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Der Mönchsberg - eine unendliche Geschichte
ORF.at

Die Ausstellung ist nicht nur der reinen Präsentation der Salzburger Architekturprojekte gewidmet, sondern ermöglicht den Besuchern auch einen Einblick in die Hintergründe der Architektur-Diskussionen.

3. Mai 2003
Poster mit Informationen zu rund 70 Projekten, die von rund 40 jungen Architektenteams aus dem In- und Ausland in den vergangenen zehn Jahren konzipiert wurden, sind in der Ausstellung „in/aus/nach Salzburg“ auf kleine Kartonhäuser appliziert. Die Poster beschreiben in Wort und Bild verwirklichte und nicht verwirklichte kleinere Projekte der „aufgeweckten jungen Architekturszene Salzburgs“.

Neben den einzelnen Projekten gewidmeten Häuschen gibt es auch einen eigenen „Themenbereich“, in dem u. a. die Geschichte des Salzburger Gestaltungsbeirats oder die Auseinandersetzung um das kleine Festspielhaus erläutert werden. Hier ein Auszug des Textes von Roman Höllbacher über die Hintergründe der Architekturdiskussion um den Salzburger Mönchsberg.


Am Mönchsberg reibt sich die Stadt seit ihrer Gründung

Der Mönchsberg ist längst kein Stück Natur, sondern im Grunde genommen das größte Bauwerk der Stadt. Im Mittelalter trieb man eine Wasserleitung durch den Berg, im 18. Jahrhundert einen Straßentunnel. Nachfolgende Generationen schlugen Wasserbehälter, Luftschutzbunker und als die Massenmobilisierung auf den Automobilismus umgelenkt wurde, Tiefgaragen in seinen Bauch.

Mit dem Verlust fortifikatorischer Funktion mutierte er allmählich zum Musenhügel. Die Theaterarchitekten Hellmer und Fellner wählten ihn als Bauplatz eines Opernhauses. Mit Mozart im Tornister mobilisierte die Kulturnation Österreich gegen das Deutsche Reich und den Wagnerkult auf Bayreuths „Grünen Hügel“. Den Triumph nordischer Heilslehren über den Ständestaat und das katholizistische Salzburg wollten sodann die Nazis dann umso martialischer dokumentieren. Ausgerechnet ein Armee- Hauptquartier sollte, wie permanente Ansage des Totalen Krieges, über der Stadt thronen. Nach dem Krieg schwor Salzburg wieder ganz auf Internationalität statt braunem Brauchtum. Kein Geringerer als Clemens Holzmeister entwarf einen tholosartigen Pott, so unsäglich, wie die Idee der Musikolympiade selbst, die darin ausgetragen werden sollte.


Von Monumentalbauten bisher verschont

Nach den großen Gesten suchte man das Heil im Unsichtbaren. Den alten Außenlift aus dem Jahr 1891 hatte man schon 1948, weil Schandfleck Nummer eins, abgebrochen und ins Eingeweide des Berges verlegt. Beim Bau des Cafe Winkler in den 1970er Jahren setzte man auf Transparenz statt Dominanz. Moderne Materialien, Stahl und viel Glas, verhießen eine Moderne in Absenz. Wenn, so der Gedanke, das transparente, in den Berg geduckte und abgeschrägte Bauwerk praktisch unsichtbar ist, so kann es auch das Stadtbild nicht beeinträchtigen. Nun, so einfach liegen die Dinge nicht und, weil Analogieschluss halt immer gefährlich, blieb der Irrtum auch nicht verborgen. In den Augen der Altstadtschützer ging dieser technische Großversuch so gehörig daneben, dass er ihnen Jahrzehnte als Fanal im Kampf gegen zeitgenössische Architektur diente.

In diese bleierne Zeit fiel das luzide Projekt eines herbeigerufenen Fremdlings. Er ließ die Salzburger ins Nähkästchen der Moderne blicken und skizzierte an der Mönchsbergwand was es heißt, an einem urbanen Gefüge weiterzubauen und ihm nicht mit inhaltslosen Masken und kopierten Fassaden hinterherzuäffen.

Alvaro Sizas Projekt für die Erweiterung des „Café Winkler“ inklusive Panoramalift traf auf ein völlig unvorbereitetes, hermetisches Establishment.


Schluss mit lustig

In Festspielreden und Geleitwörtern hatte man sich Weltoffenheit so oft bescheinigen lassen, bis man das salbungsvolle Geschwätz tatsächlich für bare Münze nahm. An den Redaktionstischen beschloss man, „jetzt ist Schluss mit lustig“ und trieb den Architekten mit dem sprichwörtlichen nassen Fetzen aus der Stadt.

Den Stadtrat, der die Stirn gehabt hatte das Projekt zu verteidigen, schickte man per Wählervotum ins Ausgedinge. Nach diesem Schock dauerte es Jahre für einen nächsten Akt. Er spielte folgerichtig wieder im Inneren des Berges. Der damalige Bürgermeister, gelernter Wasserbauingenieur, fand Gefallen an der Idee, im Berg ein neues Museum zu bunkern.

Hans Hollein hinterließ der Stadt damals eine Vision. Er verlieh den bloß utilitaristisch verstandenen Kavernen im Berg plötzlich eine ganz neue ästhetische Dimension. Die Idee für ein Kunstzentrum im Berg hatte allerdings schon Gerhard Garstenauer gehabt. Er schlug bereits 1971 eine spiralförmige Anlage vor, die sogar formal gesehen der Holleinschen Idee vorgriff. Obwohl die ursprünglichen und zwischenzeitlich erfundenen Inhalte für Holleins Projekt längst abhanden gekommen sind, beschäftigt es in zyklisch wiederkehrenden Phasen eruptiver Diskursivität Feuilletonisten, Leserbriefschreiber und Politiker. Unter der Hand ist das Projekt längst zum Signum für die Kleinkariertheit der lokalen Eliten geworden.

Vor diesem in Salzburg kaum reflektierten Hintergrund geriet die Idee, das sieche Café Winkler zu einem Museum der Moderne umzubauen zur Zitterpartie.


Stadtpolitik umgangen

Wenn schon nicht absent, wo war nun eine Architektur mit angezogenen Handbremse das Ziel. Hatten sich beim Kolloquium für den europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb noch 600 ArchitektInnen interessiert, waren nach einer mehr oder minder gezielten Demotivierungskampagne gerade noch 145 Teams bereit, einen Beitrag abzugeben.

Um sich nicht den intellektuellen Abgründen gemeinderätlicher Diskutierfreude auszusetzen, machten die Verantwortlichen einen großen Bogen um die Entscheidungsträger in der Stadtgemeinde Salzburg. So musste der Neubau als Umbau tituliert werden und aberwitzige rechtliche Konstruktionen geschaffen werden, um nur ja nicht am Wankelmut der Stadtpolitik anzustreifen. Gekürt wurde schließlich das nunmehr in Ausführung begriffene Projekt der Münchner Architektengruppe Friedrich/Hoff/Zwink.

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