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Es darf gerankt werden
Spectrum

Wer ist der/die Beste im ganzen Land? Wer der/die Zweitbeste? Wie kommt man unter die Top-100? Über Sinn und Unsinn von Architekten-Rankings.

31. Dezember 2006 - Franziska Leeb
„Gerankt“ werden nicht nur die besten Volksschulen und Finanzminister, auch Architekten konkurrieren via Bestenliste. Angeführt wird die Liste der Top-100-Architekten konstant von Herzog & de Meuron; Rem Koolhaas' Office for Metropolitan Architecture ist den Schweizern dicht auf den Fersen, auf Platz drei rangiert Zaha Hadid. Hinter der Architekturdiva treten Frauen nur noch vereinzelt und namentlich meist versteckt hinter Gruppennamen auf, keine andere hat es geschafft, als Einzelperson in die medial wahrgenommene Oberliga zu gelangen. Weltbekannte Namen wie Renzo Piano, Jean Nouvel oder Norman Foster folgen bereits mit Respektsabstand. Auf Platz 27 tauchen die ersten Österreicher auf, es handelt sich - eigentlich selbstverständlich - um Coop Himmelb(l)au. Dennoch sieht die Bilanz der hiesigen Baukünstler nicht so schlecht aus. Auf Platz 50 liegen in der aktuellen Liste Delugan Meissl, noch vor arrivierten Kollegen wie Rafael Moneo oder Dominique Perrault. Ebenso unter den ersten Hundert: Splitterwerk aus Graz (Rang 63), Feichtinger Architectes mit Büros in Wien und Paris (Rang 67), Ortner & Ortner (Berlin und Wien, Rang 76), die Vorfertigungsspezialisten Holz Box Tirol aus Innsbruck (Rang 81) noch vor der arrivierten Kompanie Baumschlager/Eberle (Rang 88), und ex aequo auf Platz 93 Hertl.Architekten aus Steyr, der junge Oskar Leo Kaufmann aus Dornbirn und Adolf Krischanitz.

Seit ungefähr zehn Jahren betreibt die deutsche Internettplattform Baunetz ein Qualitätsranking der internationalen Top-Architekten. Nach eigenen Angaben ist das entscheidende Kriterium der Grad der Beachtung der Werke in den „bestgeeignetsten Architektur-Fachzeitschriften“, ohne jedoch genauer auszuführen, warum manche Zeitschriften besser und andere weniger geeignet sind. Alle zwei Monate erscheint die jeweils aktuelle Rangliste, geordnet nach den „Top 100 international“, den besten deutschen Büros, sortiert nach sieben verschiedene Regionen, und den besten ausländischen, also nichtdeutschen Architekturstudios.

Rund ein Dutzend Fachzeitschriften durchforstet das zum Springer-Medienimperium gehörende „Baunetz“, darunter wiederum einige, die Teil eben dieses weitverzweigten Verlagsunternehmens sind, das in der europäischen Architekturmedienlandschaft den Ton angibt. Es werden alle redaktionellen Beiträge erfasst und je nach Länge des Berichts Punkte vergeben. Zudem werden die Zeitschriften mit einem Faktor versehen. Ein Beitrag in einem internationalen Blatt wie „Architectural Review“ oder „domus“ wird höher gewertet als einer in den deutschen Magazinen.

So weit, so gut. Das Ranking fußt nicht auf der Präsenz in den Gesellschaftsspalten, und alle Gelisteten können unbestritten eine Reihe bemerkenswerter Realisierungen vorweisen - ein Indikator für den Stellenwert des jeweiligen Büros in den herangezogenen Zeitschriften, mehr nicht. Aus der Schweiz, den Niederlanden, Großbritannien, Spanien, Deutschland, Italien, Frankreich, Japan, den USA, Skandinavien und Österreich kommen die Büros, die vorne liegen. Matija Bevk und Vasa J. Perovic aus Ljubljana erscheinen wie Exoten. Sie sind die einzigen Vertreter aus Osteuropa. Es findet sich auch kein Architekturstudio aus Südamerika, keines aus Afrika, keines aus Australien.

Auffallend auch, dass kaum ein Büro in den vorderen Rängen sein Brot in erster Linie mit so profanen Aufgaben wie Wohnbau oder Sanierung verdient. Sie bauen eher Fußballstadien, Museen, Konzernzentralen, Flagship-Stores und Bahnhöfe, also Gebäude, die neben der Berichterstattung in den bekannten Architekturmagazinen auch zusätzlich vom Spatenstich bis zur feierlichen Eröffnung und jährlichen Bestückung mit Weihnachtsschmuck von einer potenten PR-Maschinerie begleitet werden.

In diese Liste kommt also nur der, dessen Gebäude eine der ausgewählten Zeitschriften für wert befindet, vorgestellt zu werden. Und hierfür ist es wichtig, nicht nur ein gutes Bauwerk anbieten zu können, sondern auch sehr gute Fotos davon. Jedes der vorne gereihten Architekturbüros weiß das und beschäftigt Profis, die ausreichend Bildmaterial anfertigen - am besten bevor die Nutzer die reine Form mit Spuren ihrer Anwesenheit versehen haben. Sollten diese Spuren doch schon da sein, der Bodenbelag etwa mehr dem Geschmack des Bauherren als dem des Planers entsprechen, ein Nachbargebäude den Anblick beeinträchtigen oder das Gras auf dem Dach noch nicht im gewünschten satten Grün sprießen, ist es zudem hilfreich, über Mitarbeiter mit exzellenter Kenntnis der einschlägigen Bildbearbeitungsprogramme zu verfügen. Wenn dann noch die wichtigsten Projektdaten und Pläne in publizierfähiger Form auf Abruf verfügbar sind, sind die wichtigsten Voraussetzungen erfüllt, für einen achtseitigen Bericht (oder mehr, das bringt die meisten Ranking-Punkte) in Betracht gezogen zu werden.

Wollen Sie sich die paar Tausender für Fotografie und Grafik nicht leisten und gibt das Objekt sowieso keinen sexy Aufmacher her, sollten Sie sich über mangelnde Resonanz in den prestigeträchtigen Architekturblättern nicht ärgern. Geschickte Medienarbeit funktioniert bei Architekten auch nicht anders als bei Finanzministern und Schönheitschirurgen.

Allen Lesern und Leserinnen, denen das Fachsimpeln über Wein zu fad geworden ist und die sich vorgenommen haben, 2007 etwas für ihr Architekturwissen zu tun, oder die gar den nächsten Umbau nicht selbst improvisieren wollen, sei Folgendes ans Herz gelegt: Werfen sie einen Blick in das Ranking, um für den Tratsch gerüstet zu sein. Um gute Architekten und Architektinnen aufzuspüren, ist die Lektüre von Fachzeitschriften nützlich und sind Internetplattformen eine fast unerschöpfliche Fundgrube.

Das Wichtigste aber ist: Besuchen Sie die Originale. So sehen, hören und spüren Sie, was ein Gebäude wirklich kann. Sie wollen auch unauffällig die Planer einem kleinen Check unterziehen und scheuen eine persönliche Terminvereinbarung? Davor sollten Sie zwar grundsätzlich keine Angst haben, weil Erstgespräche und Auskünfte immer kostenlos sind und in den meisten Architekturbüros jedes Interesse mit großer Freude aufgenommen wird. Die besten Gelegenheiten, sich quasi anonym einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, bieten Führungen vor Ort. Die regionalen Architekturhäuser laden regelmäßig zu Führungen und Diskussionen in aktuellen Bauten oder organisieren Exkursionen zu verschiedenen Themen. Das Architekturzentrum Wien veranstaltet zum Beispiel stets sonntags seine beliebten und oft früh ausgebuchten Touren. Traditionell an Freitagnachmittagen lädt die Österreichische Gesellschaft für Architektur zu Bauvisiten, und auch in den Bundesländern gibt es genug Gelegenheit, Bauten und ihre Erbauer unter die Lupe zu nehmen. Internetplattformen, denen die aktuellen Programme entnommen werden können, gibt es genug. Solcherart weitergebildet, lassen sich die Architekten-Bestenlisten getrost in die gleiche Kategorie wie die bereits länger existierenden Misswahlen verbannen, nämlich in die der seichten Unterhaltung.

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