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Coole Hunde – arme Schlucker
Spectrum

Die Lage der Architekten: prekär. Die der Architektinnen: ein erschütterndes Sittenbild. Eine Studie hat das Berufsfeld Architektur unter die Lupe genommen.

17. Februar 2008 - Franziska Leeb
Die Architekten und Architektinnen sind ein bisschen unzufrieden. Wenn man aber schaut, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird, hätten sie Grund, sehr unzufrieden zu sein“, fasst Oliver Schürer eine Studie zu den Arbeitsbedingungen im Architekturberuf einprägsam zusammen. Der Assistent an der Technischen Universität Wien initiierte gemeinsam mit Kollegin Katharina Tielsch eine Bestandsaufnahme, die Karrieremöglichkeiten, Arbeitsbedingungen und Arbeitsbereiche von Architekturschaffenden in Österreich unter die Lupe nahm. Demnach ist die Situation offensichtlich weniger rosig, als es das in den Massenmedien gezeichnete Architektenbild der Öffentlichkeit suggeriert. Denn während die Stars der Branche von den mächtigen Entscheidungsträgern der Konzerne, Investoren, Staaten und Städten hofiert werden und gemeinsam mit ihren Auftraggebern mittels schicker Monumente um Aufmerksamkeit buhlen, herrscht außerhalb des Architektur-Jetsets eine Arbeitssituation, die, nüchtern betrachtet, die Alarmglocken schrillen lassen sollte.

Im Grunde bestätigt die Studie nur, was in der Branche ohnedies allen bekannt und vertraut ist. Schon 2006 wurden im österreichischen Baukulturreport die harten Produktionsbedingungen dargestellt, und von einer Studie zur Situation der Wiener Kreativwirtschaft wurde belegt, dass Architektinnen und Architekten im Vergleich mit anderen Berufsgruppen der sogenannten „Creative Industries“ schlechter abschneiden. Mit durchschnittlich 48 Stunden arbeiten sie am längsten, und das für ein unterdurchschnittliches mittleres Jahreseinkommen von 18.000bis 24.000 Euro. Zusätzliche „artfremde“ Tätigkeiten oder Nebenjobs sind oft unabdingbar, um das Einkommen aufzubessern. Atypische Beschäftigungsverhältnisse und damit fehlende soziale Absicherungen sind im Arbeitsgebiet Architektur typisch. Viele Büros können es sich schlichtweg nicht leisten, Mitarbeiter fix anzustellen, wenn sie wettbewerbsfähig arbeiten wollen. Dementsprechend schlecht sind für Berufseinsteiger die Aussichten, in einem Angestelltenverhältnis die Karriereleiter hochzuklettern. Scheinselbstständigkeit ist eher die Regel als die Ausnahme.

Eine zusätzliche Grauzone entsteht dadurch, dass österreichische Absolventen vonArchitekturhochschulen als Einzige in der Europäischen Union nicht die Berufsbezeichnung Architekt oder Architektin führen dürfen. Nachgewiesene drei Jahren Praxis in einem (schwer zu bekommenden) Dienstverhältnis, die sogenannte Ziviltechnikerprüfung und die (für viele zu teure) Mitgliedschaftin der Architektenkammer samt eigenem Pensionssystem braucht es, um offiziell das sein zu dürfen, was man eigentlich schon ist.

An die Öffentlichkeit oder ernsthaft in das Bewusstsein politisch Verantwortlicher ist dieMisere der womöglich nur scheinbar boomenden Branche noch nicht gedrungen. Auch weil viele Architekten und Architektinnen die Zustände weniger drastisch wahrnehmen, als sie es, objektiv betrachtet, sind. Viele Studierende würden im Vorfeld viel zu wenig über die Perspektiven des Berufes informiert, bedauert Oliver Schürer, wobei aber eine hohe Selbstmotivation dabei helfe, den Leidensdruck zu ertragen. „Intrinsische Motivation“ nennen es die Soziologen, wenn Arbeit aus innerem Antrieb erbracht wird und der externe Anreiz, also die Bezahlung, nicht ausschlaggebend für den persönlichen Einsatz ist. Im „Berufsfeld Architektur“ ist davon enorm viel vorhanden.

„Lieber stehe ich in der Öffentlichkeit als ein cooler, reicher Hund da als wie ein armer Schlucker“, so ein Architekt über das schwierige Berufsbild. Der Tiroler Architekt Wolfgang Pöschl stellt die hohe Lebensqualität, die der Beruf mit sich bringen kann, in den Vordergrund und sieht aus seiner Warte wenig Grund zur Klage. Seit seinem 16. Lebensjahr habe er immer genug Einkommen gehabt, um ohne Einschränkungen zu leben. „Prekär ist die Lage jener, die für 1200 Euro im Monat den ganzen Tag im Dreck arbeiten müssen.“ Es sei ein Privileg, nicht zwischen Arbeitszeit und Freizeit unterscheiden zu müssen, „sondern das tun zu dürfen, was man tun muss“.

Selbstverständlich habe er früher nebenbei gejobbt, um sich seinen Beruf als Architekt leisten zu können, und es sei wichtig, die Anfangszeit zu nutzen, um bewusst die Weichen dafür zu stellen, für wen man später arbeitet. Zu viele Kollegen würden Großaufträgen nachlaufen, für die sie nicht die Substanz haben, worunter natürlich nicht nur die Qualität der Arbeiten, sondern auch die Arbeitsqualität leidet.

Die Texte der Studie sind korrekt geschlechtergerecht abgefasst, dank Binnen-I werden Männer und Frauen gleichberechtigtbehandelt. Die Architekturwirklichkeit hingegen dominieren Männer und eine männliche geprägte Arbeitskultur. Halten sich auf den Universitäten die Geschlechter zahlenmäßig noch die Waage, sind unter den Mitgliedern der Architektenkammer die Frauen eine Minderheit. Dass Architektinnen eine geringere fachliche Qualifikation zugesprochen wird, ist kein Phänomen aus der Zeit unserer Großmütter, sondern laut vorliegender Studie nach wie vor eine Tatsache. Frauen sind deutlich häufiger in Bereichen wie Ausstellungsorganisation oder Lehre etabliert als im Architekturkerngeschäft. Während das Berufsbild im Allgemeinen ins Wanken geraten ist, dürfen sich die Frauen in der Architektur noch immer mit tradierten Rollenzuweisungen herumschlagen.

Andere sind ärmer, deshalb möchte auch die Architektin Gabu Heindl nicht in die berufsspezifische Jammerei einstimmen. Ihre Berichte aus dem Architektinnenalltag decken sich aber mit jenen vieler anderer Kolleginnen und zeichnen ein erschütterndes Sittenbild, was den Umgang öffentlicher Institutionen mit weiblichen Architekten betrifft: Die Frage „Innenarchitektin oder wirklich Architektin?“ zählt da noch zu den harmloseren Untergriffen. Richtig schlimm, aber durchaus üblich ist es, beim Amt als „Fräulein“ und auf der Baustelle als „Gnädige Frau“ tituliert zu werden. An diesen Formalitäten manifestiert sich ein bedenklich konservatives Frauenbild innerhalb der sich mittlerweile nach außen hin gern progressiv gebenden Auftraggeberseite.

Es ist ein Skandal, dass in etlichen Bundesländern die gemeinnützigen Genossenschaften den mit öffentlichen Geldern geförderten Wohnbau quasi unter Ausschluss der Frauen betreiben und von zehn aktuell von öffentlichen Auftraggebern ausgelobten Wettbewerben nur drei Fachjurien keine reinen Herrenrunden sind. Den Architekten geht es schlechter, als sie glauben, und die Architektinnen sind noch übler dran, könnte also auch das Resümee dieser empirischen Erhebung unter 220 Architekturschaffenden lauten.

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