubau fast schon verwegen mit «Somewhere better than this place» (nach einer Arbeit von Felix Gonzalez- Torres) betitelten Eröffnungsschau jedenfalls gelingt es, die Vorteile der räumlichen Vielfalt auszuloten. Zu sehen sind in dieser politisch korrekten Mini-Documenta Werke von 33 bedeutenden Künstlern wie John Armleder, Vanessa Beecroft, Patty Chang oder Rikrit Tiravanija, welche der Condition humaine unserer Zeit nachspüren. Wichtiger als dieser fulminante Auftakt wird aber die weitere Bespielung des Neubaus sein. Mit einem Konzept, das jährlich rund 15 Ausstellungen zur zeitgenössischen Kunst und Architektur sowie zahlreiche Performances vorsieht, besitzt das Rosenthal Center ein grosses Erfolgspotenzial. Damit dürfte sich Cincinnatis neue Kunsthalle in einer zwischen Museumsboom und Sparmassnahmen hin und her gerissenen Zeit selbstbewusst behaupten können. Gerade weil der Neubau sich nicht so schillernd präsentiert, wie dies die divenhafte Architektin selbst gerne tut, überzeugt hier Zaha Hadid mehr denn je. Damit dürfte für die Irakerin just im Amerika von Präsident Georg W. Bush der Pritzker-Preis in greifbare Nähe rücken.
[Die Eröffnungsausstellung dauert bis zum 9. November.]
Ein Blick in die Zukunft?
Blob-Architektur und Klassizismus in Kopenhagen
Zwar oszilliert die vor vier Jahren an den Ufern des Inderhavnen eingeweihte Erweiterung der Königlichen Bibliothek von Schmidt, Hammer & Lassen zwischen dekonstruktivistischen und altägyptischen Formen. Doch abgesehen von diesem «Schwarzen Diamanten» mit seinen schrägen Wänden aus glatt poliertem Granit sind alle wichtigen Neubauten rund um Kopenhagens alten Hafen von streng klassischer Form: Arne Jacobsens Nationalbank mit ihrer noblen Eingangshalle ebenso wie der von diesem Bau beeinflusste, minimalistische Würfel des Nykredit-Hauptsitzes, der ebenfalls von Schmidt, Hammer & Lassen stammt, oder die spätmoderne Säulenhalle der sechsteilig aus den Fluten sich erhebenden Unibank von Henning Larsen. Sie alle zeugen davon, dass in Kopenhagen die klassizistische Tradition von Harsdorff, Hansen oder Hetsch bis heute das architektonische Selbstverständnis bestimmt.
Umso mehr strebt das im Gammel Dok, dem wohl schönsten Speicherhaus der Stadt, ansässige «Dansk Arkitektur Center» nach einer Öffnung des auf eine einfach-funktionalistische Baukunst eingeschworenen dänischen Architekturdiskurses. Im Sinne einer Horizonterweiterung stellt es zurzeit in der Ausstellung «Futures 2 come» sogenannte Blob-Architektur vor, deren theoretische Grundlagen in jüngster Zeit vor allem von jungen amerikanischen Büros erarbeitet wurden. Die auf einer topologischen Geometrie beruhenden neoorganischen Bauten und Projekte wurden durchwegs am Computer kreiert. Zu sehen sind die vor drei Jahren von Lynn, Garofalo und McInturf in Queens realisierte Koreanische Kirche, aber auch Projekte wie das BMW-Zentrum in Leipzig von Reiser & Umemoto, das «Fluxmuseum» von Asymptote, das «Cine» von Hariri & Hariri oder das «Resi-Rise»-Gebäude von Kolatan Mac Donald. Diese Arbeiten dienen als Einstimmung auf die Präsentation des Wettbewerbs für das neue Musikhaus von Aalborg, das nach den Plänen von Coop Himmelb(l)au bis 2006 realisiert werden soll. Durch dieses in den Sphären der Virtualität bereits realisierte, ebenfalls einem organischen Neujugendstil verpflichtete Projekt kann man sich dank einem 3-D-Film schon jetzt bewegen. Ausserdem werden die Pläne und Ansichten dieser Arbeit sowie der nächstrangierten Wettbewerbsbeiträge von Zaha Hadid und Henning Larsen vorgestellt.
Fand Larsen in seinem Entwurf für das Aalborger Musikhaus an den Ufern des Kattegats zu bewegten, entfernt dem Geist der fünfziger Jahre verpflichteten Formen, so baut er gegenwärtig auf der vor Schloss Amalienborg gelegenen Hafeninsel Dokøen eine monumentale zeitgenössische Tempelarchitektur: das von einem an Nouvels KKL erinnernden Flugdach bekrönte Kopenhagener Opernhaus. Wegen seiner prominenten Lage lange Zeit heftig umstritten, soll das nun schnell wachsende Gebäude im Jahr 2005 rechtzeitig zum 80. Geburtstag des dänischen Altmeisters vollendet sein. Gleichsam als Absage an organisch-topologische Phantasien wird dieser Monumentalbau dann einmal mehr bestätigen, dass Kopenhagen allen modischen Versuchungen zum Trotz seine klassisch geprägte Identität in die Zukunft zu retten sucht.
[Die Ausstellung im Dansk Arkitektur Center dauert noch bis zum 9. Juni. Kein Katalog.]
Modernde Moderne
Hoffnung für das Teatro San Materno in Ascona?
Durch immergrüne Magnolien glänzt das leicht erhöht am Eingang nach Ascona gelegene Teatro San Materno im Frühlingslicht, als sei es erst vor kurzem hier errichtet worden. Beim Näherkommen aber ändert sich das Bild: Modrige Mauern, bis auf die rostenden Armierungseisen ausgezehrte Balkone, eingeschlagene Fenster und Graffiti zeugen von fortschreitendem Verfall und mutwilliger Zerstörung. Dabei handelt es sich bei dem 1927/28 vom Bremer Architekten Carl Weidemeyer verwirklichten Privattheater um den ersten klassisch-modernen Kulturbau unseres Landes. Zusammen mit Emil Fahrenkamps Hotel «Monte Verità», das unlängst saniert und für den Kongressbetrieb der ETH umgenutzt werden konnte, ist es darüber hinaus das erste Beispiel neuen Bauens im Tessins, ja in der italienischsprachigen Welt. Wurde es doch zeitgleich mit Alberto Sartoris' unrealisiertem Projekt für ein Avantgardetheater entworfen und ein Jahr vor Giuseppe Terragnis Novocomum vollendet.
Neues Bauen im Tessin
Während das touristische Tessin sich gern als Land der Architekten anpreist, scheint Ascona bis heute Schwierigkeiten mit seiner «nordischen Importware» zu haben. So wurden die meisten Häuser, die Weidemeyer in den frühen dreissiger Jahren auf der Collina und am See errichtet hatte, umgebaut oder gar zerstört. Einzig die Villa Oppenheimer konnte ihr Aussehen bewahren; und völlig unverändert, wenn auch ruinös ist das Teatro San Materno auf uns gekommen. Dieses Schlüsselwerk veranschaulicht Weidemeyers Auseinandersetzung mit dem neuen Bauen, mit dem sich der lange von der Nationalromantik faszinierte Künstlerarchitekt auf der Stuttgarter Weissenhof-Ausstellung im Spätsommer 1927 vertraut gemacht hatte. Kurz darauf wurde er vom Brüsseler Industriellen Paul Bachrach eingeladen, das Castello San Materno in Ascona umzubauen, in welchem Bachrachs Tochter, die Tänzerin Charlotte Bara, seit drei Jahren lebte. Diese beauftragte Weidemeyer sogleich mit dem Bau des kleinen Teatro San Materno, das bereits im Jahr darauf bezogen werden konnte.
Auf dem abschüssigen Gelände errichtete Weidemeyer einen schachtelartigen Theatersaal und fügte an dessen Nordseite einen vom Castello aus über zwei Treppen erreichbaren apsisförmigen Halbzylinder an, der als Eingang, Foyer und Aufgang zur Empore dient. Während die Nebenräume und ein Studio in den westlichen Steilhang hineingebaut sind, schliessen zwei weitere Ferienwohnungen das einst für Tanzaufführungen genutzte Flachdach gegen Süden ab. Über halbkreisförmig geführte Treppen gelangt man durch den kleinen, formal angelegten Garten direkt zu den Wohnungen. Sie sind es, die das Aussehen des ursprünglich zartgelb gestrichenen und durch petrolgrüne Fensterrahmen akzentuierten Gebäudes bestimmen, so dass es von aussen eher einem grossen Atelierhaus als einem Theater mit 100 Sitzplätzen gleicht.
Diese Tatsache verdeutlicht, dass es Weidemeyer nicht um einen nüchternen Funktionalismus ging. Vielmehr versuchte der auch als Künstler tätige Architekt, eine malerische Antwort auf die in Stuttgart studierten Bauten zu geben, indem er die neue Architektursprache in einer vom Erscheinungsbild her geprägten, künstlerischen Weise einsetzte. Abgesehen vom Sonnendeck der Dachterrasse, dem eine klar definierte Aufgabe zukam, setzte er Le Corbusiers Schiffsmetaphern und Mendelsohns Stromlinienformen vorab dekorativ ein. Mit Stützmauern und loggienartigen Balkonen erwies er aber auch der lokalen Bautradition seine Reverenz und fand so zu einer frühen Form der regionalistischen Moderne, die Parallelen zu Terragnis Novocomum oder zur «Bauhausarchitektur» von Tel Aviv aufweist.
Vordringliche Renovation
Charlotte Bara nutzte das Theater bis Ende der fünfziger Jahre. Später ging das 1970 behelfsmässigen restaurierte Gebäude an die Gemeinde Ascona, die es langsam verfallen liess. Als 1996 auf Initiative des Historikers Wolfgang Oppenheimer die Weidemeyer-Stiftung in Ascona gegründet und der Nachlass für das Museo Communale gesichert werden konnte, war der Zustand dieser Ikone der Moderne bereits besorgniserregend. Dann kam vorübergehend Bewegung in die Sache: Die Gemeinde beauftragte den Architekten Guido Tallone, der sich in den siebziger Jahren mit skulpturalen Betonbauten, später aber mit kontextuellen Arbeiten einen Namen gemacht und damals gerade die malerische Dorfkirche von Maggia vorbildlich erneuert hatte, mit der Ausarbeitung eines Restaurierungsprojekts.
Zusammen mit einem Team von Spezialisten analysierte Tallone den Istzustand des kleinen Bauwerks und spürte der ursprünglichen Farbgebung des auf alten Schwarzweissabbildungen immer strahlend weissen, in Wahrheit aber zart polychromen Gebäudes nach. Um das Theater mit seinem bordeauxroten Saal den heutigen Anforderungen anzupassen, entwarf Tallone neue Räume für Technik und Verwaltung sowie Schauspielergarderoben, die er hinter den bestehenden Stützmauern oder direkt im Hang verwirklichen möchte. Der Theatersaal und die Wohnungen können dereinst wieder mit dem Originalmobiliar ausgestattet werden, das Tallone bei seiner Bestandesaufnahme vorfand und ausbauen liess.
Im März 2000 legte Tallone sein auf 3,7 Millionen Franken veranschlagtes Restaurierungsprojekt vor. Doch konnte sich die Gemeinde bis heute nicht zu einer Sanierung durchringen - und dies obwohl die im Herbst 2001 in Ascona veranstaltete und soeben auch in Venedig mit Erfolg gezeigte Weidemeyer-Retrospektive ein breites Interesse am Schaffen dieses Künstlerarchitekten deutlich machte. Nachdem der Kanton Tessin und der Bund Ende 2002 zusammen rund 1,3 Millionen Franken für die Restaurierung in Aussicht gestellt haben, könnte nun das reiche Ascona mit geringem Aufwand zu einem baukünstlerischen Juwel von internationaler Bedeutung kommen. Bis jetzt wollten die Politiker das Geld für die Renovation aber nicht bewilligen, mit der fadenscheinigen Begründung, zuerst müsse die Nutzung definiert und deren Finanzierung gesichert sein. Dabei wäre die Rettung des Gebäudes das Vordringlichste. Was in Bellinzona und Chiasso mit dem Teatro Sociale und dem Cinema Teatro gelang, sollte doch auch in Ascona möglich sein. Leise Hoffnung weckt nun ein neuer, finanziell realistischer Nutzungsvorschlag, der neben Tanz- und Theateraufführungen auch Konzerte und Tagungen vorsieht, wobei eine Zusammenarbeit mit Bellinzona und Chiasso, aber auch mit dem ETH-Kongresszentrum denkbar wäre. Sollte dieser Vorschlag im Gemeinderat auf taube Ohren stossen, so wäre mit dem Teatro San Materno ein Gesamtkunstwerk der «Monte- Verità-Kultur» ernsthaft in Gefahr.
Architektonische Inflation
Neue Bauten von Herzog & de Meuron
Es ist noch gar nicht lange her, da machte uns das Ansehen der Schweizer Architekten im Ausland fast ein wenig stolz. Als dann aber Botta bald in Tokio, San Francisco oder Athen Neubauten einweihen konnte, gewöhnten wir uns schnell an die Erfolge, und der Tessiner wurde von den Basler Künstlerarchitekten Herzog & de Meuron als Medienliebling abgelöst. Nun darf jedoch - so scheint es - kaum mehr eine Woche vergehen ohne Neuigkeiten vom Rheinknie: Auf die Fertigstellung der Tate Modern folgten die Rue-des- Suisses-Wohnhäuser in Paris, das Rehab und das «Joggeli» in Basel, aber auch Aufträge in Spanien, eine Retrospektive in Montreal sowie die siegreichen Projekte der Münchner Allianz-Arena und des Nationalstadions in Peking (wo Botta übrigens ein Museum bauen soll).
Die immer wieder anders in Erscheinung tretende und daher medial hochwirksame Architektur von «HdeM» könnte das Feuilletonpublikum aber bald ermüden, sollen doch nur kurz nach dem zartfarbenen Laban Centre in London weitere hochkarätige «HdeM»-Bauten eröffnet werden: am 25. Mai das einem neuartigen Museumskonzept verpflichtete Schaulager in Basel, am 7. Juni im schicken Aoyama-Quartier von Tokio der zwischen einem Kristall und einer Bienenwabe oszillierende «Epicenter Store» des Modehauses Prada und Ende Sommer die Erweiterung des Kunsthauses Aarau, dem später die Universitätsbibliothek in Cottbus und ein Geschäftsbau in Basel folgen.
Zumindest hierzulande wird das Basler Kunstlager alles andere überstrahlen. Dabei liesse sich gerade am Beispiel des Prada-Hauses darüber nachsinnen, wie längst selbst zur Marke gewordene Architekturbüros sich immer häufiger für das Branding von zeitgeistigen Projekten - vom Mode- bis zum Musentempel - einsetzen lassen und so dank wachsender Nachfrage letztlich die baukünstlerische Inflation anheizen. Dass dies früher oder später zum Problem für das Luxuslabel «HdeM» werden könnte, zeigte jüngst der Helvetia-Patria-Neubau in St. Gallen, der in den Schweizer Medien auf wenig Resonanz stiess. Doch dieser heimische «Botta-Effekt» muss vorerst die Basler wenig schrecken: Dank dem spektakulären Modejuwel in Tokio, dem De Young Museum in San Francisco und dem Forum 2004 in Barcelona, die alle der Vollendung entgegengehen, dürften die Global Player aus der Schweiz in Zukunft ohnehin vermehrt vor einer internationalen Fangemeinde spielen.
Baukunst auf Papier
Architekturzeichnungen des 20. Jahrhunderts in Frankfurt
Im Verlaufe der letzten siebzig Jahre und mit einem besonderen Effort in jüngster Zeit hat das Museum of Modern Art in New York eine breit gefächerte Sammlung von Architekturzeichnungen des 20. Jahrhunderts zusammengestellt. Eine Auswahl der bedeutendsten Blätter ist nun in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle zu sehen.
Die explodierende Weltlandschaft von Zaha Hadid wirkt auf den ersten Blick wie eine Computerdarstellung. Dabei handelt es sich um ein Acrylgemälde, das die Künstlerarchitektin 1991, Jahre nach dem Scheitern ihres legendären Klubhaus-Projektes für den Hongkong-Peak, ausführte. Seither hat der Computer den entwerferischen Alltag der Architekten derart verändert, dass es möglich geworden ist, am Rechner Präsentationen von ungebauten Werken zu generieren, die wie Fotos eines realen Zustandes aussehen. Gleichwohl dürfte der Computer kaum den Tod der Architekturzeichnung bedeuten. Denn Architekten wie Hadid werden auch in Zukunft ihre künstlerischen Neigungen ausleben wollen; und die schnell auf ein Stück Papier notierte Ideenskizze wird weiterhin wichtig bleiben. Kurz: die Gattung der Architekturzeichnung, die vom flüchtigen Entwurf über den exakten Plan bis hin zur Utopie reicht, dürfte ebenso Bestand haben wie die Architekturphotographie, die heute im Werk von Fotokünstlern wie Andreas Gursky, Candida Höfer, Thomas Ruff oder Hiroshi Sugimoto neue Triumphe feiert.
Der Architekt als Visionär
Obwohl man Architekturdarstellungen bereits von pompejanischen Wandmalereien, mittelalterlichen Illuminationen, gotischen Kirchenfenstern oder ostasiatischen Rollbildern her kennt, begegnet man den eigentlichen, auf ein bestimmtes Projekt oder eine Idealvorstellung bezogenen Architekturzeichnungen in grösserer Zahl erst seit der Erfindung der Zentralperspektive in der Renaissance - auch wenn mit dem St. Galler Klosterplan als «weltweit ältestem Bauplan» eine Darstellung aus dem frühen 9. Jahrhundert auf uns gekommen ist. Schon Vasari sammelte Architekturzeichnungen. Doch erst im 18. Jahrhundert stiegen sie dank Piranesi, den französischen Revolutionsarchitekten und den Akademien zur eigenständigen Gattung auf. Ihre hohe Zeit war zweifellos das 19. Jahrhundert mit seiner raffinierten Darstellungskultur, die in Schinkels Visionen eines Königspalastes auf der Akropolis einen Perfektionsgrad erreichte, von dem in den achtziger Jahren postmoderne Architekten wie Leon Krier oder die «Analogen» an der Zürcher ETH um Rossi, Reinhart und Šik nur träumen konnten und der auch neben computergenerierten Bildern mit Leichtigkeit bestehen kann.
Im frühen 20. Jahrhundert wurden die Jugendstilornamente von Hoffmann, Horta oder Mackintosh bald schon abgelöst durch expressionistische Darstellungen von Poelzig oder Bruno Taut, denen wiederum puristische und konstruktivistische Phantasien folgten. Seither avancierte die schnelle Skizze zum Inbegriff der künstlerischen Genialität - wie dies Frank Gehrys Strichknäuel oder Rafael Viñolys nervöse Schraffuren in der soeben eröffneten Ausstellung «Visionen und Utopien - Architekturzeichnungen aus dem Museum of Modern Art» in der Frankfurter Schirn Kunsthalle zeigt. Dort ist in einem stimmungsvollen, von Ben van Berkel mit dynamisch geschwungenen Schwebewänden unterteilten Saal eine Auswahl von knapp 200 kostbaren Architekturzeichnungen aus den an Highlights reichen Beständen des New Yorker Kunstinstituts zu sehen. Diese Vielzahl von Meisterwerken erstaunt, denn das MoMA, das in seiner Architekturabteilung lange vor allem auf Fotos und Modelle setzte, entdeckte die Architekturzeichnung eher spät. Zwar wurden schon anlässlich der pionierhaften «International Exhibition» von 1932 zwei von Le Corbusier kolorierte Lithographien des Pariser «Pavillon Suisse» erworben, doch bis in die achtziger Jahre machten vor allem die 18 000 Nummern des Archivs von Mies van der Rohe, einige prachtvolle Zeichnungen von Louis Kahn, Oscar Niemeyer und Eero Saarinen sowie mehrere von Philip Johnson geschenkte Collagen Raimund Abrahams und Hans Holleins die Bedeutung dieser Zeichnungssammlung aus. - Gewichtige Zugänge in jüngster Zeit - darunter Blätter von Architekten, die zu Ausstellungen eingeladen waren, sowie die Schenkung der in den späten siebziger Jahren zusammengestellten, gut 200 Arbeiten von visionärem Charakter umfassenden Howard Gilman Collection - liessen die Ausstrahlung der MoMA-Bestände schnell anwachsen. Gerade das vor drei Jahren übergebene Gilman-Konvolut, das im vergangenen Winter im MoMA Queens gezeigt wurde (NZZ 5. 12. 02), vermag durch seine utopischen Arbeiten von Buckminster Fuller, Archigram, Superstudio oder Rem Koolhaas zu begeistern. In der Frankfurter Schau ist diesen «Visionen» ein eigener Bereich zugeteilt worden. Dort findet sich aber auch ein bereits 1981 als eine der ersten utopischen Darstellungen in die MoMA-Sammlung eingegangenes Blatt des SITE-Architekten James Wines, das eine zehngeschossige Stahlbetonstruktur zeigt, auf deren einzelnen Etagen Einfamilienhäuser mit Vorgärten stehen. Damit nimmt Wines auf ironische Weise die Verdichtungsvorschläge des Rotterdamer Trendbüros MVRDV vorweg, das mit den gestapelten Landschaften des holländischen Pavillons an der Expo 2000 in Hannover Berühmtheit erlangte und nun auch mit Rezepten für eine neu zu gestaltende Schweiz aufwartet.
Als Kunstwerke inszeniert
Die Schau will aber weder Theorien noch Ideologien veranschaulichen. Vielmehr zelebriert sie die Architekturzeichnungen als eigenständige Kunstwerke in einer eher willkürlich anmutenden Gliederung, die neben den «Visionen» auch Themenbereiche wie «New York» (mit einem hervorragenden Blatt von Paul Rudolph), «Wohnhäuser», «Gedenkstätten» oder «Zentren der Kultur» umfasst. Anders als der attraktive Katalog, der eine ruhige Chronologie von Wagner und Wright bis Ando, Botta und Tschumi bietet, sorgt diese Hängung für spektakuläre Gegenüberstellungen, wenn etwa die expressive Kreidezeichnung des Friedrichstrasse-Hochhauses von Mies van der Rohe auf die Darstellung des kubischen Palazzo della Civiltà Italiana von Ernesto Bruno La Padula trifft - ein Temperagemälde, das in jeder Surrealistenschau zum Blickfang würde.
Verglichen mit staatlichen oder städtischen Bauarchiven und den Sammlungen Technischer Hochschulen oder Institutionen wie des Londoner RIBA, nehmen sich die MoMA-Bestände noch immer bescheiden aus. Sie bestechen aber durch ihre Qualität und ihr breites Spektrum, auch wenn weiterhin grosse Lücken klaffen. Diese im Hinblick auf einen gültigen Überblick über die Architekturzeichnung im 20. Jahrhundert zu schliessen, wird künftig neben dem Zusammentragen von Papierarbeiten und Computerbildern zeitgenössischer Baukünstler eine der Hauptaufgaben des MoMA sein. Da viele Architekten ihre Zeichnungen ungern verkaufen (die Galerieausstellung von Herzog & de Meuron 1997 bei Peter Blum in New York war eine Ausnahme, die diese Regel bestätigt), hängt die Sammlungspolitik auch künftig von einer aktiven Ausstellungstätigkeit ab. Gerade aber auf diesem Gebiet setzt das MoMA seit siebzig Jahren Massstäbe.
[Bis 3. August. Katalog: Visionen und Utopien. Architekturzeichnungen aus dem Museum of Modern Art. Hrsg. Museum of Modern Art. Prestel-Verlag, München 2003. 256 S., Fr. 111.- (die Paperbackausgabe in der Ausstellung kostet Euro 29.-).]
Fremde Federn
Neue Architektur für die Touristenmetropole Innsbruck
Die Fremdenverkehrsstadt Innsbruck galt lange Zeit als architektonisch konservativ. Seit einigen Jahren werden nun aber - oft gegen heftigen Widerstand - zeitgenössische Interventionen in der Innenstadt durchgeführt. Am auffälligsten sind drei vor wenigen Monaten eingeweihte Vorzeigebauten international bekannter Architekten.
Die kreative Szene Österreichs steht zurzeit im Banne der europäischen Kulturhauptstadt Graz. Die steirische Metropole trumpft nicht nur mit Musik, Theater und Kunst auf; sie zelebriert auch die Architektur: Schon jetzt, vier Monate vor der Eröffnung, sorgt das neue Kunsthaus von Peter Cook und Colin Fournier, dessen Plastic-Hülle an ein Herz mit abgetrennten Aorten erinnert, für Aufregung - und dies nicht nur seiner Form wegen. Viele wundern sich nämlich, dass die Aufträge zu diesem Musentempel und zur ebenfalls im Hinblick auf das Kulturjahr 2003 von Vito Acconci realisierten Insel in der Mur an internationale Stars vergeben wurden, wo doch die Grazer Schule seit Günther Domenig mit ebenso exzentrischen Architekten aufwarten kann. - Ganz anders in Innsbruck, der gut 120 000 Einwohner zählenden Hochburg des österreichischen Wintersports. Dort fristete die Baukunst lange Zeit ein Schattendasein. Doch dann erkannte die Tiroler Landeshauptstadt, die seit den Olympischen Winterspielen von 1964 und 1976 weltweit mit Sonne, Schnee und Goldenem Dachl gleichgesetzt wird, dass sie für das touristische Marketing neue Zeichen braucht - auch bauliche. Zu einem solchen kam sie gleichsam über Nacht, als die altersschwache Skisprunganlage auf dem Bergisel, der durch die Tiroler Freiheitskriege und mehr noch durch die Vierschanzentournee bekannt gewordenen Anhöhe über Innsbruck, durch einen Neubau von Zaha Hadid ersetzt wurde.
Diese spektakuläre neue Schanze war nur möglich geworden, weil die Verantwortlichen nach vielem Hin und Her die Notwendigkeit eines Wettbewerbs einsahen. Zu diesem wurden 1999 ausser Hadid auch die aus Tirol stammenden Wahlwiener Dieter Henke und Marta Schreieck sowie Jürg Conzett aus Chur eingeladen. Erstaunlicherweise konnte sich die in London tätige Irakerin, welche den bisher meist als rein funktionale Bauaufgabe angesehenen Schanzenbau zu einer Frage des Designs machte, mit ihrem schwierigen Projekt durchsetzen. Realisiert wurde Hadids einprägsamer Entwurf, der die optimistisch-frivole Sprache der fünfziger Jahre zu perfektionieren scheint, mit der kreativen Unterstützung des Innsbrucker Bauingenieurs Christian Aste. Blickfang dieses ingenieurtechnisches Können und baukünstlerische Phantasie vereinenden Juwels der Sportarchitektur ist die bedrohlich weit auskragende, entfernt an die Kabine einer Schwebebahn erinnernde Kanzel, in der sich ein rundum gläsernes Aussichtsrestaurant befindet. Elegant wird sie vom kantigen Erschliessungsschaft und von der geschwungenen Sprungschanze in den Himmel gestemmt, so dass die 48 Meter hohe skulpturale Konstruktion weithin als neues Wahrzeichen der Stadt und als medial wirksames Aushängeschild des immer populärer werdenden Skispringens in Erscheinung tritt. Gleichzeitig veranschaulicht sie aber auch eine Entwicklung im Schaffen der Architektin vom aggressiv zersplitterten Dekonstruktivismus hin zu einer organischeren Form.
Seit einem halben Jahr wacht Hadids Bauskulptur nun schon wie eine Heilige des Wintersports über der Stadt und gibt jedem, der mit dem Zug in Innsbruck ankommt, bereits von weitem zu verstehen, dass ein neuer Geist durch das traditionsbewusste Touristenmekka weht. Noch mehr Aufbruchstimmung schlägt einem entgegen, wenn man dann die Grossbaustelle des neuen Hauptbahnhofs betritt, der bereits im nächsten Jahr nach den Plänen der Grazer Shootingstars Florian Riegler und Roger Riewe vollendet sein soll. Für dieses Projekt kam die jüngst vom Architekturforum Tirol durchgeführte «Hochhausstudie» (www.hochhausinnsbruck.at) zu spät, so dass am Hauptbahnhof noch kein Himmelsstürmer als «spezielle Ausnahme» in Erwägung gezogen werden konnte. Hochhausgegnern dürfte das recht sein; und vielleicht werden einige in der 75 Meter langen Bahnhofshalle sogar einen gefällten Turm sehen - eine Vorstellung, die noch immer zum Image der Innsbrucker zu passen scheint.
Tiroler Aufbruch
Trotz einigen Neubauten in Bahnhofsnähe misstraut nämlich die lange von der Fiaker- und Hofburgkultur geprägte Stadt, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs alles daransetzte, um ihr zwischen Mittelalter, Barock und Gründerzeit oszillierendes Erscheinungsbild wiederherzustellen, im Grunde bis heute der modernen Architektur, auch wenn die Tiroler Baukünstler - wohl wachgerüttelt durch die Entwicklungen in Vorarlberg und in Graubünden - in jüngster Zeit viel Terrain gutmachen konnten. Noch Mitte der achtziger Jahre stellte nämlich das graue Oktogon von Raimund Rainers Gastspieltheater «Treibhaus» im parkartigen Restraum hinter der Jesuitenkirche eine Provokation dar. Denn selbstbewusste Neubauten hatte man bis dahin nur in den Aussenquartieren toleriert. Dort trifft man auch auf ganz neue Arbeiten wie die grossstädtisch anmutenden Wohnsiedlungen des Vorarlberger Erfolgsbüros Baumschlager & Eberle oder das von einer gläsernen Membran umgebene BTV-Verwaltungsgebäude, das die ortsansässigen Architekten Johann Obermoser und Helmut Reitter vor kurzer Zeit am Langen Weg, einer historischen Ausfallachse, vollenden konnten.
Obermoser war es auch, der 1991 zwischen der Badgasse und dem Innufer im historischen Zentrum eine präzise Reparatur eines «fragmentarischen Stadtraums» durchführte. Zum Fluss hin zeigt der Neubau, der einen alten Kern umschliesst, eine bildhaft flache, grau verputzte Schaufassade, deren kleiner Glasvorbau die in der Altstadt beliebten Erker neu interpretiert. Von Obermosers Können profitierten daraufhin Henke & Schreieck, die ihn als Partner vor Ort für die Realisierung ihres «SOWI» genannten Neubaus der renommierten sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck gewinnen konnten. Der vor vier Jahren eingeweihte, formal noch gewisse Unstimmigkeiten eines Frühwerks aufweisende Gebäudekomplex erhebt sich - umgeben von Hofgarten, Landestheater und Jesuitenkirche - auf dem ehemaligen Kasernenareal. Zwischen einem an die Universitätsstrasse vorgeschobenen Solitär und dem L-förmigen Hauptbau, der formal aggressiv nach Osten und Süden ausgreift und an der Knickstelle eine amöbenartige Fassadenwellung aufweist, weitet sich ein von Studenten belebter Platz, den man als städtebaulichen Wurf bezeichnen kann.
Urbanistisch überzeugt auch Peter Lorenz' siebengeschossiger Neubau des Kaufhauses Mair an der zentralen Colingasse. Dass dieses harte Gebäude mit den modisch lithographierten Betonplatten und der zur Bürgergasse hin vorgestellten Glasfassade auf Ablehnung stiess, überrascht kaum. Dennoch wäre es zu begrüssen, wenn die als riesige Vitrine konzipierte Kaufhauserweiterung möglichst bald vollendet werden könnte. Handelt es sich hier doch um einen gezielten Eingriff, der durchaus verglichen werden darf mit dem viel grösseren, aber ebenfalls in einen gewachsenen Kontext (den des Landeskrankenhauses nämlich) eingefügten Medizinalzentrum von Michael Loudon und Paul Katzberger. Der im Jahr 2001 vollendete sechsgeschossige Grossbau mit seiner modernistisch-abstrakten Fassade aus hellem Kalkstein, Stahl und Glas, die bald an Terragni, bald an Alejandro de la Sotas Regierungsgebäude in Tarragona erinnert, birgt zwei Lichthöfe. Diese verleihen dem Empfangsbereich mit Café und Wintergarten die angenehme Atmosphäre eines Hotels und sorgen für gut belichtete Zimmer und Arbeitsräume.
Findling und Miniaturhochhaus
Die selbstbewusste städtebauliche Rhetorik des Medizinalzentrums lässt die 1927 an der Salurner Strasse vollendeten moderat modernen Stadtwerke des lange in Innsbruck tätigen Lois Welzenbacher geradezu bescheiden wirken. Dabei gab deren neungeschossiger Verwaltungsturm einst Anlass zu Innsbrucks erstem Hochhausstreit. Jetzt aber sorgt ein dunkler, enigmatischer Findling im Hof der Stadtwerke für Irritation: das anthrazitfarbene Umspannwerk Mitte von Ben van Berkel, dem heute neben Rem Koolhaas wohl wichtigsten holländischen Architekten. Dass man in Österreich solchen Infrastrukturbauten eine architektonische Bedeutung beimisst, ist Salzburg zu verdanken, wo in den frühen neunziger Jahren dank einem günstigen architektonischen Klima so exotische Blüten wie das Umspannwerk von Bétrix und Consolascio gedeihen konnten. Damals beschäftigte sich auch van Berkel mit einem Umspannwerk, und zwar für Amersfoort. Das gab ihm jenes Know-how, dank dem er sich 1996 den Innsbrucker Wettbewerb und damit seinen ersten internationalen Auftrag sichern konnte.
Der Holländer fügte die einzelnen Volumen der Transformatoren-, Schalt- und Arbeitsräume additiv aneinander und schuf so einen unregelmässigen Betonkörper, über den er - einem Neoprenanzug gleich - eine fast samtige Hülle aus Basalt stülpte, wodurch eine organisch-topologisch anmutende Aussenform entstand. Das erstarrte Vulkangestein diente ihm als architektonische Metapher der Transformation von Energie - ähnlich den Kupferbändern, welche Herzog & de Meuron zuvor schon als Fassadenschutz ihrer Stellwerke nutzten. Während die Basler damit die Frage nach der Bekleidung eines Stellwerks auf eine überzeugende, bildhaft-narrative Weise beantworteten, wirkt van Berkels Lösung etwas aufgesetzt, vor allem an der Südwestecke, wo die Hülle über den Fensterbändern so aufgeschlitzt wird, dass sich die einheitliche Oberfläche plötzlich in ein banales Steinfurnier verwandelt.
Gibt sich das amorph wirkende Umspannwerk seiner Natur gemäss verschlossen, so ist mit den «Rathausgalerien» im Herzen Innsbrucks eine ebenso öffentliche wie offene Architektur entstanden. Das Projekt des durch die Pariser Bibliothèque Nationale de France bekannt gewordenen Dominique Perrault wurde 1995 in einem Wettbewerb gekürt, zu dem auch Günther Domenig, Aurelio Galfetti und Massimiliano Fuksas eingeladen waren. Der mit viel Fingerspitzengefühl zwischen alte Stadthäuser eingefügte, aus dem neuen Rathaus und einer Ladenpassage bestehende Baukomplex vermag aller lokalen Kritik zum Trotz architektonisch und urbanistisch zu überzeugen. Von der Maria-Theresien-Strasse her betritt man die transparent gestaltete Stadt in der Stadt durch die Portalanlage des barocken Rathauses. Am neu gestalteten Adolf-Pichler-Platz, der von schönen Gründerzeitbauten gerahmt wird, setzt hingegen der gläserne Eckbau des Hotels «Penz» einen zeitgenössischen Akzent. Nur von hier aus ist auch der 37 Meter hohe Glasturm zu sehen, dem Peter Koglers bald an Brice Marden, bald an Fernand Léger erinnernde Serigraphien einen Hauch von «Metropolis» verleihen. Exakt über dem Achsenkreuz der Einkaufsgalerie placiert, dient der Turm dem neuen Rathaus als vertikale Erschliessung. Von seiner Aussichtsplattform und dem anschliessenden Café aus geht der Blick auf den zweiten neuen Turm der Stadt: Zaha Hadids organisch-skulpturale Sprungschanze auf dem Bergisel, die sich anders als Perraults verstecktes Miniaturhochaus ganz selbstbewusst zur Schau stellt.
Bezug zur Alpenlandschaft
Mit den in der Höhe abgestuften «Rathausgalerien», die auf die Topographie der Alpenlandschaft zu antworten scheinen, hat Perrault gleichsam die «Urbanissima» genannte Variante des von der Innsbrucker Hochhausstudie vorgeschlagenen innerstädtischen Hochhauskonglomerats vorweggenommen. Die kühle Intervention aus Stahl und Glas, der eisblaue Wände und fast wie das Goldene Dachl glänzende Sonnenblenden eine heitere Note verleihen, überzeugt durch Klarheit und Abstraktion, lässt aber dennoch Leben zu. Innsbruck jedenfalls hat mit diesem Ende 2002 eingeweihten innerstädtischen Einkaufs- und Flanierbereich einen attraktiven halböffentlichen Raum erhalten.
Baukünstlerische Höhenwege
Hugh Pearman sichtet die „Weltarchitektur“ von heute
Das Buch ist gewichtig, zumindest bezüglich seines Umfangs: Auf über 500 Seiten und anhand von mehr als 1000 zumeist kleinen bis winzigen Farbabbildungen versucht darin der englische Architekturkritiker Hugh Pearman einen Höhenweg der «Weltarchitektur» von heute zu skizzieren. Der gewaltige Stoff, welcher 600 Bauten bekannter Architekten aus den letzten 20 Jahren umfasst, wird von Pearman in 13 Kapitel gliedert: von Kultur- und Konsumbauten über Wohn- und Bürohäuser bis hin zu Verkehrs- und Freizeitanlagen. Die Unterteilung in Gebäudekategorien erlaubt spannende Quervergleiche. Sie führt aber auch zur Vermischung der unterschiedlichsten Architektursprachen, wodurch ein chaotisches Bild entsteht, das manchen Leser irritieren dürfte. Doch damit reflektiert die Auswahl im Grunde nur jene Beliebigkeit, an der die Architektur aufgrund des seit Jahren herrschenden Pluralismus krankt - zumal die angelsächsische, welcher Pearmans besondere Aufmerksamkeit gilt.
In den Essays zu den einzelnen Kapiteln wechseln sich überzeugende und geschwätzige Partien ab. Tiefschürfende architektonische Analysen einzelner Bauten sucht man vergeblich. Dafür betont Pearman die gesellschaftlichen Bezüge und begibt sich so oft unfreiwillig auf dünnes Eis. Bei seinem Lob der von ihm «Ecoscrapers» genannten «ökologischen» Hochhäuser etwa versteigt er sich zu Prophezeiungen, die heute seltsam klingen: «Der Supertower - vielseitig verwendbar, platzsparend und in der Lage, einen immer grösseren Anteil seiner eigenen Energieversorgung selbst zu übernehmen - wird der Magnet des neuen Jahrhunderts sein.» Für die deutsche Ausgabe der bereits vor vier Jahren, also vor dem 11. September, erschienenen Publikation hätte man das letzte, den Supertürmen gewidmete Kapitel zwingend überarbeiten müssen. Die Begeisterung für das Grosse beeinträchtigt aber auch sonst diese Übersicht, manifestieren sich doch Neuerungen zunächst meist in kleineren Architekturen - und nicht in den Kommerzbauten, die hier den meisten Platz einnehmen.
Auch sonst zeigt sich, dass diese britische Sicht der Architektur kaum mit der kontinentaleuropäischen übereinstimmt. So ist hierzulande etwa die «Freizeitarchitektur» von Shopping-Malls und Themenparks bei seriösen Architekten immer noch verpönt. Auch bezüglich des «öffentlichen Raums» lassen sich Unterschiede ausmachen. Am Gravierendsten aber ist die Tatsache, dass Pearman bedeutende europäische Architekturnationen wie Holland, Österreich, Spanien und die Schweiz kaum zur Kenntnis nimmt. In Wien hält er einzig das Haas-Haus von Hans Hollein für erwähnenswert. Zu Peter Zumthors Therme in Vals findet er zwar einige kryptische Worte, hält sie aber nicht für bildwürdig, während er Botta und Calatrava geradezu monumental in Erscheinung treten lässt. Dem Redaktionsschluss der englischen Ausgabe ist es zuzuschreiben, dass Glanzlichter der Gegenwartsarchitektur wie Jean Nouvels KKL in Luzern, Rafael Moneos Kursaal in San Sebastián, der Osanbashi-Pier von Foreign Office Architects in Yokohama, die Yverdoner «Wolke» von Diller & Scofidio oder die Bauten von MVRDV fehlen, während die Tate Modern wenigstens mit einem Computerbild Eingang in dieses ambitiöse Übersichtswerk fand. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, diese Bauten mittels eines Ausblicks in die Publikation zu integrieren. So aber ist dieses widersprüchliche, aber durchaus nützliche Buch leider schon jetzt veraltet.
[Hugh Pearman: Weltarchitektur heute. Phaidon-Verlag, Berlin 2003. 511 S., 1001 Farbabb., 208 Pläne, Fr. 165.-.]
Mehr als die Oper von Sydney
Pritzker-Architekturpreis an Jørn Utzon
Die Jury des Pritzker-Architekturpreises, welcher von den Initiatoren gerne Nobelpreis der Architektur genannt wird, ist immer wieder für Überraschungen gut. Dieses Jahr hätte man im Zeichen des Krieges eigentlich die Ehrung der irakischen Wahllondonerin Zaha Hadid erwartet, die Ende Mai mit dem Contemporary Arts Center in Cincinnati ihr erstes von den Dimensionen her wirklich grosses Werk eröffnen kann. Damit hätte das Preisgericht die mit der Auszeichnung von Rem Koolhaas und Herzog & de Meuron initiierte Ausrichtung auf Vordenker der zeitgenössischen Architektur fortführen können. Nun aber geht der mit 100 000 Dollar dotierte Preis an Jørn Utzon, dessen überragendes Meisterwerk, das Opernhaus von Sydney, heute das Wahrzeichen Australiens und somit eines der berühmtesten Bauwerke überhaupt ist. Da Utzon wohl vor allem für dieses Werk ausgezeichnet wurde, kommt der fünfte Kontinent erneut zu Pritzker- Ehren, nachdem im vergangenen Jahr Glenn Murcutt den Preis hatte entgegennehmen können.
Der vor 85 Jahren, am 9. April 1918, in Kopenhagen geborene Utzon kann aber mit mehr als «nur» dem Opernhaus von Sydney aufwarten. Nach Lehrjahren bei Asplund, Aalto und Wright eröffnete er 1950 in Kopenhagen sein Atelier. Sieben Jahre später überraschte er die Welt mit dem siegreichen Wettbewerbsentwurf für das Opernhaus von Sydney, das nach vielen Querelen und Planänderungen erst 1973 eröffnet werden konnte. Noch weniger Glück hatte er mit seinem 1964 prämierten Projekt für ein neues Zürcher Stadttheater. Von Utzons realisierten Bauten sind vor allem die Gartensiedlung in Helsingør (1960), die Bagsvaerd-Kirche in Kopenhagen (1976) sowie das zeltartige Parlamentsgebäude in Kuwait City (1972-1982) zu erwähnen, bei dem er gezielt auf islamische Typologien zurückgriff. Interessant sind aber auch seine der lokalen Tradition verpflichteten Villen, die er auf Mallorca baute, wo er seit bald 30 Jahren zurückgezogen lebt. Nachdem ihm 1998 für sein Schaffen die wichtigste kulturelle Auszeichnung Dänemarks, der «Sonningpreis», verliehen worden war, konnte er im vergangenen Jahr das Dunkers-Kulturzentrum im südschwedischen Helsingborg einweihen. Mit Utzon erhält ein Architekt den Pritzker-Preis, dem die humanen Aspekte des Bauens stets wichtiger waren als grosse Gesten.
„Eine Höhe, die ideell nie wird übertroffen werden können“
Daniel Libeskind und das neue World Trade Center
Im Wettbewerb für den Neubau des World Trade Center in New York wurde Ende Februar das Projekt des 1946 in Polen geborenen US-Architekten Daniel Libeskind gekürt. Es sieht eine dekonstruktivistische, vom höchsten Wolkenkratzer der Welt dominierte Architekturskulptur vor, in der das Drama der einstürzenden Twin Towers und das Trauma des damit nach Amerika gebrachten Krieges verewigt scheinen. Mit Daniel Libeskind, einem Meister suggestiver Baukunst, sprach Roman Hollenstein.
Schon vor Ihrer Teilnahme am eigentlichen Wettbewerb für die Neubebauung von Ground Zero fertigten Sie auf Einladung der New Yorker Max Protetch Gallery einen mikadoartigen Entwurf für ein neues World Trade Center an. Warum beschäftigt Sie dessen Wiederaufbau so sehr? Bedeutet Ihnen Bauen in New York derart viel?
Es geht nicht nur darum, in New York zu bauen. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich ein New Yorker bin. Ich kam als Teenager nach New York und wuchs in der Bronx auf. Ich ging in New York zur Schule und studierte dort Architektur. New York ist meine Stadt. Nach diesem schrecklichen Attentat überlegte ich, wie jeder New Yorker, was mein Beitrag sein könnte.
Widersprüchliche Anforderungen
Wie gingen Sie mit den dem Bauprojekt innewohnenden Widersprüchen zwischen Vergangenheitsbewältigung und Zukunftsoptimismus, zwischen Zerstörung und Wiederaufbau, zwischen Erinnerung und kommerziellem Druck um?
Das ist genau das Problem: Wie lassen sich die Erinnerungen an das, was am 11. September den Menschen, die in den Twin Towers waren, und darüber hinaus der ganzen Welt geschah, mit einer neuen Vision verbinden? Mit einer Vision, die zeigt, dass das Leben nicht einfach so weitergeht, mit einer Vision, die in Form einer kulturellen Antwort auf die tragischen Ereignisse ein New York des 21. Jahrhunderts zu schaffen vermag: eine Stadt voller Hoffnung und Schönheit.
Nach dem Jüdischen Museum in Berlin, dem Felix-Nussbaum-Museum in Osnabrück und dem Imperial War Museum in Manchester gelten Sie gewissermassen als Mahnmalarchitekt. Wie stellen Sie sich dazu, und wie stellen Sie sich ein Mahnmal für das 21. Jahrhundert vor?
Oh, ich glaube nicht, dass ich ein Mahnmalarchitekt bin. Ich arbeite zurzeit an einem grossen Freizeit- und Einkaufszentrum in der Schweiz, einem Universitätsgebäude in London, einem Bürohaus in Denver und am grossen Umsteigebahnhof des künftigen World Trade Center in New York. Ich bin also kein Mahnmalarchitekt, aber ich beschäftige mich mit Projekten, die mit Geschichte zu tun haben - mit Geschichte, die man nicht vergessen darf. Solche Aufgaben führen zu ganz spezifischen Programmen. Bestimmt handelt es sich beim neuen World Trade Center um eine neue Art von Gedenkstätte. Daran zweifelt niemand in New York - allein schon aufgrund dessen, was hier geschehen ist. Da es sich um ein nie da gewesenes Ereignis handelt, versuche ich alles, was diesen Ort betrifft, ins Stadtganze zu integrieren, in eine lebendige Stadt, nicht in eine Stadt, die nur der Vergangenheit nachtrauert. Ich versuche, die Erinnerung an dieses Ereignis zusammenzubringen mit den demokratischen Werten und mit dem Leben in einer demokratischen Stadt. Das ist die eigentliche Herausforderung, bei der es sich um etwas ganz Neuartiges handelt.
Das zerstörte World Trade Center in New York war als Nabel der globalisierten Finanzwelt gewiss kein Ort der Unschuld. In Ihrem Projekt thematisieren Sie aber - anders als etwa die junge Architektengruppe United Architects - diese eher problematische Seite nicht, sondern glorifizieren den Ort mit einem «Park der Helden», einer «Schneise des Lichts» und den «Gärten der Welt».
Ich versuche, im Wiederaufbauprojekt alle Widersprüche und die ganze Vielschichtigkeit des Ortes zu bewältigen. Bei den Helden, die hier geehrt werden sollen, handelt es sich um ganz gewöhnliche Menschen, wie ich einer bin. Um zu verhindern, dass sie durch die Fundamentalisten der äussersten Rechten instrumentalisiert werden, muss man ihnen wahre Bedeutung verleihen.
Freiheit und Heldentum
Der in den Himmel stossende Turm erinnert formal an die emporgehaltene Fackel der Freiheitsstatue, während die Höhe von 1776 Fuss auf das Jahr der amerikanischen Unabhängigkeit verweist. Sie bringen also das neue World Trade Center mit Freiheit, Demokratie, aber auch mit Heldentum in Verbindung. Sehen Sie - ähnlich wie Präsident Bush - in diesen Werten das Gegengift zum Terrorismus, und übernehmen Sie damit dessen Einteilung der Welt in «Gut» und «Böse»?
Lower Manhattan ist ein Finanzzentrum. Wir sind hier nahe bei der Wall Street, und das World Financial Center ist Teil des Ganzen. Deshalb braucht dieser Ort einen neuen Anstoss für Kultur und Leben. Eine völlig neue Nachbarschaft soll entstehen, in der auch Familien wieder ihren Platz finden. Wichtig sind zudem stadträumliche Verbindungen zwischen dem Hudson und dem East River, zwischen Tribeca und Battery Park. Es geht darum, einen völlig anderen Ort zu denken - das Gegenteil der monolithischen, einseitigen und eingeschränkten Zustände der Vergangenheit. Wenn ich in meinem Projekt Bezug nehme auf Freiheit, Demokratie und Heldentum, so will ich damit nicht den Fundamentalisten der Rechten gefallen. Diese Ideale gehören mir. Ich liebe Amerika, ich liebe, was dieses Land verkörpert und wofür es steht. Das fühlte ich, als sich dieser Vorfall ereignete. Ich hatte nicht das Gefühl, es sei ein Angriff auf irgendjemand, es war ein Angriff auf mich.
Ihr Projekt enthält viele optimistische Symbole und Metaphern, die allerdings nicht direkt aus dessen expressiver Architektur abgeleitet werden können. Vielmehr scheint die von Ihnen bevorzugte dekonstruktivistische Architektursprache, welche die Fragmentierung der Baukörper zelebriert, den Vorgang der Zerstörung zu verewigen. Kann diese Ästhetisierung des Schreckens und der Zerstörung auf Dauer den optimistisch veranlagten New Yorkern zugemutet werden?
Das ist eine Fehldeutung meines Projekts. Ihr Vokabular bezüglich Dekonstruktivismus und Fragmentierung stimmt nicht mit meiner Sprache überein. Daher weise ich diese Art Kritik als ideologisch zurück. Ich machte einen zeitgenössischen Entwurf für eine zeitgenössische Stadt. Einen Entwurf, der die ganze Vielfalt New Yorks zusammenbringt. Schliesslich sollten wir die Komplexität dieser Stadt nicht allzu sehr vereinfachen. New York ist nicht nur eine Stadt der Wolkenkratzer. New York ist eine Stadt von enormer kultureller Bedeutung und grossem städtischem Bewusstsein. Mein Projekt illustriert dies.
Sie operieren mit Gefühlen. Es scheint, als wollten Sie mit Ihrem Projekt letztlich sogar sakrale Empfindungen wecken.
Nein, ich will keine sakralen Empfindungen wecken. Aber Architektur sollte sich nicht nur an den Verstand richten. Sie gehört allen Menschen. Daher sollte sie zu den Menschen sprechen und nicht nur eine intellektuelle Theorie abbilden. Schliesslich haben wir das 20. Jahrhundert mit all seinen Theorien erlebt und wissen, wie schlecht diese sind. Deshalb will mein Entwurf nichts anderes als auf das alltägliche Leben antworten.
Das höchste Haus der Welt
Im Zusammenhang mit Ihrem Hochhaus-Cluster sprachen Sie von «restoring the spiritual peak to the city». Aber ist es nach dem 11. September überhaupt noch sinnvoll, Hochhäuser zu bauen - zumal an diesem belasteten Ort? Oder geht es Ihnen nur darum, sich in New York zu verewigen?
Der Architekt kann gar nicht selbst entscheiden, wie hoch er bauen will. Beim Wettbewerb für das neue World Trade Center gab es ein Programm, das die Dichte der Bebauung vorgab. Es wurde allen Teilnehmern vorgelegt - also nicht von mir erfunden. Ich war mir bewusst, dass die Menschen hier nicht unbedingt wieder 110 Stockwerke hohe Türme sehen möchten. Gleichwohl setzte ich alles daran, die Skyline von New York wiederherzustellen, ihr eine neue Freiheit, einen neuen Sinn zu geben, ohne aber einen riesigen Büroturm vorzuschlagen. Deshalb schuf ich eine andere Typologie: Es handelt sich dabei um ein 541 Meter hohes Gebäude, das aber nicht mehr als 70 Stockwerke aufweist. Dies stellt meiner Meinung nach die maximale Geschosszahl dar, für die sich Investoren noch engagieren. Es wird ein Wolkenkratzer werden mit einem neuartigen Sicherheitssystem, damit sich der Albtraum nicht wiederholen kann, ein Wolkenkratzer, den wir im Griff haben und mit dem wir umgehen können. Zudem wird er mit seinen Restaurants, Plattformen, Gärten und der Antenne zu einer ebenso dramatischen wie bedeutenden Erscheinung im Weichbild von New York werden.
Ihr Wiederaufbaukonzept sieht das höchste Haus der Erde vor. Nun soll aber demnächst in Dubai ein ursprünglich für Melbourne entworfener Wolkenkratzer realisiert werden, der bedeutend höher sein wird als der von Ihnen konzipierte Turm. Könnte das für Sie Anlass sein, Ihren Turm des Rekordes wegen noch höher zu bauen und damit Ihre Zahlensymbolik aufzugeben?
Nun, ich war nie daran interessiert, einfach nur das höchste Gebäude der Welt zu realisieren. Ich wollte ein Gebäude mit einer sehr spezifischen Höhe errichten. Die Höhe von 1776 Fuss ist eine Höhe, die ideell nie wird übertroffen werden können, weil sie der Welt, weil sie Amerika und weil sie vor allem New York etwas bedeutet - und auch mir persönlich. Sie ist nicht zufällig.
Die Realisierung des Projekts
Selbst wenn Ihr Gestaltungsvorschlag realisiert werden sollte, werden Sie wohl kaum die gesamte Anlage selbst bauen können. Werden Sie versuchen, wenigstens das Memorial für sich zu sichern und so Ihren Ruf als Mahnmalarchitekt weiter zu festigen? Oder werden Sie vielmehr versuchen, einen der Bürotürme zu bauen, um nach Ihrem Shopping-Center-Projekt von Brünnen bei Bern erneut zu beweisen, dass Sie auch alltägliche Bauaufgaben bewältigen können?
Ich werde bestimmt nicht der Architekt des ganzen Komplexes sein. Vielmehr wird es internationale Wettbewerbe geben - beispielsweise für das Mahnmal. Ich bin der Architekt, der für die Matrix, für den räumlichen und urbanistischen Charakter sorgt und damit auch den Ort festlegt, wo das Mahnmal errichtet wird. Aber nicht nur als Planer, sondern auch als Architekt werde ich an der Ausführung beteiligt sein. Ich werde den grossen Umsteigebahnhof des neuen World Trade Center realisieren, einen Ort, der täglich von Hunderttausenden von Menschen benutzt werden wird. Ich denke zudem, dass ich auch der Architekt des «1776 Tower» sein werde. Diese beiden Projekte sind für mich wichtig, weil sie Teil des alltäglichen Lebens sind. Gerade an diesem Ort ist neben dem Besonderen auch das Alltägliche von grosser Bedeutung.
Man sagt, Larry Silverstein, der Pächter des World Trade Center, habe kritisch auf die Wettbewerbsergebnisse reagiert. Wenig angetan sein dürften er und andere mögliche Investoren von den vielen ebenso symbolträchtigen wie kostspieligen Aussenräumen, dem Memorial und den hängenden «Gärten der Welt», die ein Drittel des höchsten Turmes einnehmen sollen. Wer wird diese für Ihr Konzept, aber auch für die Angehörigen der Opfer so zentralen Anlagen bezahlen?
Man kann mit Bestimmtheit sagen, dass das Mahnmal nicht allein für New York, den Bürgermeister oder den Gouverneur wichtig ist. Es hat seine Bedeutung für das ganze Land, ja für die ganze Welt. Man muss bedenken, dass bei den Terrorattacken auch viele Ausländer den Tod fanden, darunter sehr viele Briten. Kurz, es handelt sich hier um eine Gedenkarchitektur, für deren Finanzierung mit Sicherheit Gelder aus verschiedenen Quellen fliessen werden. Was die sechs Türme betrifft, aus denen der Komplex bestehen wird, so sind die Investoren der Ansicht, dass sie sehr vernünftig entworfen wurden. Larry Silverstein hat aktenkundig festgehalten, dass sie sehr praktisch seien, dass sie genau die Höhe hätten, die er sich vorgestellt habe, und dass er sie darum realisieren wolle. Dabei möchte ich den höchsten Turm, den «1776 Tower», unbedingt mit den «Gärten der Welt» ausstatten und mit der Antenne bekrönen. Die Antenne ist integraler Bestandteil des «1776 Tower». Man braucht die Antenne, weil die Kommunikationsanlagen bei den Terroranschlägen zerstört wurden und weil sie Geld einspielt. Denn ein Gebäude wie der «1776 Tower» ist sehr kostspielig. Dafür wird er mit seinen Bürobereichen, Gärten, Restaurants und der Antenne etwas wirklich Neues verkörpern: einen Bautyp, der ebenso pragmatisch wie praktisch ist und daher auch gebaut werden kann.
Sie wurden aufgefordert, Ihren Entwurf erneut zu überarbeiten. Was werden Sie ändern?
Beim Wettbewerb musste alles sehr schnell gehen. Nun geht es darum, das Projekt zu verfeinern - unter Berücksichtigung der Auflagen von Stadt und Port Authority. Das sorgfältige Überarbeiten gehört zur Entwicklung eines Projektes; und ich erachte das als etwas sehr Positives.
Thema und Variationen
Wiener Wohnungsbau in Basel
Wohnen im vorstädtischen Grün ist aus ökologischen und urbanen Gründen in Verruf geraten. Darauf reagierte Adolf Krischanitz mit der Initiative zu einem städtisch verdichteten Wohnprojekt, in welchem sich die Siedlungsidee der Moderne mit dem Trend zur Stadtvilla verbindet. Krischanitz lud acht Kollegen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ein, in Wien-Hadersdorf je ein Haus mit drei bis fünf Wohnungen zu entwerfen. Die Resultate, die zurzeit im Architekturmuseum Basel zu sehen sind, bieten Variationen zu einem interessanten Thema. Sie sagen aber auch einiges aus über die architektonische Kultur in den jeweiligen Ländern. Im Zentrum der Schau stehen zwölf kistengrosse, aus grauem Zement gegossene Modelle, die bald an Fischli & Weiss, bald an Rachel Whiteread erinnern. Während die komplizierten Entwürfe der beiden Österreicher Hermann Czech und Heinz Tesar im Modell noch manierierter wirken, kommen die Gussformen den strengen Kuben von Krischanitz und Roger Diener entgegen. Ihre Projekte überzeugen zudem mit unkonventionellen Grundrissen, die sich bei Diener in enigmatischen Fassaden spiegeln. Max Dudler hingegen treibt den Formalismus der Aussenhülle so weit, dass sein Mehrfamilienhaus kaum von einem Bürobau unterschieden werden kann. Dem Motto «Form follows function» folgend, schafft Peter Märkli komplexe, aber gut belichtete Räume, die zudem über grosszügige Balkone verfügen. Klingen in diesem Dreifamilienhaus die sechziger Jahre leise nach, so wird man dereinst in Kollhoffs rationalistischen Säulenhallen ganz im Geist des Klassizismus wohnen. Gleichsam als Quintessenz dieser kleinen, für die mittlere Architektengeneration repräsentativen Schau zeigt sich, dass der bereits totgesagten Schweizer Kiste im Wohnungsbau noch immer einiges Potenzial innewohnt.
[Bis 27. April. Begleitheft: «Hintergrund 16», Fr. 7.-.]
Gurken und Eier
Londons neue Lust an architektonischen Zeichen
Trotz Terrorangst werden in London neue Wolkenkratzer errichtet. Mit Norman Fosters Swiss Re Tower erhält die kantige Skyline der City einen harmonisierenden Akzent, der aber bald durch neue Megastrukturen relativiert werden dürfte. Einen kritischen Kommentar zu diesem Höhenrausch gibt die Ausstellung «Superstudio» im Design Museum.
Wer vor nicht einmal zehn Jahren im Zusammenhang mit zeitgenössischer Baukunst London erwähnte, erntete höchstens ein mitleidiges Lächeln. Denn was gab es dort zu sehen ausser den High-Tech-Ikonen des Lloyd's Building und des Channel-Four-Gebäudes von Richard Rogers? Doch die Zeiten, als man für Neubauten englischer Architekten noch in die Provinz fahren musste, gehören der Vergangenheit an, seit mit der Peckham Library von Will Alsop und dem eiförmigen Medienturm im Lord's Cricket Ground von Future Systems zwei höchst eigenwillige Bauten entstanden sind - die allerdings ähnlich versteckt liegen wie die chromglitzernde Unterwelt der neuen Jubilee Line. Umso präsenter im Stadtbild sind die von Herzog & de Meuron in Giles Gilbert Scotts Bankside Power Station eingerichtete Tate Modern und die erst durch ihr Schwanken so richtig ins Gespräch gelangte Millennium Bridge von Ove Arup, Norman Foster und Anthony Caro. Über diesen eleganten Ingenieurbau pilgern heute die Kulturbeflissenen von St. Paul's Cathedral zum Musenkraftwerk der Tate, in dem zurzeit die 135 Meter lange und 35 Meter hohe Turbinenhalle wie verwandelt scheint durch eine ebenso gigantische wie enigmatische Arbeit von Anish Kapoor.
Organoide Formen
Dieses spektakuläre, von Kapoor wohl aufgrund seiner blutroten Kunststoffhaut nach Marsyas, dem von Apollon gehäuteten Satyr, benannte Werk - halb Venusfliegenfalle, halb Trompete - bringt als ingenieurtechnisches Mirakel das Gebäude mit der Kunst in einen Dialog. Gleichzeitig verweisen seine Haut und seine organische Form auf wichtige Positionen des gegenwärtigen Architekturdiskurses, die in der farbigen Hülle des unlängst eingeweihten Laban Dance Centre von Herzog & de Meuron oder in der ovalen Gestalt des im vergangenen Jahr nahe der Tower Bridge eröffneten Stadthauses der Greater London Authority von Norman Foster widerhallen. Dieses Zwitterwesen, halb Ei, halb schiefer Turm, zählt nicht zu Fosters Meisterwerken; und dennoch markiert es eine wichtige Zwischenstufe auf dem Weg hin zu dessen neustem Bau: dem gleich jenseits der Themse in der City sich erhebenden Swiss Re Tower. Beide Arbeiten sind kaum denkbar ohne den organoiden Cricket-Medienturm von Future Systems und mehr noch ohne deren leicht gekrümmten Riesenphallus eines Projekt gebliebenen Themsehochhauses.
Diskret wird der im Rohbau bereits vollendete Swiss Re Tower von den Londonern «The Gherkin», die Essiggurke, genannt, auch wenn der Turm mit seinen diagonalen Fensterbändern eher einem Tannzapfen gleicht. Seine geschmeidige Erscheinung, in welcher die heute gerne gegeneinander ausgespielten organischen und geometrischen Formen überzeugend zusammenfinden, verleiht der harten Skyline etwas Humanes. Gegenüber der leicht geblähten Körpermitte ein wenig eingezogen, macht der kreisrunde Grundriss aus dem Turmbau einen skulpturalen Solitär, der sich gut in die vertikale Stadtlandschaft eingliedert und auf Fussgängerebene einen in der dicht bebauten City höchst erwünschten Platzraum mit vielen Durchblicken schafft. Den Angestellten soll dereinst der nach neusten ökologischen Erkenntnissen errichtete Bau helle Büros und Grossräume mit Ausblicken auf die Stadt und quer durchs Haus bieten; und wo man jetzt in schwindelerregender Höhe noch Wind und Wetter ausgesetzt ist, wird in einem halben Jahr unter einer gläsernen Kuppe ein leider nicht öffentlich zugängliches Aussichtsrestaurant entstehen. Nach seinem vielgerühmten Hongkonger Bankenturm von 1986 beweist hier Foster erneut, dass auch im Hochhausbau, der sich allzu oft im Zusammenspiel von Ingenieurtechnik und Fassadendesign erschöpft, städtebaulicher und baukünstlerischer Mehrwert geschaffen werden kann.
Statt mit einem Höhenrekord aufzuwarten, versucht Foster mit dem 180 Meter hohen Neubau heilend auf die Skyline der Londoner City einzuwirken, deren kantige Hochhäuser schon vor Jahren Prinz Charles wie «Furunkel im Gesicht eines lieben Freundes» erschienen waren. Allerdings dürfte der ausgleichende Einfluss des Swiss Re Tower nur von kurzer Dauer sein, denn trotz verbreiteter Terrorangst sollen allenthalben neue und vor allem höhere Bauten entstehen, wie etwa das Heron Building der New Yorker Kommerzarchitekten Kohn Pedersen Fox, das 218 Meter hoch in den Himmel wachsen wird. Obwohl allen klar ist, dass sich die City mehr denn je gegenüber der neuen Bürostadt in den Docklands behaupten muss, will die Kritik an den neuen Wolkenkratzern nicht abklingen. Vor allem Renzo Pianos 300 Meter hoher London Bridge Tower, eine spitz zulaufende, schon jetzt abschätzig «Glasscherbe» genannte Pyramide, ist heftig umstritten. Würde der als zeichenhafte Erweiterung der City südlich der Themse geplante, von English Heritage als «London's greatest folly» bezeichnete Hochhauskeil in den Himmel getrieben, so bedeutete dies zweifellos eine erneute Verhärtung der Skyline.
«Kapitalistische Architektur»
Entfernt erinnert Pianos vertikale Megastruktur an die utopischen Projekte von Superstudio. Allerdings setzte diese 1966 in Florenz von Adolfo Natalini und Cristiano Toraldo di Francia gegründete Architektengruppe ihre Vision von minimalistischen weissen Gitterstrukturen, die Landschaften und Städte gleichermassen überwuchern, als Kritik an der «kapitalistischen Architektur» ein. Damit unterschied sie sich vom zeitgleich aktiven, aber bekannteren Londoner Team Archigram, dessen fortschrittsgläubiger Ansatz stark vom Pop und vom Metabolismus beeinflusst war. Gleichsam als Beitrag zur gegenwärtigen Londoner Architekturdebatte zeigt nun das Design Museum eine kleine Retrospektive von Superstudio. Die trocken präsentierte Schau wird der aus politischem Widerstand herausgewachsenen Sichtweise der Florentiner Theoretiker, die gegen die «Sterilisierung der Träume» durch eine Architektur der unbegrenzten Möglichkeiten kämpften, durchaus gerecht. Ihre ebenso radikalen wie ideologischen Ansichten machten sie in den sechziger und siebziger Jahren in Zeitschriften, Büchern, Ausstellungen und Filmen einem irritierten Publikum zugänglich. Mit ihren provokativen, von der Erkenntnis der Grenzen des Wachstums geprägten Vorschlägen wollten sie die massiven architektonischen Eingriffe in die Umwelt in Frage stellen. Denn ihr Fernziel war die Verwandlung von Architektur in Leben, ein Wunschtraum, der sich in der Turbinenhalle der Tate Modern - wohl eher zufällig - ein ganz klein wenig zu erfüllen scheint, zumal mit Hilfe von Kunstwerken wie Kapoors «Marsyas».
[Die Ausstellung Superstudio im Design Museum dauert noch bis zum 8. Juni. - «Marsyas» von Anish Kapoor ist noch bis zum 6. April in der Turbine Hall der Tate Modern zu sehen.]
Architektur im Schatten der Wolkenkratzer
Oscar Niemeyer und Richard Meier in Frankfurt
Die Skyline ist das Wahrzeichen von Frankfurt. Ihr verdankt «Mainhattan» den Ruf, die vom Erscheinungsbild her amerikanischste Stadt des alten Kontinents zu sein. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Voraussetzungen für diesen spektakulären Höhenrausch gelegt, auch wenn Bruno Taut hier bereits 1931 das erste Scheibenhochhaus realisiert hatte. Wie die stark zerstörte Alt- und Innenstadt zwischen Dom und Hauptbahnhof mit niedrigen Zeilenbauten wiederhergestellt wurde, aus denen sich bald schon zwölfgeschossige Geschäftsbauten wie der «Bienenkorb» erhoben, zeigt nun die kleine Ausstellung «Frankfurt am Main - die fünfziger Jahre» im Institut für Stadtgeschichte anhand von historischen Fotos und Dokumenten. Ungeachtet der Kriegsverluste hatten beim Planen und Bauen die Bewahrer gegenüber den unsentimentalen Erneuerern meist das Nachsehen. So wurde dem 70 Meter hohen Fernmeldehochhaus der Bundespost das Rokoko-Palais der Thurn und Taxis geopfert, das man leicht hätte wiederherstellen können. Die Niederlagen der Denkmalpflege führten bald zur Forderung, der «Amerikanisierung» sei Einhalt zu bieten. Mit wenig Erfolg allerdings, denn am Ende des Jahrzehnts wuchs mit dem zwanzigstöckigen Zürich-Haus von Werner Stücheli gleich neben der Alten Oper der erste amerikanische «Wolkenkratzer» der Stadt in den Himmel.
Mittlerweile ist diese blau schimmernde Nachkriegsikone allen Protesten zum Trotz abgebrochen worden. Ob an ihrer Stelle Christoph Mäcklers Neubauprojekt je verwirklicht wird, steht in den Sternen, denn offensichtlich ist der Versicherungsgesellschaft die Lust am Bauen vergangen. Während in der Nachbarschaft der Zürich-Brache die Spitzhacke weiter gegen Denkmalschutzobjekte wütet, soll nun Mäckler die klassizistische Stadtbibliothek an der Schönen Aussicht wiedererrichten, von der die Aufräumarbeiten von 1945 nur noch den Säulenportikus übrig liessen. Dieser bildet seit den achtziger Jahren als «schönste Kriegsruine Frankfurts» den stolzen Eingang zum Container der Portikus-Kunsthalle. Die Rekonstruktionssucht, deren konservativer Geist längst ganz Deutschland erfasst hat, dürfte im Fall des Portikus zur Wiedergewinnung eines schönen Blickfangs am Main führen. Ein anderer erhebt sich seit einem Jahr gleich auf der Südseite des Flusses in Form des Main-Plaza-Turms von Hans Kollhoff. Mit seiner gravitätischen Erscheinung ist der gedrungen wirkende, zwischen Gotik und Art déco oszillierende Zwanzigstöcker als nobelster Himmelstürmer der Stadt nicht nur die Antithese zum verlorenen Zürich-Haus, sondern auch zum glücklichsten Frankfurter Neubau der letzten zwei Jahrzehnte: der eleganten, aus den Kraftlinien des Ortes hergeleiteten Erweiterung der Villa Metzler zum Museum für Angewandte Kunst (MAK) durch Richard Meier.
Das MAK, das von einer Zeit zeugt, da Vergangenheit und Zukunft noch voller Optimismus zusammenfinden konnten, beherbergt nun eine Ausstellung über den Architekten Richard Meier als Designer und Künstler. Wer dessen gestalterische Arbeiten nicht kennt, wird staunen, wie stark dieser Vertreter der Spätmoderne in seinen Designentwürfen dem Wiener Jugendstil huldigt. So sind die Sitzgelegenheiten, die er 1985 für das MAK schuf, schwerblütige Neuinterpretationen von Josef Hofmanns Möbeln, und seine Silbergegenstände - Schalen, Bilderrahmen, Kerzenständer - sowie das Porzellan sind Erzeugnissen der Wiener Werkstätten zum Verwechseln ähnlich. Wirklich irritierend aber ist der suprematistisch beeinflusste rechteckige Flügel mit den schwerfälligen Chromstahlbeinen, den Meier 1995 für Imbach entworfen hat. Den Übergang zu Meiers künstlerischen Versuchen - den Collagen und den (nur als Abbildungen anwesenden) neokubistischen Metallskulpturen, zu denen er durch seinen Freund Frank Stella angeregt wurde - bilden Objekte wie der Kerzenleuchter «Tower» von 1989. Bei diesem wandte er schon eine ähnliche Kompositionsweise an wie in dem an eine Minimalskulptur erinnernden Wettbewerbsprojekt für das neue World Trade Center, welches er zusammen mit Peter Eisenman und Steven Holl verfasste. Dass bei diesem Vorschlag aber auch wichtige Anstösse von Holl kamen, verdeutlicht gegenwärtig eine Schau im benachbarten Deutschen Architektur-Museum (DAM). Die vor einem Jahr im Auftrag der Max Protetch Gallery in New York von namhaften Architekten schnell hingeworfenen und seither überholten Vorschläge für Ground Zero, die bereits in Venedig vorgestellt wurden, sind deswegen interessant, weil man hier der ersten Vision von Libeskind, einem mikadoartigen Hochhausbündel mit schwebendem Memorial, begegnen kann.
Gleichwohl hätte man auf die Präsentation dieser architektonischen Herzensergiessungen verzichten und dafür der Oscar Niemeyer gewidmeten Hauptausstellung mehr Raum einräumen sollen. Diese zuvor schon unter anderem in Paris gezeigte Schau (NZZ 9. 2. 02) leidet im DAM nämlich unter Platznot. Das hat die Ausstellungsmacher Haron Cohen und Cecília Scharlach dazu bewogen, die Präsentation völlig neu zu konzipieren. Dadurch ist sie von einer rhetorisch weit ausholenden Inszenierung zu einer spröden Retrospektive geworden, der jede brasilianische Eloquenz abgeht. Einem informativen «Fries» mit Bildern aller Bauten und Projekte des 95 Jahre alten Architekten antworten Modelle seiner wichtigsten Bauten in Brasilien, Frankreich und Italien sowie seiner unrealisiert gebliebenen Moschee für Algier. Ergänzt wird diese Zusammenstellung durch Zeichnungen des Meisters, durch aufschlussreiche historische Schwarzweissaufnahmen von Marcel Gautherot und prachtvolle Farbfotos von Michel Moch. Waren diese in Paris das vorherrschende Moment der Schau, so werden sie hier zum bunten Bilderreigen degradiert, der Niemeyers Œuvre allzu marktschreierisch anpreist.
Schade, dass das DAM die Möglichkeit vergeben hat, die Rezeption der organischen Baukunst Niemeyers von Calatrava über Future Systems bis hin zur heutigen Blob-Architektur zu thematisieren. Das hätte - zusammen mit der in diesem Kontext doch noch nützlichen WTC-Schau - einen kritischen Blick auf die Wolkenkratzer jenseits des Mains erlaubt, bei denen wenig Sinn für Form, Raum und Licht auszumachen ist. Doch scheinen die gegenwärtigen Finanzprobleme der Frankfurter Museen keine Eigenleistungen mehr zu erlauben, einmal abgesehen von der erfreulichen Tatsache, dass das DAM zur Ausstellung eine eigene Monographie herausgeben konnte, welche die noch immer schmale Niemeyer-Bibliographie nützlich erweitert.
[Ausstellungen: Bis 23. März im Institut für Stadtgeschichte, Begleitbroschüre Euro 1.50. Bis 18. Mai im MAK, Begleitpublikation: Richard Meier. Der Architekt als Designer und Künstler. Hrsg. Volker Fischer. Edition Axel Menges, Stuttgart 2003. 128 S., Fr. 89.- (Euro 36.- in der Ausstellung). Bis 11. Mai im DAM, Begleitpublikation: Oskar Niemeyer. Eine Legende der Moderne. Hrsg. Paul Andreas und Ingeborg Flagge. Birkhäuser- Verlag, Basel 2003. 144 S., Fr. 45.- (Euro 29.50 in der Ausstellung).]
Formalistischer Rationalismus
Der südamerikanische Architekt Rafael Viñoly
Das gespenstische Skelett der Twin Towers machte Rafael Viñoly, den Vordenker der eigens für den Ground-Zero-Wettbewerb formierten Architektengruppe «Think», jüngst einem grösseren Publikum bekannt. Obwohl es eine Zeit lang so aussah, als würde sein Team die Palme davontragen, wurde Viñoly im Schlussspurt von der Vergangenheit eingeholt. Denn der 1944 als Sohn kanarischer Einwanderer in Uruguay geborene, aber in Buenos Aires aufgewachsene Architekt, der zuerst Musiker hatte werden wollen, führte als junger Mann zusammen mit dem Estudio de Arquitectura unter der argentinischen Militärdiktatur offizielle Aufträge aus: einen Pavillon für das Gesundheitsministerium, die Erweiterung des Aussenministeriums und - für die Fussball-WM von 1978 - ein Fernsehgebäude sowie das genial einfache Stadion in Mendoza.
Hätte Viñoly 1967 seinen futuristischen Entwurf des Amsterdamer Rathauses mit abenteuerlich aufgestelzten Glaskugeln verwirklichen können, wäre ihm vielleicht der Flirt mit den Generälen erspart geblieben. So aber sah er sich gezwungen, seine Karriere in Buenos Aires aufzubauen. Hier schuf er in den späten sechziger Jahren mehrere extravagante Bankgebäude, in denen sich Beton, Glasbausteine und Lichteffekte zu raumschiffartigen Interieurs vereinen. Dank diesen frühen Erfolgen konnte er schon mit 28 Jahren sein eigenes Haus realisieren: eine aus zwei Türmen und einem verbindenden Schwebebalken bestehende schwarze Villa am Río de la Plata. Diese Miniatur sowie ein 1974 vollendetes, räumlich sehr komplexes Geschäftshochhaus wiesen bereits voraus auf den Samsung Tower von 1999 in Seoul und auf das Ground-Zero-Projekt.
Im Jahr 1979 emigrierte Viñoly nach New York, wo er sich zunächst mit kleinen Aufträgen durchschlagen musste, bis er - gleichsam als Kampfansage an die Postmoderne - ein rationalistisches, von Richard Meier und seinem Freund Mario Campi beeinflusstes Hochhaus an der 52nd Street verwirklichen konnte. Den bisherigen Höhepunkt in seiner Karriere aber markiert das in einem linsenförmigen Glasschrein kulminierende Tokyo International Forum (1989-96). Dieser Erfolg öffnete ihm in den USA viele Türen, wie das gute Dutzend bedeutender Bauten veranschaulicht, die zurzeit entstehen. Nun wird das Schaffen Viñolys, der neuerdings auch wieder in Buenos Aires tätig ist, in einer üppig bebilderten Monographie mit einem 238 Nummern umfassenden Werkverzeichnis dokumentiert. Sie zeigt einen künstlerisch engagierten Architekten, der unter dem Einfluss der New Yorker Bauwirtschaft immer glatter und kommerzieller wurde. Zu hoffen bleibt daher, dass das Ground-Zero- Projekt eine Rückkehr zur architektonischen Recherche bewirken wird.
[Rafael Viñoly. Hrsg. Román Viñoly. Birkhäuser-Verlag, Basel 2002. 320 S., Fr. 128.-.]
Chronik eines Erfolgs
Tessiner Architektur im CCS in Mailand
Seit der legendären Zürcher «Tendenzen»-Ausstellung von 1975 sind ungezählte Veröffentlichungen zur Tessiner Architektur erschienen. Dazu gehört auch die vor zwei Jahren herausgegebene CD-Rom «Architetture nel Territorio», die 261 Bauten von 90 Architekten in Wort und Bild vorstellt. Ausgehend von diesem nützlichen, aber nur begrenzt wahrgenommenen Übersichtswerk hat nun Pro Helvetia eine aus 47 informativen Schautafeln bestehende Wanderausstellung zur Tessiner Architektur realisiert, die zurzeit im Centro Culturale Svizzero in Mailand ihre Premiere hat, um anschliessend weltweit an rund 150 Orten gezeigt zu werden. Präsentiert wird ein Tessiner Höhenweg der Baukunst. Er beginnt mit Rino Tami, dessen Bauten aus den vierziger bis sechziger Jahren immer noch mit zum Besten gehören, was in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert im Grossraum Lugano gebaut wurde. Nach Arbeiten der Wrightianer Franco Ponti, Peppo Brivio und Alberto Camenzind werden Highlights bis hin zu Aurelio Galfettis unlängst eröffnetem Universitätscampus von Lugano vorgestellt, bei dem der sonst in der Ausstellung weitgehend ignorierte Nachwuchs zum Zuge kam. Unter den jüngsten Werken finden Arbeiten wie Mario Campis grossstädtischer Wohnpalast in Lugano, Raffaele Cavadinis Oratorium von Porta in Brissago und Livio Vacchinis Mehrzweckhalle in Losone besondere Erwähnung.
Als Erweiterung dieser Chronologie werden die vier Grossen der Tessiner Architektur - Botta, Galfetti, Snozzi und Vacchini - zusammen mit Campi, Fabio Reinhart und Flora Ruchat auch noch monographisch und mit einem Blick auf ihre in der CD-Rom nicht thematisierte Tätigkeit ausserhalb des Tessins beleuchtet. Dabei will nicht einleuchten, warum Ivano Gianola, der mit dem Palace in Lugano eines der grössten Bauprojekte des Tessins in Arbeit hat und zudem auch in Deutschland erfolgreich ist, nicht in die Meistergruppe aufgenommen wurde. Die Spannweite dieser monographischen Sektion erstreckt sich von den Wohnbauten Ruchats in Taranto (1981), Campis in Malmö (2001) und Luigi Snozzis in Maastricht (2002) über die Architekturschule von Vacchini in Nancy (1995) und Galfettis Cité des Arts in Chambéry (2002) bis hin zu Mario Bottas Cymbalista-Synagoge in Tel Aviv (1998) und dessen Tata-Gebäude in Neu-Delhi (2003). Der Ausstellung gelingt es, einen Einblick in eine Erfolgsgeschichte zu geben, die vor fünf Jahrzehnten einsetzte und deren Protagonisten seit den achtziger Jahren Europa und - im Fall von Botta - sogar die Welt eroberten.
[Bis 26. März (täglich ausser sonntags 14.30 bis 18 Uhr) im Centro Culturale Svizzero, Piazza Cavour, Mailand. Begleitpublikation: Architetture nel territorio. Canton Ticino 1970- 2000. CD-ROM. Pro Helvetia und Tarmac Edizioni, Mendrisio 2001 ( www.tarmac.ch). Fr. 88.- (Euro 45.- in der Ausstellung).]
Architektonische Blütenlese
Schweizer Bauten in der „Archithese“
In Deutschland, Spanien und den Niederlanden wird seit geraumer Zeit in Form von Jahrbüchern auf die Spitze der architektonischen Produktion hingewiesen. Als vorbildlich gelten darf der unprätentiöse „Anuario“ der Zeitschrift „Arquitectura Viva“, der sich Anfang der neunziger Jahre mit Erfolg daran machte, die spanische Architektur in ein günstiges Licht zu stellen. In der Schweiz, die sich in Sachen Baukunst auch nicht zu verstecken braucht, wurde ein ähnlicher Versuch im Januar 2001 gestartet. Die erfreuliche Initiative ging von der „Archithese“ aus. Mittlerweile liegt unter dem Titel „Swiss Performance 03“ bereits die dritte Ausgabe dieses Jahresrückblicks vor. Er präsentiert 16 Werke: von der strengen Wohnsiedlung in Zürich (von Ballmoss & Krucker) bis hin zum neuen Universitätscampus in Lugano. Als einziges Beispiel aus der Romandie wird im Anschluss an den Hauptteil Bernard Tschumis Projekt für die Uhrenfabrik Vacheron Constantin in Genf vorgestellt. Wenn man den einen oder anderen interessanten Bau vermisst, so hat das einerseits mit der platzbedingten Auswahl zu tun, anderseits aber auch damit, dass die bereits im Laufe des vergangenen Jahres in der „Archithese“ vorgestellten Bauten nicht noch einmal zum Zuge kommen konnten. Gleichwohl wäre es nützlich gewesen, wenn diese Arbeiten, der Vollständigkeit wegen und um die Optik zu entzerren, im Anhang nochmals mit einem Bild, einer Kurzbeschreibung und einem Verweis auf das entsprechende Heft erwähnt worden wären.
[ Archithese 1.2003. Swiss Performance 03. Niggli-Verlag, Sulgen 2003. 112"S., Fr. 28.-. ]
Rigoroser Rationalismus
Zum 70. Geburtstag des Tessiner Architekten Livio Vacchini
Das Postgebäude an der Piazza Grande von Locarno und die im Entstehen begriffene Galleria Luini in der nahen Neustadt zählen zu den provokativsten und irritierendsten Werken der neusten Schweizer Architektur. Umso mehr erstaunen mag es daher, dass diese unkonventionellen Bauten von einem Architekten stammen, der das Pensionsalter bereits erreicht hat: Livio Vacchini, der heute seinen 70. Geburtstag feiern kann, ist zweifellos der jugendlichste und unbequemste unter den zu internationalem Ruhm gelangten Tessiner Baukünstlern. Doch will er mit seinen Häusern weniger anecken als vielmehr den architektonischen Mainstream hinterfragen - und dies so konsequent, dass kaum jemand die Bauten, die Vacchini in den vergangenen Jahrzehnten realisierte, als lieblich oder leicht zugänglich bezeichnen wird. Selbst die auf den ersten Blick malerische Casa Rezzonico in Vogorno im Verzascatal (1985) erweist sich als hartes Schwarzbrot, verglichen mit den materialverliebten Bauten der trendigen Deutschschweizer. Denn nicht das photogene Detail, auch nicht der schöne Werkstoff interessieren Vacchini. Im Zentrum seines Schaffens steht vielmehr das Streben nach grösstmöglicher formaler und räumlicher Reduktion.
Nach seinem Studium an der ETH Zürich sowie nach Lehrjahren in Stockholm und Paris tat Vacchini sich vorübergehend mit Luigi Snozzi zusammen. Aus dieser Teamarbeit resultierten Mitte der sechziger Jahre zwei gleichermassen von Mies van der Rohe und Arne Jacobsen inspirierte Bauten, bei denen die Transparenz eine wichtige Rolle spielte: ein Wohnblock in Locarno und das Bürohaus Fabrizia in Bellinzona. Während Snozzi danach das Potenzial einer kontextuellen, sorgfältig aus den Begebenheiten des jeweiligen Ortes entwickelten Betonarchitektur auslotete, erforschte Vacchini die Möglichkeiten eines moderat postmodernen Rationalismus. Daraus resultierten die als Hofanlage konzipierte Saleggi-Schule in Locarno, die im Kern bereits sein späteres Schaffen erahnen liess, und eine Ikone der neuen Tessiner Architektur, der 1975 vollendete Palazzo Macconi in Lugano. Seine bildhafteste Ausformung fand dieser rationale Klassizismus 1984 aber in den symmetrischen Marmorfluchten und Säulenhallen des Schulhauses von Montagnola.
Logik und Poesie
Obwohl die kurz darauf vollendete Casa Alfredo in Dietlikon bei Zürich und das tischförmig angelegte Atelierhaus in Locarno die Hinwendung zu einer kompromisslosen Abstraktion ankündigten, fand Vacchini auf der Suche nach der Essenz des Bauens - während deren das Wohnhaus an der Rue Albert in Paris und die Architekturschule von Nancy entstanden - erst nach einer kreativen Krise zur grossartigen Miniatur der Casa Vacchini in Contra. In diesem kleinen, inmitten von Olivenbäumen hoch über dem Lago Maggiore gelegenen Meisterwerk manifestiert sich Vacchinis Ideal von Logik und Poesie. Mies'sche Einfachheit und Kahns Ausgewogenheit, die in der Aussenform, in der Konstruktion (ein Dach auf zweimal drei Pfeilern) sowie in der Aufteilung in dienende und bediente Räume zur Geltung kommen, vereinen sich hier mit der Tradition des stirnseitig aus dem Hang hervortretenden Tessinerhauses gleichsam zur Erhärtung von Vacchinis Einsicht, dass man, um modern zu sein, die Vergangenheit nicht opfern muss.
Seither kann jeder Bau als eine neue architektonische Recherche verstanden werden, die den Betrachter bald fasziniert, bald ratlos lässt. So antwortete dem in der Landschaft ruhenden Betonhaus in Contra 1996 der minimalistische, zum modisch-jungen Architekturtraktat verdichtete Monolith des verspiegelten Postgebäudes von Locarno, bei dem Vacchini die Tektonik und Geschossigkeit zugunsten einer unterkühlten Anonymität so weit verunklärte, dass die Erdenschwere wie aufgehoben scheint. Nicht weniger auf sich selbst bezogen als dieses rigoros ins historische Stadtbild eingepflanzte Gebäude war der im Jahr darauf eingeweihte Mehrzweckbau in der Einsamkeit des Waffenplatzes von Losone. Im Inneren der Pfeilerhalle, die in ihren harmonischen Proportionen und ihrer Entrücktheit an archaische Tempel erinnert, verwirklichte der Architekt seine platonische Vision eines stützenlosen Glasschreins. Diesem quasisakralen Raumgebilde folgte kurz darauf das kirchenartige Servicecenter von Locarno, mit dem Vacchini bewies, dass auch Nutzbauten eine Aura haben können.
Lob und Kritik
In der Rezeption von Vacchinis Œuvre liegen überschwängliches Lob und ätzende Kritik stets nah beisammen: Wurde die Pfeilerhalle von Losone als Meisterwerk eines gleichermassen zeitgenössischen wie zeitlosen Rationalismus gefeiert, so stiess das Locarneser Postgebäude fast nur auf Unverständnis. Doch sollte sich gerade hier Vacchinis Zuversicht in die klärend wirkende Zeit bewahrheiten. Von dieser profitierte auch die zum Präsentationsteller des Castelgrande umgestaltete Piazza del Sole in Bellinzona. Mit ihren keilförmigen, entfernt an prähistorische Skulpturen gemahnenden Abgängen zur Tiefgarage und dem Spiel von Beton und Granit ist sie in wenigen Jahren zu einem festen Bestandteil im Weichbild der Burgenstadt geworden. Erneut auf Widerspruch stossen dürfte die Galleria Luini in Locarno, die Vacchini mit seiner Partnerin Silvia Gmür, mit der er seit 1995 zusammenarbeitet, entworfen hat. Die anthrazitfarbene Rasterfassade, die nur auf acht mittig angeordneten Betonpfeilern ruht, scheint - ganz ähnlich wie das Postgebäude - zu schweben. Hinter dieser dunklen Hülle, in der sich Transparenz und Verschleierung die Waage halten, verbergen sich zwei Längsbauten, die durch eine offene, in Nord-Süd- Richtung verlaufende Galerie getrennt sind. Aufgrund der Massstabslosigkeit des die wahren Dimensionen verwischenden Fassadengitters ordnet das Auge jedem Rasterfeld eine Etage zu, womit die grossstädtischen Allüren der in Wirklichkeit nur sechsgeschossigen Konstruktion noch stolzer in Erscheinung treten.
Auch wenn Vacchini - anders als beispielsweise Botta - keine Markenzeichen schafft, so prägt doch eine der klassischen Überlieferung verpflichtete Rationalität jeden seiner Bauten. Wer deren konstruktive Schönheit und deren Proportionen verstehen will, kommt nicht um die Publikationspläne herum, die man leicht für konkrete Kunstwerke halten kann. Die meisten dieser formvollendeten Entwürfe konnte Vacchini in den vergangenen Jahren baulich auch umsetzen. Allein, bei seinem 1997 preisgekrönten Wettbewerbsprojekt für eine neue Synagoge in Dresden blieb ihm dies versagt. Anders als der Jury war der Bauherrschaft der nüchterne, von jeglicher Sentimentalität freie Entwurf, in dem eine auf Theorie und Vernunft basierende Architektur triumphiert, zu radikal. Doch Vacchini, der Philosoph unter den Tessiner Baukünstlern, liess sich durch diesen Rückschlag nicht entmutigen. So dürfen alle, denen Architektur etwas bedeutet, hoffen, dass er noch viele aneckende Gebäude planen wird, die den Städten Kanten geben und den kritischen Geist ihrer Bewohner schärfen.
Lust an Einfachheit
Die neuklassizistische Architektur von Hans Kollhoff
Während sich eine jüngere, technikbegeisterte Generation mehr und mehr der computergenerierten, neo-organischen «Blob»-Architektur zuwendet, treibt in Deutschland eine neuklassizistische Baukunst trockene Blüten. Ihren Ausgang nahm sie im vergangenen Jahrzehnt in der Debatte um ein steinernes Berlin. Seither hat sich ihr eine lose Gruppe unterschiedlich begabter Architekten verschrieben, denen die Metropole an der Spree unter anderem das Remake des Hotels «Adlon» am Pariser Platz verdankt. Als ihr Hauptvertreter gilt der heute 56-jährige ETH- Professor Hans Kollhoff, der in der deutschen Hauptstadt zusammen mit Helga Timmermann ein Büro führt. Hier wie dort hat Kollhoff seine Anhänger und Gegner. Ins Kreuzfeuer der Kritik gelangte er in unseren Breiten, als er seine Zürcher Studenten Villen entwerfen liess, deren Interieurs die schwüle Schwere der Gründerzeit atmen. Dabei liess sein Schaffen - dem Charlottenburg einen gelungenen Wohnblock in der Nachfolge Le Corbusiers verdankt - anfangs diese Entwicklung kaum erahnen. Doch dann vollzog Kollhoff eine Kehrtwende, aber nicht hin zum steinernen Minimalismus seiner ebenfalls in Berlin tätigen Kollegen Ungers, Kleihues oder Dudler, sondern über Mies van der Rohe zurück zu Karl Friedrich Schinkel. Dadurch sind seine Bauten immer klassizistischer geworden, genauer: Sie versuchen heutige Investorenarchitektur mit zeitloser Klassik zu adeln. Allein, das Streben nach einer sich in der «Logik von Tragen und Lasten» spiegelnden «universalen Harmonie» garantiert noch lange keine guten Bauten.
Kollhoffs manieriertem Neoklassizismus widmet sich nun eine schlanke Monographie mit einem kurzen, aber hochtrabenden Einführungstext von Fritz Neumeyer. Darin skizziert der Berliner Architekturtheoretiker die Prämissen einer «Architektur der Erkennenden», denen das kulturelle Bewusstsein von der Menschlichkeit in der Baukunst nicht fremd geworden sei. Sein verstecktes, sich auf Vitruvs Trias von Firmitas, Utilitas und Venustas, aber auch auf Alberti, Kant, Goethe und Nietzsche berufendes Plädoyer für eine Architektur der Gemütlichkeit, Schwere und Innerlichkeit gipfelt in einer überholt anmutenden antimodernen Polemik. Obwohl Kollhoff nicht explizit erwähnt wird, bezieht man die Streitschrift auf ihn, und das tut seinem Schaffen, das bei weitem keine absolute Gültigkeit beanspruchen kann, nicht gut. Die dreizehn von Kollhoff seit 1992 entworfenen und mehrheitlich in Berlin realisierten Gebäude, die in dem Band versammelt sind, versuchen zwar die Möglichkeiten des klassischen Repertoires in einer immer mehr von einer nivellierenden Bauindustrie bestimmten Welt auszuloten. Doch anders als etwa beim klassizistischen Rationalisten Livio Vacchini in Locarno reduziert sich Kollhoffs Kunst auf tektonisch gegliederte Fassadenelemente, auf ein mit der Tradition flirtendes Äusseres und eine möglichst gediegene Innenausstattung.
Wirkt das grossbürgerliche Interieur der Villa Gerl wie ein stark purifiziertes Werk von Schinkel, so fröstelt einen beim Betreten der Empfangshalle im Auswärtigen Amt. Hier vereint sich die Monumentalität der unter den Nazis errichteten und von Kollhoff mit Können, aber ohne Sinn für Brüche und Verfremdungseffekte umgebauten Reichsbank mit dem Mobiliar des Barcelona-Pavillons und Gerhard Merz' Licht- und Farbgestaltung zu einem ebenso faszinierenden wie bedrohlichen Gesamtkunstwerk. Dieser eisige Klassizismus erstarrt vollends in den Schinkels Entwurf für ein Kaufhaus Unter den Linden ins Monumentale steigernden Leibniz-Kolonnaden, die so gar nicht an den nach Walter Benjamin benannten Platz passen wollen. Dass Kollhoff dabei - wohl angeregt durch Neumeyer - an Nietzsches «weitgedehnte Orte zum Nachdenken, Orte mit hochräumigen langen Hallengängen für schlechtes oder allzu sonniges Wetter» und an dessen «Lust an Einfachheit, Übersichtlichkeit, Regelmässigkeit, Helligkeit» gedacht haben dürfte, macht diese spröde Architektur nicht sympathischer. Die Kolonnaden beweisen ebenso wie das Europäische Haus am Pariser Platz, dass die Subtilität von Kollhoffs Architektur eigentlich nur in den sorgsam komponierten Aufrissen zum Tragen kommt. Ihre bauliche Umsetzung führt immer zu einer Verhärtung und Erstarrung, denn die allzu perfekt geschnittenen Profile und Steinoberflächen verströmen kein Leben.
Allen Einwänden zum Trotz darf man Kollhoff zugute halten, dass sich seine Bauten in ihrer Strenge, Stille und in ihrem Stilwollen gut in den städtischen Kontext einpassen. Wo - wie in der von Adolf Loos angeregten Newton Bar an der Friedrichstrasse - die strenge Symmetrie durchbrochen wird, da werden seine Arbeiten sogar verführerisch. Eine gewisse Unbeschwertheit erreichen schliesslich die neugotischen Werke, in denen es Kollhoff ähnlich wie einst Schinkel gelingt, sich aus dem Korsett des allzu Rationalen zu befreien. Das Klinkerhochhaus am Potsdamer Platz, in dem Högers Kontorbauten mit amerikanischem Art déco zu verschmelzen scheinen, ist wohl seine bisher eleganteste Arbeit. Ihr antworten nun seit kurzem die Kathedralgotik des Frankfurter Mainplaza-Tower. All diese Werke präsentiert die Monographie anhand von Ivan Nemecs hervorragenden Schwarzweissfotos, die die Härte von Kollhoffs Baukunst ins Zentrum rücken, während die fachlich Interessierten mit kleinen Fassadenrissen getröstet werden. Die Tatsache, dass der Publikation weder technische Angaben noch Schnitte und Pläne beigegeben wurden, illustriert besser als viele Worte Kollhoffs zwischen klassisch-rationalistischen und romantisch-irrationalen Ansätzen oszillierendes Architekturverständnis, das ganz vom traditionellen, durch die Fassaden definierten Baukörper ausgeht und die Funktionen dem äusseren Erscheinungsbild unterordnet.
[Hans Kollhoff. Architektur. Mit einem Essay von Fritz Neumeyer und Photographien von Ivan Nemec. Prestel-Verlag, München 2002. 112 S., Fr. 101.-.]