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Badedisco
deutsche bauzeitung

Wellnesszentrum »Orhidelia« in Podcetrtek (SLO)

Der in den 60er Jahren begonnene Ausbau des Dorfes an der kroatischen Grenze zu einem modernen Kurort wurde in den letzten Jahren konsequent weiterentwickelt. Die jüngste Attraktion unter den unterschiedlichen Badeangeboten ist ein weiträumiger Wellnessbereich, den die Architekten zur Schonung der idyllischen Landschaft ins Erdreich einsenkten. Durch zahlreiche Anspielungen an die umgebende Natur entstand ein attraktives Ambiente, das Begierden weckt.

9. Dezember 2009 - Achim Geissinger
Um es gleich vorwegzunehmen: Gar so bunt und aufgeregt wie es die Bilder nahelegen, geht es im Wellnessbereich »Orhidelia« nicht zu. Trotz des zunächst willkürlich erscheinenden Nebeneinanders unterschiedlicher Formen und Farben schafft es die Anlage doch, den angemessenen Rahmen für Ruhe und Entspannung zu bieten.

Hauptsächlich lässt sich dies auf die vielerlei Angebote zurückführen, aus denen der Badegast je nach Gefühlslage wählen kann. Materialwahl und Oberflächengestaltung unterstützen dabei die unterschiedlichen räumlichen Qualitäten: In dem an finnische Vorbilder angelehnten Saunabereich dominiert – wenig überraschend – helles Holz, die Dampfbäder bemühen Anklänge an orientalische Ornamentik, die Beckenbeleuchtung führt mit raschen Farbwechseln die Möglichkeiten der LED-Technik vor. Dem architektonisch geschulten Auge mag dies alles reichlich überinstrumentiert vorkommen, letztlich entspricht es aber dem Wunsch nach Inszenierung und Sensation. Dem kann sich der Bauherr genauso wenig entziehen wie – seien wir ehrlich – wir, seine Gäste.

Das Dorf Podcetrtek musste neue Wege beschreiten, um sich gegenüber dem nur zwölf km entfernt liegenden, aber äußerst traditionsreichen Kurort Rogaška Slatina zu profilieren. Anders als z. B. im weltentrückten Vals – mit dessen Therme sich ganz automatisch jedes im hochpreisigen Segment angesiedelte Bad messen lassen muss – konnte man sich im Tal des Flüsschens Sotla nicht darauf verlegen, das Baden auf eine quasi spirituelle Ebene zu heben. Um breitere Schichten ansprechen zu können, empfiehlt es sich, einer volkstümlicheren Haltung der Sinnlichkeit gegenüber verhaftet zu bleiben. Die Gästezahlen müssen stimmen, schließlich stecken in der Anlage hohe Summen aus Fördertöpfen der EU, die dem Tourismus in der Region aufhelfen sollen.

Unterhaltung statt Tempelweihen

Unter den zahlreichen mehr oder minder bedeutsamen Heilbädern beiderseits der slowenisch-kroatischen Grenze spielten die Quellen beim Dorf Podcetrtek nie eine bedeutende Rolle. Erst ab den 60er Jahren begann das sozialistische Regime, das Potenzial des Ortes im Sinne der Volksgesundheit nutzbar zu machen. 1990 erfuhr der Ort den Ausbau zum Spaßbad; rund um die Quelle von Atomske Toplice (das Wasser ist schwach radioaktiv) entstand eine heute als »Terme Olimia« vermarktete Anlage. Um neben den Familien, die ihren Urlaub hauptsächlich im einige hundert Meter talaufwärts gelegenen Badepark »Aqualuna« verbringen, auch betuchte Gäste in die Therme locken zu können, empfahl sich der Bau eines Vier-Sterne-Hotels. Unter dem Namen Sotelia und mit Auszeichnungen geradezu überschüttet hat es dem Büro enota internationalen Ruhm beschert.

Die im Wettbewerb siegreichen Architekten gliederten die enorme Baumasse in ortsverträglich portionierte Streifen und schufen trotz schmalen Budgets ein komfortables und hochwertig erscheinendes Ambiente. Zuvor schon hatten sie das bestehende, mit peinlichen Anleihen aus der römischen Baukunst aufgehübschte Thermenensemble »Termalija« hinter einer gläsernen Nebenraumspange verschwinden lassen. Diesen Bereich – tendenziell für den Normalverdiener gedacht und wochenends unter Discobeleuchtung mit treibenden Beats beschallt – wollte der private Betreiber seinen neuen, zahlungskräftigen Kunden jedoch nicht zumuten. Für sie ließ er auf dem letzten freigebliebenen Wiesengrundstück zwischen Hotel und Bad eine kleine Traumwelt mit verschiedenen Wellnessangeboten einrichten und nannte sie in Anspielung auf die 40 Orchideenarten, die in der Umgebung wachsen, »Orhildelia«. Erneut ließ er enota nahezu freie Hand. Die jungen Architekten wollten das recht uneinheitlich bebaute Areal nicht noch durch einen weiteren Hochbau beeinträchtigen, sondern vielmehr die Qualitäten des Außenraums stärken und die angejahrten Badeanlagen weiter kaschieren. Durch die Vereinheitlichung des Straßenbelags hoben sie die Trennung zwischen Straße und Gehweg auf und betonten die gärtnerisch gestaltete Fußwegverbindung vom Haupteingang der Therme hinüber in das Feriendorf Lipa. Den Gebäudekomplex selbst versenkten sie in der Erde und definierten die Dächer als Bestandteil der Landschaft. Um die Räumlichkeiten mit Tageslicht versorgen und geeignete Außenbereiche schaffen zu können, nahmen die Architekten einen tiefen Einschnitt in das Gelände vor, der nun die Anmutung eines klaffenden Risses im kristallinen Erdboden hat. Die in stumpfen Winkeln gebrochenen Fassadenflächen umschließen u-förmig den terrassierten Außenbereich, der gleichzeitig intim und offen wirkt – der Blickbezug zur Landschaft blieb zumindest in einer Richtung erhalten. Durch die Schrägstellung der oberen Fassadenbereiche gelangt mehr Sonnenlicht in die Tiefe und wird die enorme Höhe der Glaswände abgemildert. Während der Freibereich vor den Saunen allen Blicken von außen entzogen ist, ergibt sich aus der direkten Nachbarschaft von Sonnenterrassen und öffentlichem Weg doch ein eigentümliches Spiel zwischen Verlockung, ja Verheißung, und Abgrenzung: Drinnen dümpeln und scherzen jene, die sich den selbst für westeuropäische Verhältnisse hohen Eintrittspreis (zwischen 22 und 33 Euro) leisteten, und vom Zaun her äugen neugierig die anderen, welche sich eben jenes bislang verkniffen und mit den althergebrachten Formen des Kurens vorlieb nahmen. Ein umso perfideres Spiel, als die glänzenden Oberflächen, die appetitlichen Farben und die schicke Deko gar nicht so teuer sind, wie sie scheinen, und trotzdem Begehrlichkeiten wecken. Den Architekten ist hier erneut ein Bravourstück gelungen, indem sie aus einem denkbar knappen Budget in jeglicher Hinsicht das Maximum herausholten – stolz verweisen sie auf den günstigen Quadratmeterpreis von 1 300 Euro/m².

Lob der Sauerkrautplatte

Alle Oberflächen wirken zunächst einmal hochwertig und sind in ihrem abwechslungsreichen Zusammenspiel höchst geschmackvoll arrangiert. Der klopfende Finger des Kenners aber offenbart die Hohlräume hinter dünnen Platten aus Holzwerkstoff im Außen- wie auch im Innenbereich. Sämtliche Bauelemente sind, auch wenn die komplexe Geometrie anderes erwarten lässt, aus preiswerten Standardprodukten zusammengesetzt. Die Bekleidung der größeren Innenwandflächen ist schon fast ein Bubenstück zu nennen: Aus Holzwolle- und partiell gelochten Holzwerkstoffplatten unterschiedlichen Zuschnitts und Farbtons wurde eine Wandgestaltung gefügt, die auf den ersten Blick Stein assoziieren lässt und dabei nicht nur hervorragend mit dem Schalungsmuster der Sichtbetondecke zusammengeht, sondern auch auf elegante Weise die Lüftungsöffnungen kaschiert und Schall absorbiert. Leider bekommen hohe Temperaturen und Luftfeuchtigkeit nicht allen Materialien gut: Die in Gießharz eingelassenen Baumscheiben, die dem Saunabereich eine gleichfalls warme und lebendige Erscheinung verleihen, sind schon zum großen Teil aufgesprungen und in spitzen Dreiecken aus der Wandebene herausgetreten. Beständiger sind dagegen die dreieckigen Lattenroste, die durch ihre kristalline Faltung kleinteilige, höhlenartige Räume bilden, unter denen es sich nach dem Saunagang erstaunlich behaglich ruhen lässt. Weitere Anspielungen auf Umgebung und Natur finden sich in den blassrosa Mosaikfliesen der Wasserbecken, die sich auf Orchideenblüten beziehen, und in den Baumstützen, die einerseits ein simples Tragwerk für die weit gespannten Betondecken der Bade- und Ruhehallen bilden und andererseits den nahe gelegenen Wald anklingen lassen. Sie sind ebenfalls Bestandteile einer kleinräumlichen Zonierung, die zusammen mit den hohen Ummauerungen der Whirlpools, sinnfällig positionierten Galerieebenen und zahlreichen Deko-Elementen der »Vereinzelung« der Besucher Vorschub leisten. Diese sollen sich als individuelle Gäste des Hauses fühlen können. Das Reinigungspersonal sieht dies offenbar anders und hat bereits einige der künstlichen Pflanzkübel beiseite geschafft.

Das Gesamtkonzept scheint aufzugehen. Orhidelia ist auch zu nächtlicher Stunde und zu Zeiten, da die Hotelbuffets geöffnet sind, gut gefüllt. Jeder kann für sich ein mehr oder minder stark mit Wasserrauschen und Lautsprechermusik beschalltes Plätzchen auftun und sich gleichzeitig als Bestandteil einer exklusiven Gemeinschaft empfinden. So wirbt auch die Website ganz unverblümt mit dem Wort »Prestige«. Ein Glück also, dass der Bauherr an enota geriet und die Anlagen nicht mit dem üblichen Glanz von poliertem Granit und Messing ausgestattet wurden, sondern vielmehr die spielerische Freude junger Architekten am Umgang mit Formen und Materialien spüren lassen. Ob sich ihre aus der Umgebung heraus entwickelte Gestaltung dauerhaft bewährt, oder eines Tages ihrerseits eines dann zeitgemäßen Deckmäntelchens bedarf, … wir sind ganz entspannt.

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Für den Beitrag verantwortlich: deutsche bauzeitung

Ansprechpartner:in für diese Seite: Ulrike Kunkelulrike.kunkel[at]konradin.de

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