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Neue Zürcher Zeitung

Die siebte internationale Architekturbiennale in São Paulo

24. November 2007 - Julia Albani
Zweifellos ist das Thema «Das Private und das Öffentliche in der Architektur», welches im Zentrum der siebten internationalen Architekturbiennale von São Paulo steht, für die brasilianische Riesenstadt von grosser Aktualität. Dennoch hegen die Ausstellungen im Pavilhão Ciccillo Matarazzo im Ibirapuera-Park erstaunlicherweise keinen betont sozialpolitischen Anspruch. Vielmehr gibt man sich in São Paulo – anders als letztes Jahr an der Architekturbiennale von Venedig, wo die «MegaCities» Gegenstand der Hauptausstellung waren – sehr architektonisch und künstlerisch.

Dazu trägt der Ibirapuera-Park mit der eleganten Messehalle bei, die Oscar Niemeyer 1950 entworfen hat. Niemeyer, der am 15. Dezember hundert Jahre alt wird, und den zweiten brasilianischen Träger des Pritzker-Preises, Paulo Mendes da Rocha, würdigt man durch mehrere Ausstellungen. Ihre in der Agglomeration von São Paulo realisierten Bauwerke sind für auswärtige Besucher aber ebenso wichtig wie die Architekturbiennale selbst. Dort ist auf vier Etagen ein Marktplatz der Architektur entstanden, auf dem die Südamerikaner ihren Leistungsstand mit der Präsentation von 32 Architekturschulen und 125 ausgesuchten Bauwerken, Projekten und speziellen Konzeptarbeiten zelebrieren, ohne aber eigentliche Trends von morgen aufzuzeigen.

Baukünstlerische Strategien

São Paulo schielt nach Westen, und zwölf Länder – darunter zehn aus Europa – nutzen die Gunst der Stunde, ihre Baukunst vorzustellen. Mit vorwiegend im Ausland realisierten Werken von 16 Architektengruppen verweist Deutschland darauf, dass es bereit ist, sich der internationalen Konkurrenz zu stellen. Österreich ist mit dem Büro «feld72» in São Paulo vertreten. In dieser Stadt, die neuerdings ein rigides Werbeverbot im öffentlichen Raum kennt, thematisiert «feld72» das europäische Konsumverhalten und macht sich dieses gleichzeitig als Mechanismus zur Architekturvermittlung zunutze: Statt Architekturmodelle sieht man 77 Schaufensterpuppen mit hippen T-Shirts. Für unser Land hat das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) in Basel fünfzehn Projekte zum Thema «Arch/Scapes» ausgewählt, die das Problematische der helvetischen Architektursituation veranschaulichen. «Je drastischer die Landschaft durch die Urbanisierung angefressen wird», meint die Kuratorin Francesca Ferguson, «desto mehr müssen subtile architektonische Eingriffe in diese Landschaft hervorgehoben werden.» Dabei werden die Stilmittel der Parodie klassisch alpiner Motive genauso angewandt wie das sensible «Unsichtbarmachen» grosser Industriebauten.

Die Brasilianer bemühen sich darum, Einflüsse aus der Fremde besser kennenzulernen. Deswegen bildet für sie wohl die Ausstellung auf der dritten Etage, wo 17 internationale Architekten ausstellen, den Höhepunkt. Die Auswahl illustriert die speziellen Wünsche der Biennale und zeigt, was für Südamerika wichtig ist. Unter dem Stichwort «Europäische Kühnheiten und Traditionen» begegnet sich eine bunte Architektenschar: vom dänischen Büro Schmidt, Hammer & Lassen über den Deutschen Stefan Eberstadt, den Engländer Michael Hopkins, den Niederländer Kas Oosterhuis und den Österreicher Gernot Hertl bis hin zu den Spaniern Joan Busquets und Vicente Guallart sowie den Schweizern Emanuel Christ und Christoph Gantenbein. Obwohl hier unterschiedliche Positionen zusammentreffen, lässt sich eine Hauptaussage ausmachen: Es kommt in der Architektur auf die kleinen, durchdachten und menschlichen Dinge an – nicht mehr auf die grossen, spektakulären Effekte.

Südamerika und Europa

Das gilt auch für die iberoamerikanischen Teilnehmer der Biennale. Der Chilene Mathias Klotz überzeugt mit so einfachen und effizienten Konzeptionen wie dem Colégio Altamira in Santiago. Sein Landsmann Alejandro Aravena zeigt unter anderem die 2005 ebenfalls in der Hauptstadt realisierten Torres Siamesas, die gleichermassen ästhetische, wärmedämmende und akustische Lösungen aufzeigen. Es wird deutlich: Südamerika sucht den Dialog in der Architektur und im Städtebau – vor allem mit dem alten Kontinent. Es hat selbst viel zu bieten, ist aber darauf angewiesen, von Europa zu lernen. Das hat in Südamerika Tradition, doch jetzt könnte ein neues Gleichgewicht entstehen.

[ Bis 16. Dezember im Ibirapuera-Park in São Paulo. ]

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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