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Wie hoch muss ein Minarett sein?
Spectrum

Warum die moderne Architek- tur einen Bogen um den Moscheenbau macht. Warum eine Moschee weder Kuppel noch Minarette braucht. Und warum Friedrich Kurrent gern eine Moschee in Wien bauen würde. Ein Gespräch.

12. Januar 2008 - Franziska Leeb
Für die einen ist es eine Provokation, für die anderen das legitime Bedürfnis einer wachsenden Minderheit nach repräsentativen Sakralräumen. Seit 1874 ist der Islam in Österreich als Religion anerkannt. Aber selbst vagePläne zu Errichtung Islamischer Zentren stoßen sofort auf Widerstände. Handelt es sich tatsächlich um eine städtebauliche Diskussion, wenn Ortsbildgutachten über die Höhevon Minaretten bestimmen sollen? In Telfs wurde das jüngste der drei österreichischen Minarette von 20 auf 15 Meter gestutzt, um Kritiker zu beruhigen. In Deutschland sind repräsentative Moscheeneubauten häufiger. Manchmal gehen sie sogar aus Architektenwettbewerben hervor, wie der von osmanischen Kuppelbauten inspirierte Entwurf für eine große Moschee in Köln des aus der prominenten Kirchenbauerdynastie stammenden Paul Böhm. Ein anderes der raren Beispiele für zeitgemäßen Moscheenbau findet sich in Bayern, das Islamische Forum Penzberg des jungen Architekten Alen Jasarevic.

Friedrich Kurrent, der sich als Architekt und Lehrer intensiv dem Bau von Sakralräumen widmete, bedauert das weitgehende Fehlen zeitgemäßer Moscheenarchitektur.

Friedrich Kurrent, warum findet die heftige Moscheendiskussion der jüngsten Vergangenheit so wenig Widerhall im Fachdiskurs?
Das ist ein kulturelles Defizit. Es geht bloß um das Dagegenhalten, und es herrscht zu wenig Kenntnis darüber, was eine Moschee ist, wie sie sich entwickelt hat und was sie heute sein kann. Eine Erklärung für die schwache Präsenz aktueller Architektur im Moscheenbau kann auch darin liegen, dass das Gebäude beziehungsweise seine Form zur Ausübung der Religion nicht zwingend ist. Wesentlich ist die Gebetsrichtung (arabisch qibla) nach Mekka. Eine ideale Moschee würde aus einer sehr langen Qiblawand bestehen, damit möglichst viele Gläubige in der ersten Reihe stehen und so Mekka am sein könnten. Bei den christlichen Kirchen ist der Opfergedanke, das Abendmahl, wichtig, das sofort raumbildend ist. Abgesehen vom Reinigungsritual vor Betreten der Moschee gibt es solche Riten, die einen Raum bedingen, im Islam nicht.

Sie haben über 20 Jahre lang an Ihrem Lehrstuhl an der Technischen Universität München auch Sakralbau unterrichtet und sich dabei bemüht, die Bauten nicht-christlicher Religionen nicht zu vernachlässigen.
Ja, aber ich habe mich auf die monotheistischen Religionen beschränkt, weil ich Länder, aus denen sie kommen, bereist habe. Auch ein moslemischer Schüler hat mich beim Verständnis des Islam unterstützt.

Woher kommt der uns vertraute Typus der von Minaretten flankierten Kuppelmoschee?
Eine Moschee war nichts anderes als ein Gleichnis für das Haus des Propheten Mohammed. Vorbild war ein arabisches Wohnhaus – ein umfriedetes Grundstück, von dem ein Teil überdacht ist. Das Minarett war ein erhöhter Standplatz, von dem aus der Muezzin zum Gebet rufen konnte. Im Beysehir im Taurusgebirge befindet sich zum Beispiel eine der ältesten erhaltenen türkischen Moscheen: ein wunderbarer, flach gedeckter Holzbau. Kuppeln haben zwar schon die frühen Osmanen gebaut, aber erst durch die Herausforderung durch Byzanz und die Konfrontation mit den christlichen Kirchtürmen hat sich die Kuppelmoschee herausgebildet. Die Hagia Sophia wurde nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen von Sultan Mehmet II. zur ersten Moschee der neuen osmanischen Hauptstadt erklärt. Danach verhalf Sinan, der Architekt von Sultan Süleyman dem Prächtigen, in der Ambition, die byzantinische Hagia Sophia zu übertreffen, mit den imperialen Moscheen des 16. Jahrhunderts diesem Typus zum Höhepunkt.

Und seither gab es wenig Weiterentwicklung?
Ja, nicht in der Türkei und nicht im arabischen Raum. Moscheen werden heute trotz fortschrittlicher Baumethoden genauso gebaut. Aber eigentlich braucht man nichts als einen überdachten Raum, Bodenteppiche, die Möglichkeit der Reinigung und meinetwegen auch die Gelegenheit der Geschlechtertrennung. Minarette bräuchte man nicht.

Aber ist nicht der Wunsch, ein Zeichen zu setzen, legitim und verständlich?
Schon, aber die heutige Architektur kann mit aktuellen Mitteln Moscheen von großer Symbolkraft schaffen. Ich bin kein Gegner der Minarette. Aber es ist nicht die einzig mögliche Form. Heute wird meist mit Lautsprechern zum Gebet gerufen, das Minarett nicht mehrbestiegen. Als Zeichen würde eines genügen.
Als Diplomthema stellten Sie Ihren Studentendie Aufgabe, eine „Kathedrale unserer Zeit“ zuentwerfen. Es waren auch Moscheen darunter.
Einige Studenten verfolgten traditionelle Konzepte von Mehrkuppelmoscheen. Eine junge, in München lebende Türkin hingegen hat ein Projekt geliefert, das weder über Minarett noch Kuppel verfügte – ein schön transparenter, moderner Bau. Ihr ist es gelungen, einen „gestimmten Raum“ zu erzeugen, bei dem die äußeren Anzeichen nicht das Wesentliche sind.

An die äußeren Anzeichen klammern sich aber sowohl die Gemeinden als auch die Gegner. Würden Sie islamischen Gemeinden raten, auf Kuppel und Minarett zu verzichten?
Ja, aber nicht aus taktischen Gründen, sondern weil unsere Zeit neue Mittel hat. Für große stützenfreie Räume braucht es keine mächtigen Kuppelkonstruktionen mehr.

Würden Sie gerne eine Moschee bauen?
Ja, sofort! Auch eine Synagoge! Sakralbau ist etwas Wunderbares, weil er nicht vordergründig funktionalistisch sein muss. Hier geht es um Architektur und Fragen des Städtebaus. In Wien wäre eine Moschee zum Beispiel in jeder Lage eine interessante Aufgabe, weil man sich damit befassen muss, wie man innerhalb der Struktur der Stadt das Gebäude nach Mekka ausrichtet.

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