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Wo sich Fest und Wiese finden
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Ein Paradebeispiel, wie man öffentlichen Raum schafft: Zwei junge Architekten gestalten ein Festivalgelände und bereichern die Stadt Gänserndorf um eine ganzjährig nutzbare Insel.

5. August 2007 - Franziska Leeb
Sommer ist Spektakelzeit, und weil die diversen feiernden Szenen dazu nicht nur eine nackte Wiese, sondern auch die entsprechende Infrastruktur brauchen, muss dafür auch gebaut werden. Die niederösterreichische Stadt Gänserndorf holte sich qualifizierten Beistand, um den diversen Lustbarkeiten einen adäquaten architektonischen Rahmen zu geben. Seit sieben Jahren findet im Garten des Kulturhauses Schmied-Villa – neben anderen Veranstaltungen – vor allem die Sommerszene, ein mehrwöchiges, gut besuchtes Konzert-Festival, statt.

Anstatt der bisherigen Provisorien und um das Areal ganzjährig nutzbar zu machen, suchte man nach einer qualitätsvollen Lösung und bediente sich zu diesem Zweck der Unterstützung der niederösterreichischen Kulturabteilung. Unter der Ägide von Katharina Blaas-Pratscher werden dort unter dem Titel „Kunst im öffentlichen Raum“ künstlerische Interventionen in öffentlichen Bauten und Plätzen im ganzen Bundesland gefördert. Finanzielle Begehrlichkeiten der Gemeinden werden nicht nach Gutdünken erfüllt, sondern von einem wechselnden Beirat aus Künstlern und Künstlerinnen, Kunstvermittlern und Architekturfachleuten begutachtet. Meist wird den Gemeinden die Auslobung eines Wettbewerbs empfohlen – die Kosten trägt das Land – und ein Pool an potenziellen Teilnehmern vorgeschlagen.

Auch für den Ausbau des Gänserndorfer Kulturhausgartens wurde dieses Prozedere angewandt. Seit Sommerbeginn läuft der Betrieb im neu gestalteten Areal, dem die jungen Architekten Florian Sammer und Karoline Streeruwitz (sammerstreeruwitz) seine Form gaben.

Ausgehend von der Tatsache, dass die innerstädtische Wiese suboptimal für das Fest war und umgekehrt das Fest die Wiese in Mitleidenschaft zog, entwickelten sie ein Konzept, das den Anspruch erhebt (und schließlich auch erfüllt), Fest und Wiese in Einklang zu bringen. Die für Veranstaltungszwecke notwendigen Eingriffe legten sie so an, dass die Wiese auch in programmfreien Zeiten als „nutzungsoffener Freiraum“ Attraktivität hat. „Fest & Wiese“ – so betitelten sammerstreeruwitz schlicht und einfach ihr Projekt – beinhaltet einerseits im Streben nach der Erhaltung und Betonung des Wiesencharakters stark poetische Wesenszüge, ist grundsätzlich aber von höchst realitätsbezogener Pragmatik getragen.

Die Wiesenfläche selbst modulierten sie zur „intelligenten Wiese“, die den verschiedenen Anforderungen durch unterschiedliche Oberflächenausbildungen Rechung trägt.Bodenverdichtungen und Rasengittersteine verstärken die Rasenfläche dort, wo die Beanspruchung groß ist, zum Beispiel vor den Gastronomiebuden. Das Gelände ist zu einem zentralen, ebenen Plateau hin, auf dem Tisch- und Bankreihen aufgereiht werden können, sanft abgeböscht. In die Wiese eingelassene Bodenköcher erlauben die bedarfsweise Anbringung von Ständern für Lautsprecher, Beleuchtung oder Schirme.

Befestigte Inseln in der Wiese sind eine kleine Tribüne aus Holz und die als offener Pavillon gestaltete Bühne. Letztere wurde als fixe Stahlkonstruktion ausgeführt, deren Dach auf sternförmig auskragenden Stützen ruht. Sie ist von schlichter, eleganter Anmutung und lehnt sich in einem Elfenbeinton farblich an den Kolorit der Schmied-Villa an. Ihr großteils in die Böschung eingegrabener Sockel, aus dem auch die das Dach nicht berührende, abschirmende Rückwand aus Beton aufragt, birgt einen Lagerraum. Der Bühnenboden aus Lärchenholz bietet Zusatznutzen als überdachte Liegefläche.

Umgrenzt wir das Areal von einer „programmierten Hecke“, also einer Hecke, in die wesentliche dienende Funktionen integriert sind. Noch ist dieser lebenden Zaun, dem eine bis zu sieben Meter hohe, mit einem Holzspalier beplankte Stahlkonstruktion Halt gibt, am Wachsen. Wenn der gepflanzte wilde Wein, das Geißblatt und die Pfeifenwinde das Spalier völlig eingenommen haben, wird der horizontale Grünraum der Wiese eine vertikale, von Blüten durchzogene Fortsetzung erhalten, die den Platz noch dichter umrahmen wird.

In die Hecke eingegliedert sind drei schlicht gestaltete Gastronomiestände sowie ein Abwaschstand, die durch einen innerhalb des Rankgerüsts liegenden Servicegang miteinander verbunden sind. Die Buden sind als schlichte, an einfache Marktstandarchitektur erinnernde Holzkonstruktion auf einem niedrigen Betonsockel aufgesetzt. Verschlossen werden sie mit tafelförmigen Schiebeelementen, die sich, mit Kreide beschrieben, zur Speisekarte wandeln lassen.

Was Florian Sammer und Karoline Streeruwitz hier geschaffen haben, entstand zwar im Hinblick auf die Förderung unter dem Titel der Kunst im öffentlichen Raum, ist aber de facto vielmehr: Es ist ein öffentlicher Raum an und für sich, der hier kreiert und strukturiert wurde. Also Raum, in dem unterschiedliche Akteure ihre Ansprüche verhandeln und durchsetzen. Viele dieser Akteure waren von Anfang an bekannt, haben die Wettbewerbsausschreibung formuliert und später mit dem Architektenteam das Anforderungsprofil erarbeitet. Es gibt gewiss aber auch Gruppen, die noch nicht aktiv mitgestalten konnten, weil es noch nicht möglich war, sie in den Entscheidungsprozess einzubinden oder weil sie noch anonym sind oder immer anonym bleiben werden.

Um den öffentlichen Raum allen potenziellen Nutzern zu einer qualitätsvollen Lebenswelt aufzubereiten, reicht es nicht, bei Verkehrsplanern und Gastronomieeinrichtern ein fesches Layout zu ordern. Guter öffentlicher Raum, dessen Gestaltung nicht nur von Pragmatik, sondern auch von Kreativität und Fantasie getragen ist, vermag auch die Vorstellungskraft und den Enthusiasmus der Bürger zu stimulieren und kann nicht zuletzt auch identitätsstiftend wirken.

Dem Konzept Fest & Wiese, das Florian Sammer und Karoline Streeruwitz zum Wettbewerb einreichten und das nun mit einigen Adaptionen, mit denen sie souverän auf geänderte Anforderungen reagierten, umgesetzt wurde, wohnt dieses Potenzial inne. Architektonisches Volumen wurde sparsam und klug eingesetzt. Die errichteten Strukturen erlauben mehrere Nutzungsszenarien für geplante und spontane Aktivitäten.

Gänserndorf hat also einen Platz erhalten, für den es für etwa ein Viertel des Jahres eine Programmierung gibt, im Rahmen derer natürlich auch Geschäfte gemacht werden sollen. Florian Sammer und Karoline Streeruwitz schufen dafür die Rahmenbedingungen. Sie gestalteten aber auch einen alltagstauglichen Platz für die veranstaltungsfreie Zeit und für Bevölkerungsgruppen, die sich die Wiese im programmierten Zustand nicht leisten können oder sich aus welchem Grund auch immer, nicht davon angesprochen fühlen. Ihnen wird angeboten, sich den strukturierten Platz zwischendurch anzueignen – zum Flanieren, Sitzen, Lesen, Ausrasten. Eine willkommene Insel in der Stadt in einer Zeit, in der jene Orte immer rarer werden, die Aufenthaltsmöglichkeiten ohne Konsumzwang und Werbeflut anbieten.

An diesem mit einer Fläche von 1500 Quadratmetern kleinen Beispiel in Gänserndorf beweist sich, wie wichtig es wäre, solche Aufgaben in die Hände von Fachleuten zu legen, die dann im Dialog mit den Nutzern taugliche Lösungen entwickeln. Die Gestaltung des öffentlichen Raums ist eine zu verantwortungsvolle Aufgabe, um sie den Eventmanagern und dem privaten Sektor zu überlassen. Selbstverständlich geht es um gute Form, Angemessenheit, Städtebau, aber besonders um das Augenmerk auf die Menschen und deren Handlungen. Von rein kommerziellen Interessen und dem werbetechnisch einfach verwertbaren Sujet motivierte Gestaltungen vermögen diese Ansprüche in der Regel nicht zu erfüllen.

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