Artikel

Francesco Borromini in der Albertina
ORF.at

Ein Blick zurück: Die Wiener Albertina feiert den 400. Geburtstag des Barock-Architekten Francesco Borromini mit einer großen Ausstellung. Herzstück sind die Handzeichnungen des Architekten.

13. April 2000 - Friedrich Tietjen
Barocke Formen - der Terminus ist ohnehin assoziiert mit überschießenden, schwellenden Formen, mit Sinnesreizen und Fleischlichkeit und einer schier unendlichen Vielfalt an Variationen immer wieder neu erfundener künstlerischer Lösungen. Wenn vom Architekten Francesco Borromini kaum je die Rede ist, ohne dass ihm Extravaganz und Eigenwilligkeit attestiert werden, stellt sich neugierig die Frage, wie er schon zu Lebzeiten ein solches Profil gewonnen hat - ein Frage, auf die die derzeit in der Albertina in Wien gezeigte Ausstellung zum 400. Geburtstag Borrominis Antworten erwarten lässt.


Dank den kaiserlichen Bibliothekaren

Architekturausstellungen haben stets mit heiklen Problemen zu kämpfen - anders als bei Gemälden, Grafiken und Plastiken sind die Bauten als Objekte des Interesses immobil und also nur in verschiedensten Formen der Reproduktion zu präsentieren: als Modell, in Filmen und Animationen. Die Wiener Ausstellung kann jedoch auf eine weitere überreiche Quelle zurückgreifen: Die kluge Ankaufspolitik kaiserlicher Bibliothekare hat im 18. Jahrhundert fast den gesamten bekannten Bestand an Handzeichnungen des Architekten nach Wien gebracht.


Architektur als Prozess

Diese Zeichnungen bilden trotz anderer Attraktionen das Herzstück der Ausstellung. An ihnen lässt sich Architektur als Kunst der Bewegung erfahren: Borrominis prozessuales Denken, das erst verschiedene Lösungen eines architektonischen Problems entwickelte und diese dann zu verschmelzen vermochte, hat sichtbare Spuren auf den Blättern hinterlassen.

Immer wieder verändern scheinbar minimale Verschiebungen der Gebäudeachsen und Wandrundungen das gesamte Raumgefüge, schälen sich aus einer Fülle von Ideen überraschende Neuerungen heraus - deren eine, die steinerne Spirale als Bekrönung der Kuppel von Sant'Ivo alla Sapienza in Rom, bis heute Borrominis Ruhm als einer der innovativsten Architekten des Barock versinnbildlicht.


Entfremdung und Depression

Dabei hatte sich Borromini nicht bloß der architektonischen Formensprache seiner Zeitgenossen entfremdet. Seine Biografie zeigt, dass er keineswegs dem Klischee des barocken Künstlers entsprach.

Borromini hielt sich den kunstsinnigen Zirkeln seiner Zeit fern, beharrte gegen die damals schon saisonal wechselnden Moden auf altertümelnd spanischer Tracht und konnte schließlich seine von Streitereien mit Kollegen, Auftraggebern und Dienern hervorgerufenen Depressionen nur mehr durch den Freitod lösen: Wie der von ihm verehrte Cato stürzte er sich in sein Schwert und verletzte sich schwer genug, um am nächsten Morgen nach Empfang der Letzten Ölung zu sterben.


Katalog und Website

Die Ausstellung wird begleitet von einem Katalog, dessen Opulenz mit 790 Schilling einen angemessen hohen Preis hat. Zudem wird eine CD-ROM angeboten, die neben schön anzusehenden Animationen und einer umfangreichen Bibliografie ein etwas schmalbrüstiges Lexikon mit Fachbegriffen und Kurzbiografien aufweist - und auch in der deutschsprachigen Version bleiben die Kritiken von Borrominis Zeitgenossen unübersetzt und damit ohne gründlichere Kenntnisse des Italienischen leider unzugänglich. Die zur Ausstellung eingerichtete Borromini-Page schließlich bietet nur recht spärliche Informationen (die auf der CD-ROM aufgeführten Links fehlen seltsamerweise) und ein rätselhaft sinnloses Spiel.

teilen auf

Für den Beitrag verantwortlich: ORF.at

Ansprechpartner:in für diese Seite: nextroomoffice[at]nextroom.at

Tools: