Artikel

Grünräume zwischen Tradition und Zukunft
Neue Zürcher Zeitung

Vielfältige Ausstellungen an der Triennale für Landschaftsarchitektur im niederländischen Apeldoorn

Mit sieben Ausstellungen zum Thema Landschaftsarchitektur wartet die Internationale Triennale Apeldoorn 2008 auf. Die Ausstellungsorte verteilen sich auf die Stadt und ihre reizvolle Umgebung.

25. August 2008 - Hubertus Adam
Die Natürlichkeit der Landschaft ist meist eine Illusion. Landschaft wurde und wird durch direktes oder indirektes menschliches Einwirken geformt. Das gilt besonders für die Niederlande. Mit der Trockenlegung des Beemster-Polders in Nordholland Anfang des 17. Jahrhunderts begann ein Prozess, der mit der Trockenlegung der Zuidersee und dem Deltawerk im 20. Jahrhundert kulminierte: der Kampf des Menschen gegen das Wasser sowie die Sicherung und Vergrösserung des Territoriums. Die Frage von Künstlichkeit und Natürlichkeit ist daher ein wichtiges Thema in der zeitgenössischen niederländischen Architektur und Landschaftsarchitektur: Man mag an die bühnenartige Platzgestaltung des Schouwburgplein von West 8 in Rotterdam denken oder an den von MVRDV als Stapelung prototypischer Landschaften konzipierten niederländischen Pavillon der Expo 2000 in Hannover.

Dichter Veranstaltungsreigen

In diesem Sommer wird mit der Internationalen Triennale Apeldoorn 2008 der Versuch unternommen, Landschaftsarchitektur und Landschaftsgestaltung breitenwirksam in den Niederlanden zum Thema zu machen. Mehrere Kulturinstitutionen, unterstützt von der Stadt Apeldoorn, der Provinz Gelderland, verschiedenen Ministerien und privaten Sponsoren haben ein reichhaltiges Programm arrangiert: Nicht weniger als sieben Ausstellungen bilden das Kernprogramm der Triennale, die durch Kongresse, Vorträge und partizipatorische Privatgartenprojekte ergänzt wird; im Park Berg en Bos wurde die Blumenpromenade «The Royal Mile» angelegt. Man fragt sich, ob weniger nicht mehr gewesen wäre. Im CODA-Museum Apeldoorn beispielsweise, einem der jüngsten Bauten von Herman Hertzberger, ist «The Discovery of the Netherlands» zu sehen, ein Panorama der niederländischen Landschaftsmalerei vom 17. bis zum 20. Jahrhundert. Den attraktiven Leihgaben zum Trotz hätte man eine derartige Schau auch in anderen Museen zeigen können.

In der Nettenfabriek, einem nicht mehr genutzten historischen Industriekomplex neben dem Bahnhof Apeldoorn, sind drei Ausstellungen untergebracht. «Power of Place» sucht etwas bemüht die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Landschaft. Überzeugender ist der «Canon of the Dutch Landscape»: Aufgezogen auf 60 Banner, werden im Hofraum des Industriebaus Grossfotos niederländischer Landschaften gezeigt – fünf aus jeder der zwölf Provinzen. Daneben ist in einer 1000 Meter langen Halle der früheren Netzfabrik die monografische Ausstellung «Invisible Work» des 1948 geborenen Landschaftsarchitekten Michael van Gessel zu sehen, der zu den erfolgreichsten Vertretern seines Berufsstands in den Niederlanden zählt und Projekte seines jungen, ursprünglich aus Irland stammenden Kollegen Patrick McCabe in die Präsentation integriert.

Van Gessel arbeitet in verschiedenen Massstäben bis hin zu grossräumigen Landschaftsplanungen, wobei sich die sensiblen, niemals spektakulären Projekte bewusst von der Herangehensweise der «Superdutch»-Architekten absetzen. Sein besonderes Interesse gilt historischen Kulturlandschaften; eines der besten Projekte konnte er 2005 auf dem Grebbeberg realisieren, der seit je strategisch wichtigen Anhöhe über dem Niederrhein zwischen Arnhem und Utrecht. Mit zurückhaltenden Interventionen aus Stahl gelang es van Gessel, eine merowingische Wallanlage in ihrem Bezug zur Umgebung für die Besucher lesbar und begehbar zu machen, ohne die historische Substanz zu beeinträchtigen. Als Berater befasst er sich überdies mit der Nieuwe Hollandse Waterlinie, einer Befestigungsanlage, die nach 1815 als Kette von Forts, Schleusen und Deichen angelegt wurde, um bei Gefahr einen Landstreifen zwischen dem IJsselmeer im Norden und dem Biesbosch im Süden fluten und feindliches Eindringen verhindern zu können.

Der Befestigungsgürtel, der seit einigen Jahren erforscht wird und den Status des Unesco-Weltkulturerbes erlangt hat, ist auch in der Ausstellung «A Wider View» in der ehemaligen Funkstation von Radio Kootwijk zu sehen. Das grandiose, gartenkünstlerisch inszenierte Betongebäude, das Julius Luthman 1923 in der Wald- und Heidelandschaft der Veluwe südwestlich von Apeldoorn realisierte, diente ursprünglich der Funkverbindung mit Bandung auf Java; seit mehreren Jahren steht es leer und wartet auf eine neue Nutzung. In der Maschinenhalle wird nun eine instruktive Übersicht über die Herausforderungen im Umgang mit europäischen Kulturlandschaften gegeben. Dabei geht es um Grenzlandschaften wie den römischen Limes, den Atlantikwall oder den «Ypernbogen» des Ersten Weltkriegs, um Fluss- und Wasserregionen, um die Wiederherstellung und den Erhalt traditioneller Landschaftsformen wie der Terrassen der Cinque Terre oder um den Umgang mit industriellen Territorien – von den Minen in Cornwall über die Braunkohlengebiete in der Lausitz bis hin zur «Green Metropolis», die Henri Bava für die Rhein-Ruhr-Region konzipiert hat.

Die schönste Ausstellung der Triennale befindet sich im Barockschloss Het Loo bei Apeldoorn, das Ende des 17. Jahrhunderts als Jagdsitz errichtet und von Mitgliedern der königlichen Familie bis 1975 bewohnt wurde. «Landscapes of the Imagination» ist ein opulent mit Skizzen, Entwürfen und Perspektiven bestückter Überblick über vier Jahrhunderte europäischer Landschaftsarchitektur und deren Darstellungsweisen. Vom perspektivischen Stich eines Renaissancegartens führt der Weg bis zur computergenerierten Perspektive des englischen Büros Gross.Max.

William Kents Zeichnung für Claremont und Capability Browns Plan von Wimpole dokumentieren den englischen Landschaftsgarten, das 19. Jahrhundert ist mit Sckell, Lenné, Repton und Alphand vertreten. Zu den Höhepunkten der Schau zählen die Gouachen des Waldfriedhofs in Stockholm von Gunnar Asplund und Sigurd Lewerentz (1932–35) sowie die fünf Meter lange Bleistiftzeichnung des Seeuferwegs am Zürichhorn von Willi Neukom aus dem Jahr 1963, die nachgerade obsessiv jeden Kiesel und jede Steinplatte wiedergibt.

Rekonstruktionen

Abschliessend lohnt ein Gang durch den Schlosspark: Die zweiteilige Barockanlage, Anfang des 19. Jahrhunderts durch eine Gestaltung im englischen Stil ersetzt, war zwischen 1977 und 1984 trotz kritischen Stimmen anhand von historischen Stichen und Ausgrabungsbefunden rekonstruiert worden. 1990 tauchte unverhofft ein authentischerer Gartenplan aus dem Jahr 1706 auf, der nun die Grundlage für die Revision der Rekonstruktion darstellte. Rechtzeitig zur Triennale haben nun die Parterres im unteren Gartenbereich eine Form erhalten, die dem ursprünglichen Zustand näherkommen mag. Ob eine Rekonstruktion, welche die Gestaltung des 19. Jahrhunderts eliminierte, die richtige Strategie darstellt, bleibt aber fraglich.

[ Bis 28. September 2008. Kataloge: 100 Days of Culture, Gardens and Landscapes. International Triennial Apeldoorn; 176 S., € 29.50. – Landscapes of the Imagination. Designing the European Tradition of Garden and Landscape Architecture 1600–2000; 160 S., € 27.95 (beide 2008 bei NAI Publishers Rotterdam erschienen). ]

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Neue Zürcher Zeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: