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Einfach wohnen
Der Standard

Energieeffiziente Häuser werden am besten mit einfachen baulichen Maßnahmen realisiert. Gebäudetechnik kaschiert nur Planungsfehler, besagt der Lowtech-Ansatz.

8. September 2010 - Sascha Aumüller
Wolfgang Streicher weiß vor allem eines nach 20 Jahren Berufserfahrung mit erneuerbaren Energien und energieeffizienten Gebäuden: Weniger ist mehr. Diesen Grundsatz verdichtete er zum Konzept des „Lowtech-Hauses“, reichte das als Forschungsprojekt zur Förderung ein und bekam vorerst eine klare Absage. „Es ist furchtbar, über den Begriff der Innovation zu streiten“, so Streicher zum Juryentscheid: "Lowtech ist bekanntes Wissen mit geringem Innovationsgehalt und trägt nicht zur Entwicklung von „Plusenergiehäusern“ bei."

„Plusenergiehäuser“ sind eine Weiterentwicklung des Passivhausstandards und gewinnen mehr Energie, als sie verbrauchen. Damit sie gar nicht erst zu viel verbrauchen, warf Streicher eine einfache Frage auf: Ist es nicht zielführender, ein Gebäude von vornherein so zu planen, dass es nur sehr geringe zusätzliche Regelung, also „stromfressende“ Haustechnik, benötigt? Das kann mit simplen baulichen Maßnahmen wie etwa der Ausrichtung des Gebäudes nach den Himmelsrichtungen, der klugen Wahl von Fenstergrößen oder Beschattung mit dem Dach erreicht werden. Lowtech-Gebäude stellen demnach eine „neue, uralte Sichtweise“ des Bauens mit integraler Planung und Einfachheit dar, allerdings unter Berücksichtigung der Möglichkeiten heutiger Baustoffe und Gebäudetechnik.

Die Tiroler Zukunftsstiftung wiederum erhob in mehr als hundert Gesprächen den Innovations- bedarf heimischer Unternehmen und folgte im Wesentlichen der Argumentation Streichers. Denn zum einen wünschten sich die befragten Unternehmen einen unabhängigen Forschungspartner - mit Praxisbezug und hoher wissenschaftlicher Kompetenz. Zum anderen wurde klar, dass ein Wettbewerbsvorteil am boomenden Markt für energieeffizientes Bauen vielleicht gerade ein Überdenken der bisherigen Übertechnisierung erfordert.

Eine Million Euro gab die Tiroler Zukunftsstiftung seit 2009 für die Stärkung regionaler Kompetenzen beim energieeffizienten Bauen aus. Alleine 600.000 Euro davon wurden in eine dreijährige Stiftungsprofessur an der Uni Innsbruck investiert - und damit auch gängige Definitionen des Begriffs „Innovation“ infrage gestellt. Bekleidet wird die neue Professur seit März 2010 nämlich von Wolfgang Streicher. Die Baufakultät der Uni Innsbruck verfügt seitdem über zwei neue Studienangebote, die Hightech-„Neuerfindungen“ für Gebäude nicht mehr als das dringlichste Ziel vermitteln.

Bestehendes verstehen

Mit dem Masterstudium der Domotronik soll vielmehr sichergestellt sein, dass die bestehende und also unvermeidbare Haus-, Energie- und Kommunikationstechnik tatsächlich auf intelligente Weise vernetzt wird. Deshalb richtet sich dieses Studium auch weniger an Architekten als vielmehr an Ingenieure von Großbauten wie Krankenhäusern, die ihrerseits zumeist erst einmal diese Gebäudetechnik verstehen müssen. Mit einem einjährigen berufsbegleitenden Weiterbildungsangebot für nachhaltige Gebäudesanierung sollen zudem auch im Wohnbau Tätige angesprochen werden.

Mit dem Lowtech-Ansatz im Wohnbau sieht sich Streicher übrigens keineswegs in Opposition zu Bauverfahren wie der Passivhaustechnologie. Das ist auch insofern nicht ganz irrelevant, weil der als Vorreiter des Passivhaus-Energiestandards für Gebäude geltende Bauphysiker Wolfgang Feist seit 2008 ebenfalls an der Uni Innsbruck tätig ist. „Natürlich kann auch ein Passivhaus ein Lowtech-Haus sein“, so Streicher. Die Lüftungsanlagen in Passivhäusern könnten und sollten sogar so einfach gebaut werden, dass sie nicht unnötig wartungsintensiv werden.

Die Lowtech-Philosophie sei überdies prädestiniert dafür, Technologien für erneuerbare Energien miteinzubinden, so Streicher. Die Solarthermie sollte für die Warmwasserbereitung längst ein fixer Bestandteil sein. Würde zudem die thermische Gebäudesanierung ernst genommen und umgesetzt werden, könnte unser gesamter Gebäudebestand auch mit Solarthermie und Biomasse beheizt werden.

Was den integralen Ansatz beim energieeffizienten Bauen auszeichnet, kann Streicher noch aus einer anderen Erfahrung beurteilen. Er hat federführend an der Einführung des seit 2009 gültigen „Energieausweises“ für neue Gebäude mitgearbeitet. Dieser „Typenschein fürs Haus“ enthält relevante Kennzahlen wie den zu erwartenden Heizbedarf. Das Instrumentarium als solches sei wissenschaftlich zwar noch verbesserungswürdig, aber es ginge vielmehr darum, dass dieser kein „Papiertiger“ bleibt. Es sei für Streicher nämlich ein Treppenwitz, dass Leute ein Haus um 300.000 Euro kaufen, aber keine 300 Euro für den „Energieausweis“ ausgeben wollen. Immerhin würde dieser die Aussteller quasi zur integralen Planung zwingen, weil er rechtlich gesehen sogar ein Gutachten darstellt und eingeklagt werden kann.

www.uibk.ac.at/bauphysik

www.zukunftsstiftung.at

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