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Edle Festung für die Kunst im Golf
Der Standard

Nach langer Architekten- und Standortsuche wurde es nun eröffnet: Ieoh Ming Peis Museum of Islamic Art in Doha. Ein Signal zur Positionierung Katars als Kultur- und Bildungszentrum am Persischen Golf

6. Dezember 2008 - Markus Mittringer
Der beigefarbene Magny- und Charmesson-Kalkstein kommt aus Frankreich, der edle graue Jet-Mist-Granit aus den USA, der rostfreie Edelstahl aus Deutschland; für Standort und Hülle hat der aus China stammende Ieoh Ming Pei gesorgt; die Innenausstattung der Schauräume hat das Pariser Büro von Jean-Michel Wilmotte unter anderem mit brasilianischem Perlholz (Louro Faia) verkleidet. (Woher das die Nahsicht doch etwas irritierende Silikon in den Fugen der steinernen Fassadenverkleidung kommt, ist nicht bekannt.)

Zum Direktor wurde Oliver Watson ernannt, ehedem Chefkurator der Middle Eastern Collections am Londoner Victoria & Albert Museum. Der Auftraggeber ist der Emir von Katar, seine Hoheit Scheich Hamad Bin Khalifa Al-Thani. Dessen Tochter, ihre Exzellenz Sheikha Al-Mayassa Bint Hamad Bin Khalifa Al-Thani steht dem Board of Trustees vor. Beide stammen ebenso wie die spezielle, dem Klima trotzende Betonmischung aus Katar.

Alles zusammen ergibt das eben eröffnete Museum of Islamic Art in Doha, ein spektakuläres Haus auf einer künstlichen, etwa 60 Meter dem Festland vorgelagerten Insel im Golf.

I. M. Pei bestand auf dieser Insel, einem Bauplatz, von dem er sicher sein konnte, dass kein noch so himmelstrebender Bauboom sein Haus je in den Schatten stellen würde. Souverän ruht seine etwa 50 Meter hohe Burg auf ihren 35.000 Quadratmetern Grundfläche in der Bucht, unberührt von Jean Nouvels Büroturm in der Skyline Dohas gegenüber an der Nordseite, unberührbar auch von allen Bauten, die da, wie etwa ein geplantes Fotomuseum von Santiago Calatrava oder eine riesige Struktur Arata Isozakis, noch kommen mögen.

Solitär im Meer

I. M. Pei hat einen Solitär ins Meer gesetzt, seine Essenz islamischer Architektur in zeitgemäßer Interpretation. Der Pritzger-PrizeTräger von 1983 und Architekt des Grand Louvre (der „Pyramide“) war nicht die erste Wahl, ein Symbol für Katars Positionierung als Kultur- und Bildungszentrum in der Region zu errichten. Ein Wettbewerb hatte Jahre zuvor kein befriedigendes Resultat gebracht. Schließlich wurde Pei direkt (er nimmt seit Jahrzehnten an keinen Wettbewerben mehr teil) quasi aus der Pension geholt, um noch einmal „Wesentliches“ zu errichten.

Und der machte die Insel als Bauplatz zur Bedingung - und ging auf Reisen; besuchte die große Moschee von Córdoba in Spanien, die Mogul-Residenz Fatehpur Sikri in Indien, die Omayyaden-Moschee in Damaskus, die Grenzfestungen von Monastir und Souuse. Um schließlich bei einem Brunnen für rituelle Waschungen aus dem 13. Jahrhundert innezuhalten: Der Sabil der Ibn-Tulun-Moschee von Kairo hat ihm letztlich „die streng minimalistische Architektur aufgezeigt, die erst durch die Sonne, durch das Spiel von Schatten und Farbschattierungen zum Leben erweckt wird“, war „Vorbild“ für sein annähernd fensterloses Zentralgebäude, den „Ausdruck einer geometrischen Sequenz“. Durch einen Arkadengang und ein wasserbespieltes Atrium mit dem Hauptgebäude verbunden ist ein zweigeschoßiger „Education Wing“.

Erschlossen wird die Insel durch zwei Fußgeherstege zu den Nebeneingängen und eine (autotaugliche) zeremonielle Rampe zum Haupteingang. Und - die wohl eindrucksvollste Annäherung - durch einen dem Emir vorbehaltenen Bootssteg samt drehbarer offener Hebebühne zum Transport der Eminenzen auf das Niveau des zentralen, spektakulär überkuppelten Foyers.

Hier übersetzt Pei die Komplexität orientalischer Dekors in ein dreidimensionales Spiel von Überschneidungen, schwelgt in den unendlichen Möglichkeiten des Ornaments, zitiert in einem monumentalen Luster perforierte ägyptische Metallarbeiten, lässt die mit Edelstahl ausgekleidete Kuppel via Licht zum „lebendig“ facettierten Gewölbe werden.

Zugleich ist das Foyer der Raum, um „moderne“ Materialien einzubringen: Gläserne Treppen und Geländer, stählerne Handläufe, computergenerierte Stahlbrücken bringen im Verbund mit dem verglasten Erker ebenso Licht wie das reale Leben ins Heiligtum - sorgen aber auch für dezente Shoppingmall-Atmosphäre.

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