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Einer für alle, alle für einen
Der Standard

Architektur und Städtebau müssen Res publica, also Gemeinschaftssache, bleiben

24. März 2007 - Ute Woltron
Es sei alles sehr schwierig, hat Fred Sinowatz am Zenit seiner politischen Karriere einstmals geseufzt, und kein anderer Satz ist glaubhafter, wenn es um Politik geht. Politik - das ist bekanntlich in humanistischer Übersetzung die „Stadt“, die „Gemeinschaft“, und Architektur und Städtebau sind ein vitales Element dieses Zusammenlebens.

Um die Stadt zu bauen, zu pflegen, zu erneuern braucht man zum einen Geld, zum anderen Know-how - und um das alles sinnvoll zu kombinieren, müssen unbedingt klug gesteckte und von beiden Seiten einzuhaltende Spielregeln gelten. Für Letztere ist die Politik zuständig, doch die, so meinen die Architekten als Know-how-Träger dieser Tage, würde sich den globalisierten neoliberalen Erosionen des Kapitals immer bereitwilliger beugen.

Ein konkreter Anlass für den Unmut in der Planerzunft ist ein Interview, das Wiens Planungsstadtrat Rudolf Schicker eben der Fachzeitschrift Architektur&BAUforum gegeben hat und das, so Vertreter der Kammer der Architekten sowie der IG-architektur, in mehreren Punkten allzu sehr als Kniefall vor dem Investorentum zu verstehen sei. Die städtebauliche Deutungshoheit des Immobilienmarktes, so heißt es in einem bei Redaktionsschluss noch nicht veröffentlichten Papier, habe stellenweise ein bedrohliches Ausmaß angenommen, die Gesetze des Kommerzes würden denn auch stärker denn je im Stadtbild hervortreten.

Vor allem sorgt aber die Ankündigung des Wiener Planungschefs, fünf dringend anstehende Schul- und Kindergartenneubauten in Eigenplanung umzusetzen, für heftigen Unmut. Dem Standard gegenüber erklärte Schicker diesen Entschluss damit, dass man die Planungskompetenzen in den eigenen Reihen (also in der MA19) stärken und gewissermaßen schulen wolle, denn: „Es macht doch Sinn, wieder einmal zu schauen, was die Planer, die Architekten in der 19er selber können.“

Man wolle damit keineswegs das Planungshonorar einsparen, sondern an der Qualitätssicherung arbeiten, damit jene im Magistrat, „die den anderen Architekten Rat geben sollen, auch selber wieder die Erfahrung machen, wie das funktioniert“. Schicker: „Ich habe immer Schwierigkeiten damit, wenn einer bei Aufgaben, die er nie selbst bewerkstelligt hat, das G'scheiterl spielt. Ein bisschen Berufserfahrung sollte da sein, also das Wissen und die Erfahrung im Magistrat, wie man eine Bauführung macht und was alles passieren kann, bis das Projekt steht.“

Dagegen ist nichts einzuwenden, doch warum diese Erfahrung ausgerechnet in so heiklen und anspruchsvollen Bauaufgaben wie Schulen und angeschlossenen Kindergärten gesammelt werden soll, konnte Schicker nicht ausführen. Und auch der Chef der Architektenkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Georg Driendl, ist eher ratlos: „Im Schulbau geht es darum, Kindern eine Umgebung zur Verfügung zu stellen, die für das ganze Leben prägend ist. Gerade in diesem Bereich sollte also ein verantwortungsvoll agierender Politiker die Spitzen der Planungszunft zurate ziehen und diese Projekte nicht einer Abteilung überlassen, die so etwas nie zuvor gemacht hat.“

Die Umsetzung selbst übernimmt die MA39, denn gleichzeitig, so Schicker, wolle man „testen, wie qualitätsvolle Architektur zu günstigen Kosten herstellbar“ sei. Und genau diese Aussage dürfte die Architektenzunft besonders wurmen, denn um eben diese qualitätsvolle Architektur zu erschwinglichen Preisen herzustellen - was sozusagen die Kernaufgabe fähiger Architektinnen und Architekten ist - braucht es vor allem eines: den präzisen Auftrag und paktfähige Auftraggeber. Die werden allerdings häufig vermisst.

Während manche Fraktion der Architekten und der Kammer nun auf öffentliche Konfrontation drängt, will Georg Driendl lieber den moderaten und seit der Erfindung der „Polis“ probaten Weg der Kommunikation einschlagen. Man habe den Vertretern der Stadt immer wieder die Zusammenarbeit angeboten, meint er, zum Beispiel was Wettbewerbsvorbereitungen, aber auch rasche Lösungen von dringend anstehenden Aufgaben anlange, wie etwa der nun erforderlichen Schulprojekte.

Auch wenn Rudolf Schicker nun fast störrisch meint, die Kammer habe „sehr wichtige und wertvolle Aufgaben, aber Entscheidungen, die die Stadt betreffen, trifft sie schon selber“, so ist das zum einen eine undemokratische Äußerung, und zum anderen wäre es doch klug, dieses Angebot anzunehmen und sich rasch an einen Tisch zu setzen. Denn gemeinsam gefundene Lösungen sind die besseren und die haltbareren.

In seinem Artikel „Alternativen statt Korrekturen“ beschreibt der französische Attac-Chef Jacques Nikonoff in größerem, jedoch ebenso auf Städtebau, Architektur und Immobilienindustrie zutreffendem Zusammenhang den zunehmenden Konkurrenzkampf um Wirtschaftsstandorte: „Viele Lokalpolitiker haben sich mit dieser Logik abgefunden und betreiben statt einer Ausweitung der Demokratie nur noch die Verwaltung dieser Zustände.“ Doch sei es vielmehr „entscheidend, das Phänomen der Globalisierung genau zu verstehen, denn nur so wird man ihm mit geeigneten und realistischen Strategien beikommen“. In diesem Zusammenhang sei es hilfreich, „den Begriff der ,Alternative' zu präzisieren“. Und zwar gemeinsam.

So, wie die Wiener Stadtplanung nun in Eigenregie Erfahrungen sammeln will, die viele und vielfach unterbeschäftigte Architektinnen und Architekten längst haben, so könnten laut Nikonoff die anderen wiederum „viel von den Politikern lernen. Denn diese sind mit den Arbeitsweisen der Institutionen am besten vertraut und kennen zumindest durch ihr Aktenstudium den realen Alltag aus einer Nähe, zu der man nicht ohne Weiteres Zugang bekommt.“

Beste Devise also: Einer für alle, alle für einen - und dieser eine ist die Architektur für uns alle.

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