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Architektur, Kunst, Hygiene
Neue Zürcher Zeitung

Düsseldorf erinnert an die «GeSoLei»

13. Februar 2003 - Hubertus Adam
Der «Ehrenhof» in Düsseldorf zählt zu den bemerkenswertesten Ensembles der Architektur der zwanziger Jahre in Deutschland. Neoklassizistische Axialität, archaisierend-fortifikatorisches Pathos, Elemente des Neuen Bauens und expressionistische Details sind hier zu einem Ensemble verbunden, welches die Rheinfront nördlich der Altstadt bestimmt und den Hofgarten zum Fluss hin abriegelt. Im Einzelnen handelt es sich bei den von Wilhelm Kreis errichteten Klinkerbauten über Muschelkalksockel um die als Planetarium erbaute Rheinhalle (heute Tonhalle), ein Museumsforum und das Restaurant Rheinterrassen.

Von vornherein als dauerhaft konzipiert, entstanden die Gebäude 1926 anlässlich der Ausstellung für «Gesundheit, Soziale Fürsorge und Leibesübungen», kurz «GeSoLei». Die mit mehr als sieben Millionen Besuchern überaus erfolgreiche Riesenschau stellte sich in die Tradition der von dem Dresdner Odol-Fabrikanten Karl August Lingner um 1900 begründeten Hygienebewegung; als wichtigster Initiator der Ausstellung, an welcher das von Lingner begründete Deutsche Hygienemuseum massgeblich beteiligt war, gilt der aus Dresden stammende Medizinalrat Arthur Schlossmann. Und Kreis, der zuvor schon für den Odol-Fabrikanten tätig gewesen war, erhielt auf Grund seines Düsseldorfer Erfolgs schliesslich den Auftrag, das seit längerem geplante Hygienemuseum in der sächsischen Metropole zu bauen.

Die Ambivalenz des Hygienediskurses in den zwanziger Jahren - er verband mit dem Ideal des Lebens in Luft, Licht, Sonne die Vorstellungen einer kulturellen Moderne und liess sich gerade im besetzten Rheinland unter dem Stichwort «Gesundung des Volkskörpers» auch national ideologisieren - bildete den Ausgangspunkt für eine umfangreiche, an der Heinrich-Heine-Universität erarbeitete Publikation zur GeSoLei unter dem Titel «Kunst, Sport und Körper». Im Zentrum der Aufsatzsammlung steht das von der Ausstellung vermittelte Bild vom Körper, wobei besonderes Augenmerk der hauptsächlich von dem Galeristen Alfred Flechtheim bestückten Ausstellung «Kunst und Sport - Kunst und Leibesübungen» galt, in der unter anderem Arbeiten von Delaunay, Baumeister, Slevogt, Grosz und Juan Gris zu sehen waren.

Allerdings kann das komplexe Phänomen GeSoLei mit diesem Zugriff nur ungenügend erfasst werden. Unterbelichtet bleibt die Gesamtkonzeption der sich weit am Rhein entlang ziehenden Ausstellungen. Von Kreis werden wieder einmal nur die dauerhaften Bauten thematisiert, und dass beispielsweise Peter Behrens in einem Musterdorf das «Haus eines Bildhauers» errichtete, erfährt man nicht. Kein Wort über Max Tauts grossen Pavillon für den Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, keine Informationen über Ludwig Hilberseimers grandioses Modell einer «Wohlfahrtsstadt». Auch die Präsentationsstrategien und Installationen werden nicht thematisiert - Walter von Wecus' «Ehrensaal rheinischer Naturforscher und Ärzte» etwa kann zu den wichtigen Leistungen expressionistischer Interieurgestaltung gezählt werden.

Rundum entgleist aber ist die begleitende Ausstellung im Stadtmuseum Düsseldorf. Das völlig abgewirtschaftete Haus, in dem offenkundig selbst die Motivation fehlt, Vitrinen vor ihrer Neubestückung der Reinigung zu unterziehen, wartet mit einer dilettantisch arrangierten Präsentation auf. In den zwei für die Sonderausstellung zur Verfügung stehenden Sälen sind eine Reihe geliehener Exponate lieblos und ohne jeglichen Zusammenhang abgestellt. Von den Charakterköpfen Franz Xaver Messerschmidts spannt sich der Bogen bis zu Körperdarstellungen aus der NS-Zeit. Was das alles mit der GeSoLei zu tun haben soll, erfährt man nicht: nirgends eine Erklärung, nirgends Text, selbst das Kürzel GeSoLei wird nicht erklärt.


[ Bis 20. Februar. Katalog: 1926-2002 - GeSoLei. Kunst, Sport und Körper. Hrsg. Hans Körner / Angela Stercken. Hatje-Cantz-Verlag, Ostfildern-Ruit 2002. 408 S., Euro 25.-. ]

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