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Kunstgriff für die Kunstradfahrer
deutsche bauzeitung

Der Sieger im Wettbewerb um die neue Mehrzweckhalle in Wimsheim hatte sofort das Herz des Gemeinderats erobert: Die Lösung der Architekten überzeugte nicht nur nach funktionalen und ästhetischen Gesichtspunkten, sondern auch durch Raffinesse. Die von der Kommune geforderte Erweiterungsmöglichkeit sah das Büro innerhalb des Gebäudes vor – und schuf damit ein Atrium, das bei Veranstaltungen rege genutzt wird. Doch auch in der Halle selbst bewältigten die Planer den Spagat zwischen der Einhaltung des Kostenrahmens und qualitätvoller Architektur bravourös.

1. März 2009 - Claudia Hildner
Wagt der Architekt einen Ausflug ins Umland, so sieht er sich oft mit einem ärgerlichen Phänomen konfrontiert: Gleich hinter den halbwegs intakten Dorfkernen lauern Bauten, die nicht nur auf den Kontext pfeifen, sondern auch noch so wenig Charme ausstrahlen, dass man ihnen sofort die Abrissbirne wünscht. Auch in Wimsheim – auf halber Strecke zwischen Karlsruhe und Stuttgart an einer Autobahnausfahrt der A8 gelegen – gibt es solche Zweckbauten, allerdings fast nur in dem vor dem eigentlichen Ort liegenden Reservat eines Industriegebiets. Dass die Kommune im Gegensatz zu vielen ihrer Nachbarn durchaus weiß, was qualitätvolle Architektur ausmacht, beweist sie dafür mit ihrer neuen Mehrzweckhalle, die westlich des 2700-Seelen-Ortes auf einem Hügel thront.

Im Inneren wachsen

Die Gemeinde Wimsheim wünschte sich eine Halle, die sich sowohl für den Sportunterricht der benachbarten Grundschule und den Vereinssport als auch für private und öffentliche Veranstaltungen nutzen lassen sollte.
Uneinig war sich der Gemeinderat allerdings über deren Ausmaße. Für eine Ortschaft der Größe Wimsheims wären 18 x 36 Meter für Veranstaltungen absolut ausreichend, doch genügen diese Dimensionen bei einigen Sportarten nicht den internationalen Anforderungen (20 x 40 Meter), so dass die nächstgrößere Normhalle mit Maßen von 22 x 44 Meter ebenfalls zur Diskussion stand. Dass die Argumente für die Ausführung einer größeren Variante nicht unbegründet waren, bewies der Erfolg der Wimsheimer Kunstradfahrer, die kurz nach Fertigstellung der Halle in die zweite Bundesliga aufstiegen.

Schließlich einigte man sich auf eine 22 x 36 Meter große Halle, die man bei Bedarf auf 44 Meter erweitern können sollte. Dieser Wunsch war nicht ganz unproblematisch, da auf der einen Seite der Halle eine Bühne vorgesehen war und sich damit das Foyer nach funktionalen Gesichtspunkten automatisch auf der gegenüberliegenden Seite befinden musste. Der Entwurf von Drei Architekten barg hier die eleganteste Lösung: Das Büro schlug vor, die Erweiterungsmöglichkeit innerhalb des Gebäudes in der Form eines Atriums vorzusehen. Der Kommune gefiel dieser Vorschlag – obwohl man durchaus erkannte, dass sich dadurch natürlich weniger Kosten einsparen ließen als wenn die Erweiterung außerhalb des Baukörpers liegen würde. Die Wimsheimer gewöhnten sich jedoch schnell an den Gedanken eines zusätzlichen reizvollen Raums im Foyerbereich. Die Chance zur Erweiterung gibt es nach wie vor, allerdings möchte heute wohl kaum noch jemand auf das großzügige Atrium verzichten.

Holz-Beton-Kombi

Projektleiter Harald Konsek – einer von 18 Mitarbeitern des Büros Drei Architekten aus Stuttgart – blieb die Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister und dem Gemeinderat von Wimsheim in guter Erinnerung: Die Bauherren standen von Anfang an hinter dem Entwurf, so dass die Planungen rasch vorangingen.

Zum Glück für die Architekten erteilte auch das Landratsamt Enzkreis die Baugenehmigung verhältnismäßig schnell: Dadurch umgingen die Planer, das Gebäude nach der neuen baden-württembergischen Versammlungsstättenrichtlinie (gültig seit Juli 2004) mit ihren schärferen Vorschriften – etwa zu Brandschutz und Fluchtwegen – überarbeiten zu müssen.

Für die Konstruktion waren ursprünglich mit Holz beplankte Stahlblech-Schwerter vorgesehen, doch diese Variante scheiterte aufgrund der hohen Stahlpreise zurzeit des Baus. Die Träger wurden daher in Brettschichtholz ausgeführt. Der Abstand zwischen den einzelnen Trägern ist etwas geringer als statisch erforderlich. Dadurch rahmen sie die schmalen Heizelemente, die zwischen ihnen sitzen, derart ein, dass sie in der Schrägansicht nicht mehr zu sehen sind. Die Träger lagern auf Betonstützen auf; eine Lösung, die den geforderten Spannweiten laut Architekten statisch am besten gerecht wird. Die tragenden Wände der Nebenbereiche des Gebäudes ließen die Planer in Beton ausführen. Die Oberflächen sind jedoch nicht glatt, sondern zeigen die sägeraue Holzschalung. An einigen wenigen Stellen ließen die Architekten die Wände zusätzlich farbig gestalten. Die Entscheidung, für die Konstruktion vor allem Beton zu verwenden, war auch ökonomisch begründet: Das Budget der Kommune sollte nicht gesprengt werden.

Von außen lässt der Bau die Betonknochen kaum erahnen: Eine Lärchenholz-Verschalung hüllt das Gebäude auf drei Seiten ein und lässt es trotz seiner Ausmaße ruhig in der Landschaft liegen. Damit das Holz gleichmäßig vergrauen kann, vermieden die Architekten jeden Überstand. Die Bauherrschaft hatte sich mit der Idee des dunkler werdenden Holzes schnell angefreundet: Die Alternativen – Faserzementplatten oder eine Behandlung des Holzes – kamen für sie nicht in Frage.

Eine schöne Referenz für die Holzhülle entdeckt der Besucher übrigens, wenn er durch ein bodentiefes Fenster im ersten Obergeschoss des Nebengebäudes Richtung Norden auf die Landschaft blickt: Vom gegenüberliegenden Hügel grüßen dann zwei große Scheunen herüber, die den Architekten schon zu Beginn der Planungen auffielen und die sie nun auf ihre Art in Szene setzten.
Im Inneren beschränkten sich die Architekten auf wenige Materialien und Farben; eine Haltung, die weniger den Kosten als einem allgemeinen Entwurfsprinzip des Büros geschuldet ist. Halle, Foyer und Gymnastik-raum tut diese Zurückhaltung sehr gut, wohingegen einige der Nebenbereiche fast etwas zu karg wirken. Doch dies mag auch daran liegen, dass viele Bereiche noch kaum oder nur notdürftig
möbliert sind.

Mit Holz heizen

Holz prägt aber nicht nur die äußere und innere Gestalt der Halle, sondern sorgt auch für die nötige Wärme: Im Keller des Gebäudes findet sich eine Holzpelletheizung, die im Nahwärmeverbund auch die benachbarte Grundschule und den Kindergarten mitversorgt. Nur zur Abtragung der Spitzenlasten in den Wintermonaten und zur Warmwasserbereitung wird zusätzlich der Ölbrenner der Schule angeworfen.

Die Holzheizung war für die Bauherren eigentlich nur die zweitbeste Lösung: Ursprünglich strebten Bürgermeister und Gemeinderat die Versorgung mit Erdwärme an. Die dazu nötigen Pumpen wurden jedoch aufgrund einer an diesem Bauplatz möglichen Gefährdung des Trinkwassers nicht genehmigt. Der Bau der Holzheizung in Wimsheim wurde von der Bundesregierung über das Klimaschutz-Plus-Programm mit rund 63 000 Euro gefördert; zusammen mit den (noch) relativ niedrigen Kosten für Holzpellets stellte sich diese Lösung daher als die wirtschaftlichste heraus. Über die Umweltfreundlichkeit der Heizvariante entbrennen indes in letzter Zeit häufiger Diskussionen: Unter anderem ist abzusehen, dass der Boom der Holzheizungen die Pellets in absehbarer Zeit verteuern wird – was etwa für Länder in Südamerika einen Anreiz zur noch intensiveren Abholzung ihrer Wälder bieten könnte. Im Zusammenspiel mit einem energieeffizient gestalteten Gebäude ist die Holzheizung den Alternativen Gas und Öl allerdings wohl immer noch überlegen.

Um die Temperatur der Halle schnell den Bedürfnissen der Benutzer anpassen zu können, wurden zwischen die Träger Flächenstrahlelemente eingebaut. Diese erwärmen nicht die Luft, sondern direkt die von ihnen beschienenen Oberflächen. Die von den Architekten erwogene Alternative einer Fußbodenheizung schied vor allem wegen deren Trägheit aus. Da das Gebäude für alle Veranstaltungen optimale Bedingungen bieten sollte, legte man Wert auf eine kontrollierte Lüftung. Frische Luft gelangt über vier Erdkanäle in die Halle. Die natürlich vorgekühlte/-gewärmte Luft strömt unter den Sitzbänken ein und kann über Lüftungsklappen, die sich auf der gegenüberliegenden Seite im oberen Wandbereich befinden, wieder entweichen. Zusätzlich ist in einigen Nebenräumen eine mechanische Abluftanlage eingebaut; auf eine Rückgewinnung der Wärme aus der verbrauchten Luft wurde jedoch verzichtet.

Laut Bürgermeister Schühle belaufen sich die Betriebskosten der Halle – inklusive Reinigung und Bewirtschaftung – im Jahr auf etwa 80 000 Euro tatsächliche Kosten. Diese sind zur Hälfte gedeckt durch die Einnahmen, die durch die Vermietung der Halle beziehungsweise des Foyers für Hochzeiten, Geburtstage oder andere Veranstaltungen erzielt werden. Ob im Gemeinderat auch einmal darüber nachgedacht wurde, das Gebäude nach dem »Public Private Partnership«-Modell zu verwirklichen? Die Möglichkeit, so Schühle, habe man durchaus diskutiert – doch die Option, der nachfolgenden Generation Schulden aufzuhalsen, sei ihm nicht besonders geheuer. Die Halle wurde daher – bis auf die staatliche Förderung der Holzheizung – über die Rücklagen der Gemeinde finanziert und stellt auch in ihrem Betrieb durchaus eine Belastung des kommunalen Haushalts dar. Allerdings eine, die der Bauherr gerne trägt: Schließlich gehe es hier darum, die Dorfgemeinschaft über das Vereinsleben und öffentliche Veranstaltungen zu stärken.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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