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Fingerspitzengefühl
Der Standard

Ein paar steirische Architekten haben sich zusammengetan, um ihren Landsleuten gute Architektur schmackhaft zu machen. Der Unterschied zu Architektur- vermittlungsversuchen anderer: Sie setzen mit Elan und Spaß dort an, wo sie wirken, nämlich bei den Bürgermeistern.

26. April 2003 - Ute Woltron
Die öffentliche Hand hat viele Finger, und diese Finger pflegen das Land. Sie sollten es jedenfalls tun. Es gelingt ihnen nicht immer. Zu viele Scheußlichkeiten in Form misslungener Gemeindebauten, patscherter Feuerwehrhäuser und verkitschter Stadtplätze beweisen, dass der öffentlichen Hand ganz oft das rechte Händchen für die Architektur fehlt, doch allein das Beklagen dieses bedauerlichen Umstandes hilft keinem weiter. Im Gegenteil.

Außerdem ist mittlerweile eine Zeit des Optimismus angebrochen. Zum einen entstehen - meist von der Öffentlichkeit kaum beachtet, weil fernab der vermeintlich städtischen Zivilisation der Ballungszentren - immer öfter hervorragende Architekturen, und zum anderen hat eine neue Generation von Architekten und Architektinnen verstanden, dass die Sache der Architektur eine ist, die der Vermittlung bedarf. Und wer kann das besser erklären als die Planer selbst.

Wer einmal erlebt hat, wie plötzlich Verstehen und Mögen aufkeimen, wenn Nichtarchitekten fachkundig durch neue Häuser geführt werden, die sie anfangs mit großer Distanz betrachteten, der weiß, dass der einzige Weg zu gutem Bauen über Information und Aufklärung führt. Wer verstanden hat, was gute Architektur sein kann, wird freiwillig nie wieder schlecht bauen oder sich zumindest ein wenig besser informieren, sich ein wenig mehr anstrengen.

Schon vor einiger Zeit dachten auch die steirischen Architekten Reinhard Schafler und Peter Pretterhofer genau so, und da die beiden von tatkräftiger Zuversicht erfüllt sind, saßen sie nicht nur herum, sondern fingen einfach an. Sie überlegten, wo der Hebel angesetzt werden müsse, um tatsächlich Bewegung in die Sache zu bringen, und diese Überlegungen endeten bei den wichtigsten Bauinstanzen, den Bürgermeistern und Baudirektoren der Gemeinden auf dem Land.

Schafler und Pretterhofer baten die Herrschaften also zum Ausflug. Die öffentlichen Würdenträger bestiegen den Autobus, anfangs war man noch ein wenig steif und reserviert, doch schon bald machte sich so etwas wie fröhliche Ausflugsstimmung breit.

Man besichtigte diverse gelungene Beispiele öffentlichen Bauens, diskutierte mit Anrainern und Architekten, mit Benutzern und anderen Bürgermeistern, die diese Schaustücke solider Baukultur zu verantworten hatten. Und zwischendurch tauschte man Erfahrungen aus dem eigenen Bau-Leben aus und redete über Förderungsvarianten und Wettbewerbsverfahren.

Nicht der erhobene Zeigefinger, sondern die Demonstration des Fingerspitzengefühls stand im Vordergrund, oder, wie Schafler meint: „Wir sagen nicht, wir wüssten, wie das Bauen geht, sondern wir schauen einfach gemeinsam gute Häuser an.“ Und zwar solche, die hier in der Steiermark stehen, und nicht in den gelobten Ländern der Architektur wie etwa Tirol oder Vorarlberg.

Um diese erste Bustour nicht in der Vergessenheit zu versenken, sondern auch anderen vor Augen zu führen, begleitete Schaflers Bruder Klaus den Ausflug mit der Kamera und produzierte im Anschluss einen vorzüglichen kleinen Film. Der heißt „baustelle land“, war einer der Bausteine des steirischen Herbstes 2001, wurde von der Landesbaudirektion gefördert und selbst im prall überfüllten Wiener Votivkino gezeigt.

Der Streifen war so erfolgreich, dass nun die steirische Landesbaudirektion den Bürgermeistern nahe legt, ihn zu erwerben - quasi als Anleitung dafür, was andernorts ist und auch in ihren Einflussbreiten sein könnte. Denn auch die oberste steirische Baubehörde durchweht offenbar frischer Wind.

Im noch jungen „Leitfaden zur Abwicklung von Gemeindehochbauten“ (herausgegeben im Herbst 2002) steht als erster Satz geschrieben: „In den letzten Jahren hat sich vermehrt gezeigt, dass die Hochbautätigkeit der öffentlichen Gebietskörperschaften und Institutionen im Allgemeinen und der Gemeindehochbau im Besonderen nicht mehr den alten ,Strickmustern' der Planungsvorbereitung folgen, bzw. auch auf Grund geänderter Rahmenbedingungen (z.B. Finanzkraft, Personal- und Betriebskosten, Nachhaltigkeit) nicht mehr folgen kann.“

Und: „Die Komplexität der gesellschaftlichen Entwicklung erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Bedürfnissen in den einzelnen Gemeinden einerseits und der sorgfältigen Darstellung aller Grundlagen für eine spätere Projektentwicklung andererseits.“

Womit man sich bereits im Kern der Angelegenheit befindet. Pretterhofer präzisiert: „Für die Bürgermeister zählen Werte wie Kosten-Nutzen-Angemessenheit. Man kann ein Architekturstudium nicht mit einer Busfahrt nachholen, aber man kann den Wert der Architektur diskutieren und verstehen lernen.“ Schafler dazu: „Wir versuchen den Schluss zwischen Gemeinden, Land und Architekten zu erzeugen und Synergien zwischen den Bürgermeistern herzustellen. Mit dem Anschauen und Hineingehen in neue Gebäude lernt man, Vorurteile abzulegen.“ Vor allem die wichtige und schwierige Vorbereitungsphase eines Projektes, in der die Weichen in Richtung Qualität gelegt werden oder nicht, überfordert kleinere Bauinstanzen in den Gemeinden häufig.

Hilfestellung seitens derer, die dieses Geschäft gelernt haben und tagtäglich in größerem Rahmen ausüben, ist dringend anzuraten. Im Vorfeld müssten die Ziviltechniker beraten, so die „baustelle land“-Architekten, und nicht erst dann schadensmindernd auftreten, wenn eine schlecht durchdachte Sache schon fast baureif sei. Nur in der Anfangsphase eines Projektes kann der Bedarf optimiert und können die Kosten damit in den Griff bekommen werden.

Aufgrund des großen Erfolges wurde im heurigen Jahr das Busreisen verstärkt wieder aufgenommen: Die erste „baustelle land“-Tour fand bereits Anfang März statt, die nächste startet am 23. Mai und führt von Graz in die nördliche Steiermark. Als Veranstalter tritt nunmehr die Landesbaudirektion auf, Mitfinanzierung, Organisation und Durchführung bleiben Schafler und Pretterhofer vorbehalten.

(Anmeldung bis 5. Mai bei Kristina Posch unter der Telefonnummer 0316-877 20 56)

Das Zusammenarbeiten, sozusagen das Zusammenspannen von ziviltechnischem Fingerspitzengefühl und öffentlicher Hand, greift in der Grünen Mark also offenbar bereits ein wenig. Schafler und Pretterhofer verstehen sich allerdings nicht als „Missionare der Steiermark“, ihr „Hauptmotor ist die Freude an der Lust dran“. Denn: „Es tut einfach weh, diese Ostereier in der Gegend herumstehen zu sehen, wenn man weiß, um wie vieles besser man ein Haus hätte machen können.“

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