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Temporärer Turm als Theaterspektakel-Novum
Neue Zürcher Zeitung
12. August 2008 - Karolina Dankow
Das 50-Jahr-Jubiläum der Saffa diente als Inspiration für ein neues Gebäude am Theaterspektakel. Der Turm ist an die Architektur des in Vergessenheit geratenen Grossprojekts der sogenannten «Frauenlandi» angelehnt. Die Ausstellung zum Thema Frauenarbeit lockte 1958 Millionen von Besuchern an und verlieh der Saffa-Insel ihren Namen.

Am Sonntagmorgen war er noch im Rohbau. Dennoch liess sich der Turm auf dem Areal des Theaterspektakels in Wollishofen bereits ausmachen - einige Etagen höher als die anderen Gebäude ragte das Holz-Stahl-Konstrukt in die Höhe. «Die nächsten drei Tage werden hart», sagt Werner Hegglin, Co-Direktor und Verantwortlicher für die technischen und baulichen Bereiche des Theaterspektakels. Der gesamte Innenausbau mit Beleuchtung, Bemalung und Erschliessung eines Notausgangs müsse in der Zeit noch gemacht werden. Damit bis zur Eröffnung des Spektakels am Donnerstag alle Bars, Bühnen und sonstigen Einrichtungen fertig werden, sind rund hundert Personen im Einsatz.

Ein Nebenprodukt der Saffa

Der Turm ist in diesem Jahr ein Novum am beliebten Zürcher Theaterfestival. «Die Idee entstand als Hommage an die Saffa, die heuer ihr 50-Jahr-Jubiläum feiert», erklärt Hegglin. Saffa steht für «Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit» und gab der Badeinsel in Wollishofen ihren Namen. Diese entstand sozusagen als Nebenprodukt der Ausstellung aus Aushubmaterial der damals errichteten Bauten.

Die Schau, die vom 17. Juli bis zum 15. September 1958 von der sogenannten Frauenlandi organisiert wurde, widmete sich der Situation der zeitgenössischen Frau in der Schweiz. Konzipiert war sie wie eine kleine Weltausstellung mit Modellen, Informations- und Veranschaulichungsdisplays, aber auch mit diversen Veranstaltungen wie Symposien und Konzerten. Tatsächlich wurde die Ausstellung zum Erfolg mit nationaler Ausstrahlung und lockte rund zwei Millionen Besucher an. Umso unglaublicher scheint es, dass dieser Grossevent bereits 50 Jahre später kaum noch bekannt ist. Nur noch der Name der kleinen Insel erinnert an die Ausstellung, die einerseits feministischen Charakter hatte, anderseits noch von der konservativen Biederkeit der Zeit geprägt war. Die Hauptattraktion des Grossanlasses war damals der Wohnturm, der auf Initiative von Annemarie Hubacher, der passionierten Chefarchitektin der Saffa, gebaut wurde. Das 35 Meter hohe Gebäude war über einen gewundenen Aufgang an der Aussenfassade besteigbar. In der Mitte befanden sich Ausstellungsflächen, die sich verschiedenen Facetten des Wohnens widmeten.

«Der Wohnturm war für uns eine Inspiration, kein Vorbild», betont Hegglin. Für ihn seien die Recherche zur Saffa sowie die Gespräche mit Hubachers Sohn, der heute selbst als Architekt arbeitet, ein spannender Input für den neuen Bau gewesen. Ein Nachbau oder eine Architekturausstellung seien für das Theaterspektakel-Team aber nie in Frage gekommen. «Was uns interessierte, waren die Berührungspunkte zwischen dem Wohnturm und den Errichtungen des Theaterspektakels, die ja beide temporäre und mobile Bauten sind.» So zeichnet sich der heutige Turm zwar auch durch einen gewundenen Aufgang und die Ausstellungsfläche in der Mitte aus, ist aber lediglich 12,5 Meter hoch und besteht aus einfachen Materialien. Man habe bei der Planung, sagt Hegglin, bewusst darauf geachtet, keine unnötigen Abfälle zu hinterlassen, wenn das Spektakel im September wieder abgebaut wird - das Stahlgerüst ist gemietet, und die Holzspanplatten können problemlos wiederverwertet werden.

Turm mit Aussichtsplattform

Der programmatische Teil ist mehrheitlich den klassischen Inhalten des Theaterspektakels verpflichtet: Während zuunterst die traditionelle Wein- und Tapasbar einquartiert wird, finden auf dem ersten Stock Guy Krnetas und Pedro Lenzs Sprechperformances statt. Der zweite Stock wird als einziger komplett verdunkelt, um für das Mondoskop-Projekt - eine poetische Installation aus Schaltstationen und Automaten - das ideale Setting zu schaffen. Auf der dritten Etage widmet sich Mats Staub mit seinem «Erinnerungsbüro» Fragen der Vergangenheit. Auf der obersten Plattform hingegen wird der Hommage an die Saffa Raum gegeben. In einer an ein Alpenpanorama angelehnten Aussichtsplattform können die Besucher die Bilder von damals in Grossansicht betrachten: alte Fotografien von Annemarie Hubachers elegant gestaltetem Turm und von einer Zeit, in der Wollishofen so belebt und brodelnd war wie heute nur während des Theaterspektakels.
Zürich, Theaterspektakel, 14. bis 31. August. Der Turm befindet sich gegenüber dem Haupteingang des Geländes am Seeufer.

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Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

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