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Fernsteuerung für den Hundenapf
Der Standard

Ein Schweizer hat sein gesamtes Anwesen digital fest im Griff: Ein Blick in eine mögliche Zukunft häuslicher Technologien

2. September 2006 - Ute Woltron
Man muss wissen, dieser Mann ist orthopädischer Chirurg. Ein Mann absoluter Präzision also, jemand, der für die reibungslose Geschmeidigkeit von Abläufen aller Art zuständig ist und dafür mikroskopisch genaue Arbeiten zu verrichten pflegt.

Andreas Bänziger (44), von dem hier die Rede ist, ist noch dazu jemand, der die sich ständig verbessernden ökonomisierenden und rationalisierenden Tugenden moderner Technologien begrüßt wie andere die neue Herbstmode. Mit dieser kühl überlegten Kombination aus Medizinwissen, Technikverständnis und Software-Know-how hat der Schweizer seine Unternehmen gegründet und offenbar einiges an Geld verdient.

Einen Teil davon, umgerechnet etwa die satte Summe von vier Millionen Euro, hat er nun in ein Haus gesteckt, das dermaßen auf Technologie zurechtgeschnitten ist, dass es wahrscheinlich ausschließlich von ihm selbst bewohnt werden kann - und von seinem Hund natürlich. Doch das Haus bietet andererseits Ausblick auf die ungeahnten Möglichkeiten der Technik, die künftig modernes Wohnen durchaus standardisiert prägen könnten.

Wir befinden uns auf 1000 Meter Seehöhe im putzigen Appenzellerland, wo die Kühe, die die Milch für die gleichnamige Käsespezialität geben, wie frisch gewaschene Ansichtskartenmotive auf den Weiden stehen. Auf den etwa eineinhalb Stunden Fahrtzeit von Zürich hierher war es so gut wie unmöglich, irgendeinen Unrat auf den säuberlichen Straßen zu entdecken, und die Häuschen, die auf steilem Hang die Nachbarschaft zu Bänzigers Villa bilden, sind ebenfalls makellos postkartentauglich.

Dazwischen: ein modernes Gebilde. Viel geradliniger Sichtbeton, in Schichten übereinander getürmt. Hinter großen Glasscheiben lässt sich schon von außen die freiliegende Holzkonstruktion des Daches ablesen. Ein Pool im Hintergrund, daneben ein Teich, vorne viel Hang und kein Stämmchen Unkraut im Rasen. Angeblich heißt das Haus hier in der Nachbarschaft das „James Bond Haus“. Das trifft technologisch durchaus zu, ist was das Architektonisch-Formale anlangt jedoch eine Versündigung wider die tatsächlichen James-Bond-Häuser, deren bemerkenswerteste Exemplare vom gottbegnadeten Betonskulpteur John Lautner in den 70ern geformt worden waren.

Andreas Bänziger hat keinen Architekten zurate gezogen, sondern als Mensch der Kontrolle sein Haus selbst bis in das kleinste Detail entworfen. Seine vielfärbigen Entwurfspläne sehen aus wie die Schaltpläne eines kleinen Atomkraftwerks, denn hier regiert eine unsichtbare, sich durch alle Ecken und Flächen ziehende Technologie. Die stammt fast ausschließlich von den dänischen Reduktionskünstlern Bang & Olufsen, denen der Schweizer Kunde auf rund 1000 Quadratmetern Nutzfläche ein geräumiges Hightech-Experimentierfeld bietet. Beleuchtung, Jalousien, Heizung, Zutritt, Bewässerung - alles wird via Computer überwacht und gesteuert.

Dass das Haus selbst Niedrigtechnologiestatus hat, versteht sich von selbst. Erdwärme wird abgezapft, die Lüftung erfolgt kontrolliert, geheizt wird über die Böden. Doch auch alle weiteren vitalen Funktionen dieser Wohnmaschine sind digitalisiert und auf Knopfdruck steuerbar. Wenn Herr Bänziger des Morgens wahlweise vom TV- oder Radiogerät erweckt wird, hat ein auf die Weckzeit programmierter Mechanismus bereits die Raumtemperatur des Badezimmers kontrolliert und auf optimale Konditionen hochgefahren.

Steht ein morgendliches Bad auf dem Programm, so befindet sich der Whirlpool in befülltem Zustand, sobald der Hausherr seinen Frühstückskaffee zu sich genommen hat. Auch die dafür erforderliche Espressomaschine ist digital mit dem System vernetzt und via Laptop programmierbar, was zur Folge hat, dass die Tassen exakt bis fünf Millimeter unter den Rand befüllt werden.

Ist zwischenzeitlich auch der Hund erwacht, so darf er sich eines erfrischenden Morgentrunkes erfreuen, ohne dafür sein Herrchen schwanzwedelnd auffordern zu müssen. Denn ein vollautomatischer Wassernapf, eingelassen in dunklen polierten Granit, befüllt sich automatisch dank eines Bewegungssensors, wenn sich das Tier nähert.

Sollte überraschend Besuch an der Haustüre läuten, während der Hausherr noch in der Wanne sitzt, so kann er mittels Fernbedienungsknopfdruck auf einem TV-Schirm von De-luxe-Handtuchgröße kontrollieren, wer da vor der Türe steht.

Etwa zur gleichen Zeit kontrolliert das System im Garten die Temperatur des Teichwassers, denn die bunten Kois darinnen fühlen sich bei etwa 15 Grad Celsius am wohlsten. Ist diese Temperatur überschritten, ergeht ein automatisches Mail an den Gärtner, er möge anreisen und kühlend einschreiten.

Leider, so Bänziger, sei der Milchmann bis dato noch konservativerer Haltung verhaftet. Der habe noch kein Mail, er müsse also angerufen werden, wenn die Milch ausgehe. Er verfügt jedoch über einen Code, mit dem er - wie übrigens auch der Fleischhacker - eine Apparatur neben der Haustür betätigen kann. Mittels Knöpfchendruck öffnet sich dort eine Zulieferungstür zu einem Kühlschrank, in dem die Ware abgeliefert wird. Kehrt Herr Bänziger von Reisen heim, dreht sich die Konstruktion und die gekühlten Waren können von innen entnommen werden.

Nach getanem Tagwerk mag das Heimkino Entspannung bringen. Herr Bänziger bedient auf seiner B&O-Fernbedienung abermals nur einen Knopf - und das Büro verwandelt sich vollautomatisch in einen Kinosaal mit Soundsystem, um das der Mann von hiesigen Landkinobetreibern zähneknirschend beneidet würde. Rollos fahren herunter, die Lichter gehen langsam aus, eine Leinwand fährt aus der Decke, ein versenkter Super-Beamer schickt perfekte Bilder durch den Raum.

Das alles, behauptet Bänziger, diene ausschließlich der Vereinfachung des Lebens und des Komforts. Mit sinnlosen Spielereien habe er nichts am Hut. Ist er unterwegs, so kann er das gesamte Haus übrigens über sein Mobiltelefon steuern. Stammt die Hardware von B&O und aus Dänemark, so sitzt der Home-Server-Programmierer in Zell am See und heißt Christoph Mayr. Die Wunder der Technik - sie sind ohne Grenzen.

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