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Der Grundriss ist eine Frage des Charakters
Der Standard

Der Wiener Architekt Ernst A. Plischke erfährt späte, doch gründliche Würdigung. Heuer wäre der Mann, der Wien das einzige Gebäude des Internationalen Stils beschert hat, hundert Jahre alt geworden. Sein Leben: ein Emigrantenschicksal.

15. März 2003 - Ute Woltron
Ernst Anton Plischke. Architekt. Möbelentwerfer. Emigrant. Heimkehrer. Geächteter. Einer, der schon in ganz früher Jugend ein „Star“ war, wie man dieser Tage sagen würde, doch auch einer, den die Grausamkeit seiner Zeit vertrieb, und der, als er Jahrzehnte später zurückkam, als aktiver Planer nie mehr wirklich Fuß fassen durfte.

Wien verdankt Ernst A. Plischke viel mehr als die schöne Architektur des Liesinger Arbeitsamtes (1930), denn hier in Wien hat der Architekt am Abend seines Lebens an der Akademie der bildenden Künste seine Lehre verbreitet und eine Reihe heute namhafter, solider Architekten ausgebildet. Hermann Czech, Luigi Blau, Elsa Prochazka, Walter Stelzhammer sind nur ein paar davon. Heuer wäre Plischke hundert Jahre alt geworden, und der Erinnerungsprozess an ihn, der schon vor geraumer Zeit einsetzte, manifestiert sich anlässlich des Jubiläums in einer Reihe von Ausstellungen und Veranstaltungen.

Plischkes Schüler werden im Juni (27. und 28.6.) anlässlich seines Geburtstags ein zweitägiges Symposium veranstalten und auch ein Buch über ihren Lehrer publizieren, das im Pustet Verlag erscheinen wird. Schon zuvor, nämlich kommende Woche, erinnern sich drei Institutionen des vielseitigen Architekten: Ab Donnerstag (20.3.) zeigt die Akademie der bildenden Künste die Schau Ernst Plischke. Das Neue Bauen und die Neue Welt, das Gesamtwerk. Einen Tag zuvor (19.3.) eröffnet das Kaiserliche Hofmobiliendepot die Ausstellung Ernst A. Plischke als Möbeldesigner, und am Freitag (21.3.) findet im Architekturzentrum Wien ein Symposium mit Titel Ernst A. Plischke und die österreichische Avantgarde in der Emigration statt. Zusätzlich erscheint im Prestel Verlag das Buch Ernst Plischke - sein Gesamtwerk von Eva B. Ottillinger und August Sarnitz (75,- €).

Plischke wurde in Klosterneuburg geboren. Er war Sohn eines Architekten und Enkel eines Tischlers, er inhalierte also quasi schon in frühester Jugend die Kultur des Bauens und des Möbelmachens. Beides manifestierte sich in seinen späteren Arbeiten. Doch zuvor studierte der junge Mann an der Kunstgewerbeschule in der Meisterklasse für Architektur bei Oskar Strnad, wo er auch Josef Frank als Lehrer kennen lernte, und in dessen Büro er - als einziger Mitarbeiter - zu arbeiten begann.

1928, gerade 25 Jahre jung, realisierte Plischke seine erste eigenständige Arbeit und gestaltete die kleine Wohnung der Keramikerin Lucie Rie. Er entwarf subtile Möbel, verkleidete Wände mit Holz, blieb dabei zurückhaltend, streng und für seine Zeit ausgesprochen avantgardistisch. (Die Einrichtung der Wohnung ist im Originalzustand erhalten und kann im Hofmobiliendepot besichtigt werden.)

Nach einem kurzen USA-Aufenthalt, der Plischke in das Büro von Louis Kahn führte, kehrte der junge Architekt nach dem Börsenkrach 1929 wieder nach Wien zurück, um mit Leichtigkeit den Anschluss an das Architekturgeschehen zu finden: Er beteiligte sich an der Werkbundsiedlung und erhielt den Auftrag, für Liesing ein Arbeitsamt zu bauen - sein wichtigstes Gebäude für Wien. Hermann Czech, Plischke-Schüler und einer der Talentiertesten im Land, wenn es um Umbauten und zeitgemäße Eingriffe in hochwertiges Bestehendes geht, hat dieses Haus restauriert und adaptiert. Er nennt es „den einzigen Bau Wiens, der vorbehaltlos dem Internationalen Stil zugerechnet werden kann“. 1934 folgte das Wohnhaus Gamerith am Attersee, es wird als das zweite hervorstechende Werk des Architekten in Österreich betrachtet.

1935 war die öffentliche Wertschätzung Plischkes noch so breit, dass man ihm den Großen Staatspreis für Architektur verlieh. Im selben Jahr heiratet der Architekt die Jüdin Anna Lang, im selben Jahr begannen die Aufträge zu versiegen, 1939 schließlich emigrierte die Familie nach Neuseeland, wohin es bereits eine kleine, doch aktive Gruppe österreichischer Emigranten verschlagen hatte. Plischke nahm auch in der neuen Heimat sofort wieder seine Tätigkeit auf, arbeitete etwa für das Ministerium für Wohnungsbau und plante diverse Wohnhäuser und Kirchen, entwarf interessante Möbel und war auch städtebaulich äußerst aktiv.

Erst lange nach Kriegsende erinnerte man sich hierzulande wieder an den so überaus talentierten, klaren Entwerfer. 1961 sprach man ihm in Abwesenheit den Preis der Stadt Wien zu. 1963 wurde er auf Treiben Roland Rainers als Nachfolger Clemens Holzmeisters an die Akademie der bildenden Künste berufen. Sein ehemaliger Student Luigi Blau, mit dem er besonders engen Kontakt hatte, charakterisiert ihn als Lehrer folgendermaßen: „Er war sehr tolerant, obwohl er, wie alle Künstler, durchaus stur war. Doch er ließ uns viel durchgehen, wenn er das Gefühl hatte, dass ein künstlerischer Wille hinter den Entwürfen steckte.“

Nach seiner Heimkehr erhielt Plischke nur wenige öffentliche Aufträge, und wenn er tatsächlich baute, behinderte man ihn mit den Mitteln der Bürokratie. Namhaft aus dieser Zeit nur seine Einfamilienhäuser, wie etwa das Haus Frey in Graz. Plischke starb 1992 in Wien. Die Renaissance seiner Wertschätzung hat er nicht mehr erlebt.

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