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Elegante Monolithen
Neue Zürcher Zeitung

Neue spanische Architektur im Museum of Modern Art in New York

In den letzten Dekaden hat sich Spanien dank gezielter Förderung zu einem der architektonisch interessantesten Länder in Europa entwickelt. Doch die Ausstellung im Museum of Modern Art präsentiert das Thema ungeschickt und ohne die nötige Hintergrundinformation.

10. April 2006 - Andres Lepik
Seit dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975 hat Spanien eine rasante ökonomische und kulturelle Entwicklung durchlaufen. Im Bereich der Architektur führte der Aufholprozess im Verbund mit dem schnell wachsenden Tourismus einerseits zur Verunstaltung ganzer Landstriche. Anderseits hat sich Spanien auch durch viele qualitativ hochwertige Bauten zu einem der architektonisch führenden Länder Europas entwickelt. 1992 brachten die Weltausstellung in Sevilla und die Olympischen Spiele in Barcelona nachhaltige architektonische Impulse. Die Eröffnung des Guggenheim-Museums in Bilbao 1997 verstärkte noch das internationale Interesse an der Architekturentwicklung in Spanien. Die intensive Förderung der Baukultur hält in allen Regionen an, getragen nicht zuletzt durch die finanzielle Unterstützung Spaniens durch die Europäische Union.

Glanzstücke ohne Kontext

Eine Ausstellung zur zeitgenössischen Architektur in Spanien bietet sich angesichts der lebhaften Bau- und Planungstätigkeit an. Spaniens Baukunst war zuletzt im Jahr 2000 Thema einer breit angelegten Präsentation. Diese fand im Rahmen einer Serie zur Architektur des 20. Jahrhunderts in verschiedenen europäischen Ländern im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt statt. Den Blick auf die neuesten Entwicklungen richtet nun das Museum of Modern Art (MoMA) in New York mit der Ausstellung «On-Site: New Architecture in Spain». Gezeigt werden 53 Beispiele, davon 18 Bauten, die in jüngster Zeit fertig gestellt wurden, und 35 Projekte, die in Planung oder im Bau sind. Der älteste gezeigte Bau, inzwischen schon beinahe ein Klassiker, ist Rafael Moneos Rathauserweiterung von 1998 in Murcia. Von den ausgewählten Architekturbüros stammen zwei Drittel aus Spanien, ein weiteres Drittel stellen die Stars der global agierenden Architekturszene, von den Altmeistern Frank Gehry und Richard Rogers über Herzog & de Meuron, Rem Koolhaas, Jean Nouvel und Zaha Hadid bis hin zum japanischen Kultbüro SANAA.

Die thematische Auswahl legt ein starkes Gewicht auf die Kulturbauten, vor allem Museen, Theater und Musikzentren. Während Wohnarchitekturen und kommunale Bauten noch einigermassen gut vertreten sind, fehlen Industrie- und Ingenieurbauten ebenso wie Beispiele der Städte- und Landschaftsplanung. Überraschungen sucht man vergebens - und abgesehen vom «Metropol Parasol»-Projekt in Sevilla von Jürgen Mayer H. und dem Hotel «Habitat» von Enric Ruiz-Geli in Barcelona finden sich so gut wie keine formal oder konzeptionell experimentellen Ansätze. Dem Besucher dieser Ausstellung stellt sich Spanien als ein Land dar, dessen Bewohner überwiegend in architektonisch solide durchgestalteten, isolierten Einzelobjekten leben, in ebensolchen arbeiten und ihre Freizeit in Kultur- und Sportanlagen verbringen, die von Stararchitekten gestaltet wurden. Historische Zusammenhänge werden ebenso ausgeblendet wie urbanistische, politische und soziale, aber auch inhaltliche und konzeptionelle Hintergründe der einzelnen Projekte.

Spannungslose Präsentation

Architekturausstellungen erweisen sich im Museumskontext stets als besondere Herausforderungen, da Architektur bekanntlich nur in Form von Zeichnungen, Modellen, Fotos oder Filmen veranschaulicht werden kann. Umso wichtiger ist die Ausstellungsarchitektur, die im besten Fall eine Atmosphäre herstellen kann, die unmittelbar auf die reale Architektur verweist. Philip Johnson, der erste und langjährige Chefkurator der Architektur am MoMA, hat in der Frühzeit des Museums mit seinen Inszenierungen Architekturgeschichte geschrieben. Wie ernüchternd ist dagegen die Präsentation von «On-Site»! Die realisierten Bauten werden als Grossfotos an den weissen Wänden vorgestellt, die laufenden Bauvorhaben mit Modellen und wenig informativen Text- und Bildpaneelen präsentiert. Der Gesamteindruck ist steril und spannungslos, nichts schlägt von den gezeigten Projekten auf die Darstellung durch, es entsteht kein Diskurs zwischen Projekten und Modellen. Nur einige grellfarbige, eigenwillig expressiv gefaltete Sockel für Modelle sind ein Hinweis auf einen übergreifenden Gestaltungsansatz. Auch der Katalog bringt, abgesehen von einer Gesamtübersicht, kaum zusätzliche Informationen oder Hintergründe.

Terence Rileys Abschied

«On-Site» wurde von Terence Riley geplant, der nach 14 Jahren Tätigkeit als Chefkurator für Architektur und Design am MoMA die Leitung des Miami Art Museum übernimmt. Neben den bedeutenden Einzelausstellungen zu «Frank Lloyd Wright» (1994) und «Mies in Berlin» (2001) hat Riley in seiner Zeit am MoMA wichtige Themenausstellungen wie «Light Construction» (1995) und «The Un-Private House» (1999) kuratiert. Seine letzte Präsentation ist trotz dem interessanten Thema ein glanzloser Abschied geworden; sie kann den wegweisenden Anspruch früherer Architekturausstellungen des MoMA nicht mehr einlösen.

[ The Museum of Modern Art, bis 1. Mai. Katalog: Terence Riley: On-Site. New Architecture in Spain. The Museum of Modern Art, New York 2006. 280 S., $ 45.-. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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