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Warten, worauf?
Spectrum

Wie plant man eine alte Stadt neu? Man nehme: drei Stararchitekten, Ideen, eine Studie, einen Plan. Was jetzt noch fehlt, ist der Mut zur Entscheidung. Über den Versuch, die Eisenstadt Steyr zu beleben.

13. Mai 2006 - Franziska Leeb
Groß war die Euphorie der Stadtväter, als in der Eisenstadt Steyr im Juli 2003 die Ergebnisse einer städtebaulichen Studie der besonderen Art präsentiert wurden. Mit Günther Domenig, Zaha Hadid und Luigi Snozzi waren drei Baukünstler von Rang geladen gewesen, um Gestaltungsvorschläge für das Areal um den Brückenkopf am Schiffmeisterplatz zu erarbeiten. Auslöser war das Umbaubegehren eines Sportartikelhändlers, der sein Stammhaus erweitern wollte. Der Gestaltungsbeirat pochte auf eine der Qualität des Stadtzentrums adäquate Lösung und nahm das Projekt zum Anlass, das städtebaulich problematische Umfeld an einer Schlüsselstelle der Stadt von Grund auf zu behandeln. „Weltklassearchitekten“ wollte man bemühen, und die drei angesprochenen Stars ließen sich nicht lange bitten. Sieger ging aus dem Verfahren keiner hervor. Der Gestaltungsbeirat empfahl der Stadt vielmehr, von jedem das Beste zu nehmen. Snozzi solle mit der Bearbeitung der Uferterrassen und einer Aufstiegshilfe zur Ennsleite beauftragt werden, Hadid eine Machbarkeitsstudie für ein als notwendig erachtetes Hotel erstellen, und Domenig wurde den Sporthausbetreibern als Architekt nahe gelegt.

Drei Jahre später ist von all dem nichts passiert. Das Zentrum und sein als Ensemble einzigartiger Stadtplatz leiden nach wie vor unter Verkehrsüberlastung, und immer häufiger stehen Ladenlokale leer. Sowohl zu Fuß als auch motorisiert ist die Anbindung des Altstadtkerns an die umliegenden Stadtteile, topografisch bedingt, nicht ganz einfach zu bewerkstelligen.

Dennoch ist seit dem Auftritt der drei Architekturkoryphäen etwas geschehen. In einem Bürgerbeteiligungs-Verfahren wurden Stärken und Schwächen des Stadtplatzes analysiert. Zur Erstellung eines städtebaulichen Leitbildes holte man sich Architekt Ernst Beneder. Dieser ist als ehemaliges Mitglied des Steyrer Gestaltungsbeirats mit der Stadt vertraut und seit seinem Stadtprojekt für Waidhofen an der Ybbs (1992 bis 2001) im Umgang mit historischen Stadtkernen und dabei auftretenden Interessenkonflikten geübt.

Beneder behandelte nicht nur den Platz an sich, sondern prüfte auch die übergeordneten stadträumlichen Bezüge. Sein „SteyrPlan“ geht vom Widerspruch zwischen der Einmaligkeit des Ortes und der unbewältigten Verkehrsproblematik, die diesen Lebensraum für viele Bewohner so schwer erfahrbar macht, aus. Steyr beeindrucke über die szenische Bildhaftigkeit der historischen Substanz hinaus als glaubwürdiger Lebensraum, ist Beneder überzeugt. Die Durchdringung von Stadt- und Naturraum, Arbeitswelt und Freizeit habe sensationelle, selten anzutreffende Qualitäten. Trotz einer Entfernung von nur 500 Meter Luftlinie sind aber für außerhalb der Altstadt lebende Bewohner die Einkaufszentren an der Peripherie leichter erreichbar als die Innenstadt.

Beneder zog also in seinen planerischen Überlegungen einen Kreis von 500 Metern Radius um das Zentrum und veranschaulicht damit, innerhalb welch kurzer Distanzen wesentliche Elemente der Stadt situiert sind. Um den Weg zur Altstadt nicht als unattraktiven Zwischenraum und verlorene Zeit zu erleben, schlägt er vor, die Verbindungswege als „Qualitätskorridore“ auszubilden. Unwegsamkeiten sollen entschärft werden, zum Beispiel mittels Aufstiegshilfen. Zudem könnte die überfällige Neuplanung des zentrumsnahen Bahnhofsareals Hand in Hand mit der Schaffung von neuen Wohnungen gehen, was Beneder generell als wichtigen Frequenzbringer zur Belebung der Innenstadt sieht. Im Klartext: Der motorisierte Individualverkehr sinkt, und die Belebung steigt, je mehr Menschen fußläufig bequem die Altstadt erreichen können.

Fokus des Plans ist der Stadtplatz. Seine Enden sind Nadelöhre und nicht für exzessiven Verkehr ausgelegt. Beneders Konzept zielt darauf ab, den Charakter eines freien Platzes wiederherzustellen. Außerhalb gelegene Parkplätze sollen fußgängerfreundlich angeschlossen, Parkmöglichkeiten auf dem Platz auf ein Minimum reduziert, und der öffentliche Verkehr soll mit einem kleinen Shuttlebus anstatt des behäbigen Linienbusses optimiert werden. Infrastruktureinbauten für den Markt und eine mobile Bühnentechnik vor dem Rathaus rüsten den Platz für Veranstaltungen. Die Aufstellung der Marktstände soll, an den beiden Engstellen beginnend, ins Platzzentrum leiten. Kurzum, der Platz soll als Aktivitätsfeld wiedergewonnen werden. Klar, dass damit weniger Platz für die Autos ist.

Dass etwas geschehen muss, scheint allen bewusst zu sein. Bürgermeister David Forstenlechner hebt zwar den breiten politischen Konsens für den SteyrPlan hervor und betont, dass alle zukünftigen Planungen und Baumaßnahmen auf Basis dieses Leitprojekts entstehen sollen. Ernsthaft in Angriff genommen oder beschlossen wurde einstweilen noch nichts. Noch scheint der Leidensdruck zu gering zu sein. Der Stadt geht es gut, sie bietet Lebensqualität, und es scheint, als würde man auf Großinvestoren warten, um, ausgehend von einem einzelnen Projekt, das Umfeld zu verbessern. Politisch heikel sind natürlich auch jene Bürgerstimmen, die sich vehement gegen einen „autofreien Stadtplatz“ wehren, da Frequenz- verluste für die ansässigen Geschäftsleute befürchtet werden. Beneder indes bezweifelt, dass die bereits jetzt schon raren Parkplätze tatsächlich zur Belebung beitragen.

Während Beneder den öffentlichen Raum im Zusammenhang betrachtet, erarbeitet Architekt Hermann Proyer seit drei Jahren gemeinsam mit Fachleuten und der Hausbesitzerin ein von der EU-gefördertes Konzept für einen internen Markt. Das Haus Grünmarkt 17, vordem als Modehaus genutzt, verfügt über rund 600 Quadratmeter Geschäftsfläche. Hier soll, so der Wunsch der Initiatoren, ein großer Umschlagplatz für biologische Waren aller Art - bespielt von Produzenten aus der Region - entstehen und ebenfalls als Attraktor für den Stadtplatz wirken.

Domenig, Hadid und Snozzi bewiesen, dass Gegenwartsarchitektur auf hohem Niveau durchaus mit einem historischen Stadtgefüge kompatibel ist. Auch die jetzt als so harmonisch empfundene Altstadt ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen Bautätigkeit. Beneder lieferte eine brauchbare Analyse der Probleme samt Perspektiven für die Zukunft. Die Vorarbeiten für eine zeitgemäße Aufrüstung sind gemacht. Fehlt nur noch der Mut zur Entscheidung, die Stadt auf hohem Niveau weiterzubauen. Fähige Architekten und Architektinnen wären vorhanden.

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