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Architekten als Strategen und Initiatoren
Der Standard

Studenten der TU-Wien organisierten eine Konferenz über Zukunftsstrategien in der Architektur

13. Oktober 2001 - Franziska Leeb
Neue Strategien im Städtebau diskutierte vergangenen Montag eine illustre Runde im Wiener Semper Depot. Changing Strategies, so der Titel der interdisziplinären Konferenz, wurde von Architekturstudenten mit dem Institut für Hochbau und Entwerfen an der TU Wien initiiert. Peter Kraljic, von der Beraterfirma McKinsey-Düsseldorf machte schnell klar, wie es läuft: Die Finanzmärkte geben die Regeln vor, wer sich nicht darauf einstellt, verliert. Das gilt nicht nur für Firmen, sondern auch für Städte und Regionen. Die Kultur einer Stadt zeichnet sich auch in ihrer Planungspraxis ab, behauptet Joost Schrijnen, Stadtplanungsdirektor in Rotterdam. Horizontale Planung unter Miteinbeziehung möglichst vieler Parteien statt hierarchischer Prozesse bündelt Wissen und Visionen. Und: Der selbstbewusste Umgang mit Geschichte und Zukunft verrät viel über das Selbstverständnis einer Stadt.

Florian Beigel, Architekt in London und Leiter der Architecture Research Unit an der Architekturschule der University of North London und sein Partner Philip Christou begegnen in ihren Städtebaukonzepten marktabhängigen Veränderungen mit Landschaftsinfrastrukturen. Sie arbeiten die Geschichte eines Ortes heraus und versuchen architektonische Qualitäten von Bestand zu schaffen. Der Verzicht auf ein definiertes Programm lässt Möglichkeiten offen. Eine Stadtlandschaft nach diesen Regeln plant das Büro zurzeit in Berlin-Lichterfelde. Architekten können Prozesse in Gang setzten, weiß Roger Riewe, seit kurzem Professor für Hochbau an der TU Graz. Ein Beispiel ist das grenzüberschreitenden Projekt Graz-Maribor. Was Politikern aus wahltaktischen Gründen zu heiß ist, müssen andere initiieren. Dennoch, es braucht Politiker die sich für eine Sache einsetzen, sowie positive Energie, weiß der Holländer Schrijnen aus eigener Erfahrung. Städten, in denen negative Entwicklungsszenarien gezeichnet werden, kommt der Niedergang automatisch.

Ein leidenschaftliches Plädoyer für „Community Arts“ trug die britische Kunst- und Medienvermittlerin Sylvia King vor. Selten sind Architekten bereit, Planungsprozesse mit gründlichen Debatten zu beginnen sowie berufs- und standesimmanente Vorstellungen über Bord zu werfen und damit Teil einer kulturellen Demokratie zu werden. Das Verändern von Standpunkten schafft neue Ansichten, weiß auch der Künstler Norbert Brunner. Wenig Veränderungswillen kann Architekturprofessor William Alsop in Wien erkennen und fragt im gleichen Atemzug, wie es sich eine Stadt leisten könne, dass die Herren Holzbauer, Peichl und Hollein über Jahrzehnte die Szene beherrschen. Das größte Problem der Architektur seien die Architekten selbst. Offenheit und die Einbeziehung der künftigen Nutzer in den Entwurfsprozess sind Voraussetzungen für eine zeitgemäße Architektur.

Der Architekt muss thematisieren, kommunizieren und integrieren. Bauten, die aus solchen Prozessen hervorgehen, sind imstande, Identität zu schaffen und Menschen positiv zu stimulieren. Wie sehr Architektur das soziale Gefüge einer Stadt mitbestimmen kann, zeigte ein Film über Alsops Bibliothek in London-Peckham. Sie ist ein offenes Haus und Treffpunkt für alle Bevölkerungsschichten. Kein Bildungsbunker, wie man es hierzulande gern hat.

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