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Die Kunst des Entwerfens
ORF.at

Unter dem Titel „Das Handwerk der Architektur“ zeigt das MAK das zeichnerische Oeuvre des italienischen Architekten Carlo Scarpa.

9. April 2003
1989 zeigte das MAK erstmals in Österreich eine große Werkschau des italienischen Stararchitekten Carlo Scarpa. Der 1906 in Venedig geborene Architekt, der 1978 in Japan an den Folgen eines Unfalls starb, arbeitete eng mit der Kunsttischlerei Giovanni Anfodilio zusammen.

Nun gelang es Peter Noever, das Archiv der venezianischen Werkstatt zu erwerben. Modelle und Zeichnungen der 30 Jahre dauernden Zusammenarbeit sind daher jetzt in der Wiener Ausstellung zu sehen.


Manischer Zeichner

„Ich will die Dinge sehen, nur darauf kann ich mich verlassen ... Die Dinge zeigen sich mir bloß, wenn ich zeichne“, meinte Carlo Scarpa einmal zu seiner Entwurfswut. Scarpa verstand sich zwar als Architekt, hatte aber in seinen Anfangsjahren Schwierigkeiten, als solcher anerkannt zu werden. Sein Gesuch um Aufnahme in das Register der Architekten wurde auf Grund mangelnder Berufserfahrung abgelehnt. Seit 1952 arbeitete er als Assistent an der neuen Architekturfakultät der Universität Venedig.


Die menschliche Figur

Scarpa entwarf neben Glasobjekten für Murano auch Möbel. In diesen Entwurfszeichnungen tauchen auch immer Köpfe von Personen - meist seiner Familie - auf. Offenbar nahm Scarpa immer wieder Maß an der menschlichen Figur.

Mit dieser Methode schloss er an Architekturzeichnungen in Italien seit der Renaissance an. Seit dem 15. Jahrhundert wurden diese Paramenter durch die Neuentdeckung des römischen Architekten Marcus Vitruvius Pollio weiter tradiert. Pollio übersetzte Proportionen des menschlichen Körper in Architekturdetails.


Die Moderne

Die Auffassung von Gebäuden als Organismus steht Scarpas Idee von Architektur als lebendiges, offenes System nahe. Gleichzeitig begab sich Scarpa damit in die Fußstapfen der Moderne. Als Beispiele dafür sind die Stützbauweise der Villa Tugendhart oder des Barcelona-Pavillons von Mies van der Rohe zu nennen.

Er studierte eingehend die Bauweise des Amerikaners Frank Lloyd Wright, die seit der Veröffentlichung der Pläne für das Chicagoer Robie-Haus in Europa erst in den 50er Jahren bekannt war. Bei seinem Besuch der Schule Frank Lloyd Wrights in Taliesin/Arizona entdeckte Scarpa, dass seine finalen Lösungen andere waren als jene Wrights. Und dies, obwohl er von ähnlichen Fragestellungen ausgegangen war.


Angewandtes Wissen

Scarpa war wohl einer der letzten und wenigen Architekten, denen ein umfangreiches architektonisches und auch malerisches Wissen zur Verfügung stand.

Die Lichtregie in Andrea Palladios Villen war ihm geläufig und floss in die Gestaltung des Erweiterungsbaus der Gipsoteca Canovia in Possagno 1957 ein. Auch in der Zusammenarbeit mit der Werkstatt Anfodilio war Scarpa immer bereit, von den Handwerkern zu lernen und auf ihre Fähigkeiten der Materialbearbeitung einzugehen.

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