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Mit dem Schuhlöffel ins Wohnzimmer
Der Standard

Die Baulücke in Oberlech wurde bis zum letzten Millimeter ausgereizt. Auf drei Stockwerken brachten die Architekten von Holzbox Tirol ein Miniaturhaus mit multifunktionalen 20 Quadratmetern unter.

10. Oktober 2009 - Martina Pfeifer Steiner
Das nennt sich Effizienz: Das Apartmenthotel Kar in Oberlech war bis auf den letzten Quadratzentimeter ausgenutzt. Allein, für die dringend benötigte Hausmeisterwohnung blieb kein Platz mehr. Die Findigkeit des Architekturbüros Holzbox Tirol ist bereits bekannt, doch als Armin Kathan die 1,90 Meter breite Restfläche im Autoliftgebäude als alternativen Bauplatz für die Wohnung vorschlug, erntete er nur Kopfschütteln.

Unüberwindbar schien auch der Widerstand der örtlichen Behörden, doch irgendwann überzeugte die geniale Lösung, in den übriggebliebenen Abstellraum die Zwanzig-Quadratmeter-Maisonette einzupassen. Und tatsächlich: Heute windet sich das Wunderwerk an Raumoptimierung mit fünf unterschiedlichen Funktionsbereichen über insgesamt drei Stockwerke. So urig wie der Bewohner Harmann Vrielink - ein Holländer, der Opernsängern einst logopädischen Unterricht erteilte - sollte auch die Wohnhülle sein.

Wie durch einen Schuhlöffel gelangten die nötigen Wohnungsingredienzien in die sieben Quadratmeter große Nutzfläche. An die Planung einer Raumfahrtkapsel erinnernd, galt es, die unterschiedlichen Funktionen klug miteinander zu verzahnen, Doppelnutzungen zu ermöglichen und den Raum multifunktional zu möblieren. Nur durch diese Millimeterarbeit war es möglich, das Häuschen im Haus funktionieren zu lassen.

Es gibt viel zu entdecken. Sich den raffinierten Details zu widmen lohnt allemal. Durch die Minigarderobe betritt man die Küche. Alles ist da, Geschirr und Gläser hängen an der Wand. Das Treppenpodest dient gleichzeitig als Sitzbank zum Esstischchen. Hinter der Glastüre im zweiten Stock lässt sich bereits das Bad erahnen. „Sogar für eine Waschmaschine ist noch Platz“, stellt Harmann zufrieden fest.

Blickfang ist jedoch die Couchnische. Die vorgefertigte und hochinstallierte Box wurde in die Fassade gesteckt und ragt wie ein Erker frech aus dem Altbau. Hier kommt der Bewohner ins Schwärmen: „Die geöffneten Fensterflügel verschwinden in der Rückwand. Du wähnst dich im Freien, sitzt am Platz an der Sonne, in Augenhöhe mit den Berggipfeln des Arlbergs.“ Dass sich die orangen Pölster zum Gästebett klappen lassen, ist ein praktischer Zusatznutzen.

Spätestens hier fällt es auf: Die signifikante Farbe des Heimatlandes von Harmann zieht sich gezielt durch alle Ebenen. Typisch für die Architekten von Holzbox Tirol ist auch das Material der Einbauten: Treppen, Möbel und Regale wurden allesamt aus dunkelbraunen Schalungsplatten gefertigt.

Kletterpartie bis ins Hochbett

Vor der letzten Kehre im obersten Stock duckt sich noch ein kleines Büro unter die Dachschräge. Hier bearbeitet Harmann Vrielink seine Fotos und Alben - und vergisst dabei die Welt rundherum. Das konzentrierte Arbeiten beweist, dass sich der 70-Jährige in seiner Maßanfertigung wohlfühlt. „Das war uns sehr wichtig“, sagt Architekt Kathan, „gerade in so einem kompakten Projekt ist das Wohlbefinden großgeschrieben.“

Das breite Hochbett im Hausgiebel ist Endstation der Kletterpartie. Schon als Kind hatte der Hausherr davon geträumt, in einer Hütte zu wohnen. Die Verschalung aus Zirbenholz an Decke und Wänden gibt diese Stimmung wieder.

Fazit: Die kompakte Hausmeisterwohnung in Oberlech ist typisch für die Arbeit von Holzbox Tirol. Der Ansatz, flächeneffizient und funktionsübergreifend zu planen, ist in diesem Bauprojekt bis an seine Grenzen ausgereizt. Es scheint unmöglich, 20 Quadratmeter auf drei Stockwerke aufteilen zu wollen. Und doch ist dieses Wohnungsexperiment dank verspielter Tüftelei bis in den letzten Winkel geglückt.

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Für den Beitrag verantwortlich: Der Standard

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