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Wohnbau als kreativer Mehrfrontenkrieg
Der Standard

Wohnen

„Architektur versus Management“ lautete das Thema einer hochkarätigen Wohnbaudiskussion von Architekten, Genossenschaftern und Experten im Wiener Künstlerhaus. Ihr Fazit: Erst durch das Aufeinanderprallen verschiedener Positionen und Interessen könne guter Wohnbau entstehen.

11. April 2003 - Eric Frey
Was sagt ein Filmproduzent dem künstlerisch zu ambitionierten Regisseur? „Mit meinem Geld werden Sie keinen guten Film machen!“ Mit diesem Bonmot eröffnete SP-Technologiesprecher und Ex-ORF-Moderator Josef Broukal die Diskussion über „Architektur versus Management“ im ersten Wohnen Plus Club vergangene Woche.

In der Debatte erwies sich das Verhältnis zwischen Bauherren und Architekten doch eine Spur vielschichtiger als skizziert: Spannungen gebe es auch zwischen Bauherr und Behörden, ja manchmal zwischen Architekt und den zukünftigen Bewohnern. Gerade aus dieser „produktiven Ambivalenz“ könne nicht nur gute Architektur, sondern auch ein menschengerechter Wohnraum entstehen, sagte der Frankfurter Wohnforscher Joachim Brech: „Der Architekt muss immer einen Schritt weiter sein.“

Doch ließe man dem Architekten immer freien Lauf, dann käme nicht nur die Wirtschaftlichkeit, sondern manchmal auch die Kunden zu kurz, warf Wilhelm Zechner, der technische Direktor der Sozialbau AG, ein. „Wenn die Architektur zur Priorität wird, dann wird's gefährlich. Denn dann gibt es später Probleme bei der Bewirtschaftung des Hauses.“ Vor allem die Nachhaltigkeit sei ein Thema, das bei vielen Bauten aus Kostengründen noch zu kurz komme, fügte der Architekt Martin Treberspurg hinzu, dessen Ausstellung „Architektur + Innovationen + Zukunft“ im Wiener Künstlerhaus den Rahmen für die Diskussion bot.


Architekt=Manager

Auch Josef Klemen von der Siedlungsgenossenschaft Neues Leben warnte vor Projekten, „die den Bedürfnissen des Architekten entsprechen, aber die Wohnungsqualität nicht heben“. Dem widersprach Architekt Peter Scheifinger: Von einem Konflikt zwischen Architekt und Manager zu sprechen sei schon deshalb absurd, weil der Architekt auch Manager in Personalunion sein müsse.

Wohnungsbauer Klemen ortete die „echte Konfliktzone“ zwischen Bauherren und Behörden, die mit ihren Auflagen sowohl die Kreativität der Architekten als auch die Wirtschaftlichkeit der Bauträger unterliefen. Ein weiteres Spannungsfeld entstünde dort, wo Baufirmen auf Kosten dieser Qualität möglichst billig bauen wollen, warnte er.

Und Klemen weiter: Deshalb sei die Wohnbauförderung so wichtig. Sie dürfe nicht zur Sozialhilfe degenerieren, sondern sei Teil des Generationenvertrages, da sie jungen Menschen zu qualitativ hoch stehenden Wohnungen verhelfen könne.

Diese Wohnungssuchenden seien in den vergangenen Jahren, in denen das Angebot stetig zugenommen habe, immer wählerischer geworden, merkte Scheifinger an. „Wenn Leute wählen, ist es lästig“, bemerkte er spöttisch, warnte aber gleichzeitig davor, dass angesichts sinkender Wohnungsleerstände die Wahlmöglichkeiten ohnehin schrumpfen würden. Die Wohnpolitik lasse die Situation derzeit „wieder in Richtung Mangel schleifen“.

Scheifinger zeigte auch wenig Sympathie für das Phänomen des „Themenwohnens“: Inhalte werden hier durch Marketing ersetzt. Schuld daran sei auch der Wohnungssuchende, der oft nicht wisse, was er eigentlich wolle. Selbst die viel gepriesenen Passivhäuser bezeichnete er als „Marketing-Gag“.

Er kritisierte auch die Überbetonung von interessanten Fassaden, die nur wenig zu einer echten Wohnqualität beitragen würden. Das sei „nur etwas für Romantiker“, warf er ein. Dem widersprach sowohl Broukal, der die unterschiedliche Qualität von Bauten an Wiener Ausfallstraßen anmerkte, und Wohnforscher Brech: Eine gute Fassade sei „eine Frage des Respekts“.

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