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Bauen im mittleren Westen
Spectrum

Sie werden kaum aussterben, jene Architekturschreiber, die vom Büropult aus, hinter Stapeln internationaler Zeitschriften dem Klischee frönen, in den ländlich-industriell geprägten Bundesländern Niederösterreich oder Oberösterreich sei es mit akzeptabler Architektur nicht weit her. Denn, so meinen und vertreten sie offenbar, die wirkliche Architekturkultur sei nur in den großen Zentren zuhause. Sie verkennen jedoch den Strukturwandel der vergangenen zwei, drei Jahrzehnte, in denen das Bildungsprivileg der großen Städte von engagierten landstädtischen Gymnasien unterlaufen wurde, sodass in Gebieten, in denen bisher brave Baumeister den Stil vorgaben, neuerdings der Region entstammende Architekten sich wieder dort niederlassen und ihre nicht selten internationale Erfahrung zu qualifizierten Bauwerken konkretisieren.

15. Oktober 2006 - Walter Zschokke
Unter dem Vorsitz der engagierten Publizistin und Architektin Romana Ring-Szczurowsky ergriff daher das Architekturforum Oberösterreich zusammen mit dem führenden regionalen Printmedium, den „Oberösterreichischen Nachrichten“, die Initiative. Sie wollten wissen, wie die oberösterreichische Wirtschaft baut. Über einen Wettbewerb, der sich an Industrie, Gewerbe und Handel richtete und bei dem vor allem das Engagement der Bauherrschaften ausgezeichnet werden soll, kamen beachtliche 85 Einsendungen zustande. Eine Endauswahl wurde eingehend besichtigt, wovon der Schreibende profitieren und sich beeindrucken lassen durfte. Der folgende Querschnitt versucht subjektive und regionale Argumentationslinien einander anzunähern, ohne damit den Juryentscheid relativieren oder kommentieren zu wollen.

Bei der Fahrt durch Oberösterreich liegen oft genug ausgedehnte Felder und kleine Waldstücke beidseits der Landstraße. Doch unvermittelt taucht über einem noch stehenden Maisfeld ein lang gestrecktes Gebäude auf, dessen riesige Ausmaße sich nur erahnen lassen. Die Produktions- und Lagerhalle der Firma Fronius bei Sattledt, entworfen von den Architekten Benesch und Stögmüller, ist noch im Bau. Sie liegt über den Einstellhallen für die Mitarbeiterautos. Damit entfallen die Land fressenden Parkierungsflächen, wie man sie sonst von Anlagen dieser Größe kennt. Die Fassaden sind plastisch gegliedert, was mithilft, trotz der riesigen Dimensionen den Maßstab zu wahren.

In Schwanenstadt hat die Holzbaufirma Obermayr von „F2 Architekten“ eine Fertigungshalle planen lassen. Die beiden „F“ stehen für Markus Fischer und Christian Frömmel, die ihren Bürositz in Schwanenstadt haben. Die Dachkonstruktion der Halle besteht aus langen, tafelartig gegeneinander verfalteten Sandwichelementen aus Holzwerkstoffen. Aus der Differenz ergibt sich die Höhe der Fachwerkträger, die mit schlanken Diagonalen aus Stahl (siehe Foto)
sich vor den aufgespannten Oberlichtern hinziehen. Raumkonzept, Tragwerk und Lichtführung bilden gemeinsam ein integrales Ganzes. Gleichsam beiläufig kommt dazu, dass die Anlage als Null-Energie-Gebäude funktioniert.

Nahe der Autobahn bei Schörfling kann man einen langen, quaderförmigen Baukörper ausmachen, dessen rational abstrahiertes Tragwerk hinter einem extrem zart wirkenden Vorhang einer großflächigen Glasfassade zu erkennen ist. Die wasserhelle Membran ist Programm, denn die international tätige Firma produziert Glasfassaden. Heidl Architekten aus Leonding haben den Firmenanspruch bildwirksam ungesetzt.

Aber nicht nur große Anlagen, die auf der grünen Wiese geplant werden konnten, zeichnen sich durch ihre Architekturqualität aus. Mittelgroße Bauaufgaben, als Zubauten oder im städtebaulichen Kontext für entsprechende Firmen errichtet, fallen genauso positiv auf. Da ist das Bürohaus Schrangl, Preslmayr, Schauhofer in Linz der Architekten Schneider & Lengauer. Anthrazit eingefärbter Sichtbeton mit geometrisch exakten Kanten prägt das äußere Bild, das sich im Inneren fortsetzt. Doch gelingt es, der Härte des Materials dank der Einfärbung einen überraschend sanften Charakter abzugewinnen, der zu durchaus angenehmen Einzel- und Großbüros führt.

Ebenfalls mit durchgefärbtem Beton arbeitete Architekt Andreas Heidl für ein bei Gunskirchen errichtetes Bauwerk, in dem heiratswillige Paare sich ihre Gewandung aussuchen und bei der großen Auswahl, die von Erika Baudisch bereitgehalten wird, wohl auch finden können. Mächtige vorgefertigte Elemente aus terracotta-rosa eingefärbtem Beton sind lapidar auf- und ineinander gefügt. Nach außen ergibt dies, wie auf dem Foto zu erkennen ist, ein unverkennbares Bild. Im Inneren kontrastiert die fast samtig wirkende Oberfläche zu den feinen und duftigen Stoffen. Durch große Glasflächen im Dach einfallendes Licht erzeugt zusammen mit dem warmen Farbton eine mediterrane Atmosphäre, eine Erinnerung an gern gewählte Ziele für die Reise nach der Trauung.

Ein Haus mit jahrhundertealter Tradition, das Stift Schlierbach, plante, den Verkaufsbereich zu adaptieren. Die Welser Architekten Maximilian Luger und Franz Maul schlugen vor, nach einem betrieblichen Gesamtkonzept ein „Genusszentrum“ zu errichten, in dem die Produkte des Stifts besichtigt, genossen und erworben werden können. Auf den mehrgeschoßigen Sockel eines alten, an die Hügelkante gelehnten Ökonomiegebäudes setzten sie ein leichtes und transparentes, neues Dachgeschoß. Zu den barocken Gebäuden im ersten Stiftshof tritt es mit einer hohen Vorhalle in Erscheinung, die zu den beiden anderen eine städtebauliche Konstellation eingeht (siehe Foto). Am anderen Ende bietet eine gedeckte Terrasse hoch über den Häusern der Ansiedlung einen überwältigenden Ausblick über die nach den Voralpen flach auslaufende Landschaft.

Doch auch räumlich kleine Aufgaben vermögen architektonisch zu strahlen, wie das Verkaufslokal des Juweliers Mayrhofer am Linzer Hauptplatz beweist. Die historischen Gewölbe erhielten eine komplett neue, zeitgenössische Auskleidung mit einer völlig anderen aber durchaus starken Raumwirkung.

Weniger heftig verfuhren in Wels die Architekten Benesch & Stögmüller für das Friseurgeschäft „Hairline“. Einfühlsam wurden verschiedene Raumzonen konzipiert, und einer seriellen Anordnung der Frisierplätze wurde mit geschickten gestalterischen Maßnahmen entgegengewirkt.

Ein Feuerwerk aus Glas und Metall zündete das junge Büro „two in a box“ für die Filiale der Sparda Bank am Linzer Lenauplatz. Andreas Fiereder und Christian Stummer gelang es, wie das Foto zeigt, in dem hohen Raum unter der bloß geweißten rohen Betondecke mit frei hineingestellten Elementen diesen sowohl zu strukturieren als auch durchfließen zu lassen. Bankgeschäfte sind hier nicht geheimnisvoll, sondern sprechen breite Kreise an. Und doch bleibt das, was privat sein soll, privat. Insgesamt sammelt sich nach der längeren Fahrt durch das Land die Erkenntnis, dass qualitätsvolle Architektur in Oberösterreich nicht nur von einem Zentrum ausgeht, dass sie zwar handfest, aber selten verspielt ist und daher über eine vernünftige Halbwertszeit verfügt.

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