Artikel

Es grünt so kühn
Spectrum

Ob in „Barry Lyndon“ oder in der „Truman Show“, in „Blow Up“ oder in „Edward mit den Scherenhänden“: Überall finden wir sie, die „Gärten im Film“. Drei Landschaftsarchitekten auf der Suche nach Gartenkunst, wie sie von der Leinwand kommt.

3. Januar 2009 - Wolfgang Freitag
Ich bin immer ein begeisterter Gärtner gewesen – Blumen strahlten in meiner Kindheit, wie sie es in mittelalterlichen Handschriften tun.“ Und: „Hinter jedem Garten liegt das Paradies, und einige Gärten sind wahre Paradiese. Meiner gehört dazu.“ Es ist der Große des britischen Independent Films, der hier von seiner Gartenleidenschaft Zeugnis ablegt: Derek Jarman. Und es wäre nicht Jarman, hätte er es sich mit diesem seinem Garten leicht gemacht. Die Fischerkate, die er 1986 auf der Halbinsel Dungeness erwirbt, liegt inmitten einer jämmerlichen Kieswüste mit einem klapprigen Atomkraftwerk als einziger Attraktion in der Nachbarschaft.

Das Gartenkunstwerk aus Treibgut und anderen Fundstücken, aus bodenständigen und angesiedelten Pflanzen, das er in den folgenden Jahren, bis zu seinem frühen Aids-Tod, 1994, einer grimmigen Natur anempfiehlt, verwebt er einmal, 1990, auch in einen Film: „The Garden“ heißt der traumatisch-traumverlorene Streifen voller Anspielungen auf Religion, Aids und Sexualität. Eine der entlegeneren Seitenstraßen, wenn man sich dem Thema „Gärten im Film“ annähert.

Zu entlegen, wenn man sich dabei wie Leonie Glabau, Daniel Rimbach und Horst Schumacher im Dienste der Handlichkeit auf 144 Buchseiten beschränken will. Immerhin: „Über 130 Spielfilme, die einen Gartenbezug zeigen“, haben die drei deutschen Landschaftsarchitekten im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Fachhochschule Erfurt analysiert. Das Ergebnis wartet auch ohne Jarmans „Garden“ mit einer ganzen Reihe überraschender Details auf.

So erfahren wir, dass Michelangelo Antonioni für die zentrale Passage von „Blow Up“ (1966) den Rasen des Londoner Maryon Parks grün anstreichen ließ und die Asphaltwege schwarz. Ergebnis: Der Park wirkt entrückt, fast surreal. Oder schauen wir uns, geführt von dem Autorentrio, Alain Resnais' „Letztes Jahr in Marienbad“ (1960) einmal genauer an: „In der berühmtesten Einstellung des Films gleitet der Blick von einem Balkon hinunter in den weiten Barockgarten von Nymphenburg. Menschen stehen unbeweglich in der Hauptachse. Während sie lange Schatten werfen, fehlen die Schatten der Bäume, Statuen und der Gehölze. Hierfür wurde bei bedecktem Himmel gedreht und mit aufgemalten Schatten gearbeitet.“ Ergebnis, abermals: eine nachgerade gespenstische Verfremdung der Szenerie.

Wir sehen schon: Glabau, Rimbach und Schumacher begnügen sich nicht damit, eine Sammlung von Drehorten und schönen Bildern vorzulegen; sie wollen auch Antworten auf Fragen geben wie: „Warum wurde ein spezieller Garten ausgewählt? Welche räumliche Situationen entstehen auf der Leinwand? Was kann ein Filmgarten gegenüber einem realen Garten?“

Schließlich: Gedreht on location bedeutet ja keineswegs, dass diese location dann auch tatsächlich so ins Bild gerückt wird, wie sie nun einmal ist. Und auch diesen Differenzen zwischen Leinwandschein und Gartenwirklichkeit forschen die Autoren lokalaugenscheinlich nach. Da geht es um unmittelbare Eingriffe in die Gestaltung der Landschaftsräume, der Parterre und Rabatten, der Sichtschneisen, der Brunnen und des sonstigen Gartenmobiliars, wie sie sich an den jeweiligen Orten finden. Hier eine Statue dazu, da ein paar Hecken, die unter Planen verschwinden: Regelmäßig wird die ohnehin schon vorhandene Gartenkunst im Dienste eines filmisch dienlicheren Ausdrucks noch einmal ästhetisch aufgepeppt. Gar nicht zu reden von jenen Fällen, wo ein Filmgarten gar aus mehreren realen Gärten gefügt wird. Man denke an Stanley Kubricks bis auf den heutigen Tag unübertroffenes Historiendrama „Barry Lyndon“ (1975). Kubricks „Hauptanliegen war es, ein stimmiges Bild aus der Mitte des 18. Jahrhunderts zu erschaffen“, erläutern die Autoren. „Für dieses perfekt inszenierte Bild wurde zum Beispiel das Anwesen der Lyndons aus mehreren englischen Landsitzen zu einem imaginären Ideallandschaftsgarten verschmolzen. Diese Verschmelzungen sind jedoch keine ,Fehler‘, sie erschließen sich nur dem Kenner der einzelnen Drehorte.“ Der Szenograf des Films als Schöpfer einer zwar aus Vorhandenem rekombinierten, und doch auf ihre Art neuen Landschaftsgestaltung, die das Bild von Gartenkunst, das das Kinopublikum nach Haus nimmt, womöglich tiefer prägt, als es die realen Orte vermögen.

Doch auch jenseits aller Eingriffe durch eine Filmcrew formt, was von der Leinwand kommt, naturgemäß unsere Sehgewohnheiten. So definiert der New Yorker Central Park allein schon dank seiner Omnipräsenz in US-amerikanischen Filmen und, ja, auch Fernsehserien längst sozusagen weltweit den Standard dafür, wie ein metropolitanes Grün auszusehen hat. Egal ob Bow Bridge, Sheep Meadow, Lake oder Bethesda Brunnen: Seit gut hundert Jahren sind sie kinematografisches Gemeingut. Mehr als 240 Spielfilme wurden ab 1908 im Central Park gedreht, allein im Jahr 2004 „wurde die Anlage für insgesamt 4000 Drehtage beziehungsweise Fototermine genutzt“, so Glabau, Rimbach und Schumacher. Der globalisierte Stadtgarten.

Und dann sind da noch die Orte, von denen man gar nicht glauben möchte, sie könnte es wirklich irgendwo auf dieser Welt geben: etwa das brechreizend schnuckelige Städtchen Seahaven aus Peter Weirs „Truman Show“ (1998), das unter dem Namen Seaside in Florida zu finden ist. Oder die Pastellsiedlung, in der Tim Burtons „Edward mit den Scherenhänden“ (1990) monotone Vorstadthecken in bizarre Skulpturen verwandelt: Die heißt eigentlich Tinsmith Circle und kann unweit des Städtchens Lutz und gleichfalls in Florida besichtigt werden.

Dass „Gärten im Film“ als „Führer zu Filmgärten in Deutschland, Europa und Übersee“ nicht auch nach Österreich führt, verwundert nicht, trauen doch selbst die Eingeborenen der hiesigen Landschaftsarchitektur bis dato kaum zu, wenigstens das einheimische Publikum breitflächig zu interessieren. Und wenn denn einmal eine nennenswerte Aktivität zu verbuchen wäre wie vergangenes Jahr die Niederösterreichische Landesgartenschau in Tulln, dann bleibt sie, weil jeder erkennbaren Pressearbeit bar, so gut wie ohne reflektierende Resonanz.

Übrigens: Auch die „Gärten im Film“ waren vergangenen Sommer auf dem Tullner Gelände zu Gast – mit drei Filmen und einer Einführung durch Leonie Glabau. Aber davon hat außer den Lurchen in der Tullner Au leider kaum jemand erfahren.

Vielleicht findet sich ja an anderem Ort einmal Gelegenheit, den „Gärten im Film“ noch einmal – und diesmal unter Einschluss der Öffentlichkeit – cineastisch nachzuspüren. Was man in Erfurt seit fünf Jahren jährlich kann, wird man ja hierzulande wenigstens einmal zusammenbringen

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: Spectrum

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: